rheinische ART
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rheinische ART 01/2021

RHEINISCHE FIRMENKULTUR
Scharfes für die Welt


Der Solinger Schneidwarenproduzent ZWILLING wird bald 300 Jahre alt. Ein Lehrstück über unternehmerische Weitsicht und Mut, über Globalisierung und Expansion, Innovationen und den Zwang, sich immer wieder neu zu erfinden.

 

Firmen-Symbol vor dem weltweit größte Flagship Store der traditionsreichen Solinger ZWILLING-Werke in Shanghai. Die Niederlassung bietet Shop, Restaurant und Gourmet-Kochschule in einem und verfolgt damit ein neues Marketingkozept. Foto © ZWILLING J.A. Henckels AG Solingen

 

Annähernd drei Jahrhunderte Produktion von Messern, Scheren, Küchenutensilien aus einer Stadt, unter dem stets selben Markennamen. Dies ist einzigartig in der deutschen Industrie- und Markengeschichte.
     Aufzubieten hat diese Story die Solinger ZWILLING J.A. Henckels AG, eines der bekanntesten Unternehmen im Rheinland.

 

Portrait des Johann Abraham Henckels jun. von 1869. Er leitete eine stürmische Unternehmensentwicklung ein und präsentierte die Firma auf der Londoner Weltausstellung 1851. Foto © ZWILLING J.A. Henckels AG Solingen

Die Existenz der heutigen Aktiengesellschaft geht auf die Geschäftsgründung 1731 zurück. Der Entrepreneur, Messerschmied Peter Henckels, ließ am 13. Juni des Jahres seinen Handwerksbetrieb in die Solinger Messermacherrolle eintragen und dazu gleichzeitig ein Zwillingspaar als Handwerkszeichen.

     Jahrzehnte später war es Johann Abraham Henckels (1771–1850), der das dem Sternzeichen entlehnte Symbol als Unternehmenslogo und Marke etablierte. Es blieb bis heute erhalten, nur grafisch-modernistisch variiert und seit 1969 in markanter Form auf rotem Grund. Es ist damit eine der ältesten Bild-Marken der Welt.

 

Historische Entwicklung des ZWILLING-Logos, 1731 bis heute. Foto © ZWILLING J.A. Henckels AG Solingen

 

Seit 1970 gehört die Marke ZWILLING zur Neusser Werhahn-Gruppe als Alleingesellschafterin, ist in 100 Ländern präsent und bedient so gut wie alle relevanten Märkte.

     Nach eigenen Angaben erzielte ZWILLING 2019 einen Umsatz von 0,7 Milliarden Euro, davon 86 Prozent außerhalb von Deutschland. Das Produktportfolio ist längst umfangreicher geworden. Neben den traditionellen scharfen Sachen wie Kochmesser und Scheren werden Haushaltswaren, Kochtöpfe, Vakuumiersysteme für Lebensmittel, Küchenhelfer, Bestecke, Geschirr, Gläser und Beauty-Artikel produziert, dies unter verschiedenen Markennamen.

 

Im Jahre 1938 erhielt ZWILLING das Patent für die Vielzweckschere der Serie „Küchenhilfe“. Sie ist extrem robust, bis heute im Sortiment und eine der meistkopierten Scheren der Welt (Patentauslauf 1958). Foto © ZWILLING J.A. Henckels AG Solingen

 

Gekrümmte Fassade, fünfgeschossig, backsteinbekleidet: Verwaltungsgebäude mit Firmenlogo an der Grünwalder Straße in Solingen. Der Entwurf der mächtigen Hausfront stammt von dem Wuppertaler Architekten Carl Huebart. Foto/Auszug © ZWILLING J.A. Henckels AG Solingen

 

Wie stark der grenzüberschreitende Handel schon früh war, verdeutlicht ein Blick in die Geschichte. Die Entwicklung von ZWILLING war selbst aus heutiger Sicht rasant. 1818 gründete Henckels in Berlin die erste Verkaufsniederlassung. Neben der klugen Namensgebung und Standortwahl im Zentrum Preußens wurde ein weiterer Schritt von grundlegender Bedeutung: Innerhalb von nur 15 Jahren eröffnete ZWILLING in vier Metropolen Handelsgeschäfte: in New York 1883, in Wien ein Jahr später und 1897 Außenstellen in Kopenhagen und Rotterdam.

     Die internationalen Schauplätze für innovative Unternehmen waren in jenen Jahren die Weltausstellungen. Das wussten die Solinger Messermacher zu nutzen - mit höchstem Erfolg. ZWILLING gewann zahlreiche Preise bei diesen technischen und kunsthandwerklichen Leistungsschauen, so 1851 in London, 1855 und 1900 in Paris, 1893 in Chicago und 1915 in San Francisco.

     Der US-Markt entwickelte sich zum Absatzgebiet Nummer eins in Übersee. Daher wurde 1909 eine Tochterfirma in den Vereinigten Staaten gegründet. Mit seinem richtungsweisenden Design und den hohen Produktionsstandards galt ZWILLING als Inbegriff für Qualität „Made in Germany“.

 

Werksgelände mit Gleisanschluss der ZWILLING J.A. Henckels Stahlwarenfabrik in Solingen um 1910. Foto © Wikiwand.com gemeinfrei

 

Der Blick auf die Weltmärkte blieb bei ZWILLING bis heute ein zentrales Kriterium. So ging das Traditionsunternehmen 1995 ein Joint Venture in China ein. Das bevölkerungsreichste Land der Welt gehört heute neben den USA zu den Kernmärkten. Dies schaffte auch Raum für Experimente dort mit neuen Marketing-Konzepten – wenn man den Mut hat! In der Megametropole Shanghai eröffnete ZWILLING im April 2018 seinen weltweit größten Flagship Store mit einem „neuen Markenerlebnis“ für Käufer.

 

Shanghai Flagship Store Offen, hell, stylisch und Platz für 100 Gäste. Design und Innenarchitektur stammen von den Architekten Matteo Thun und Antonio Rodriguez. Foto © ZWILLING J.A. Henckels AG Solingen

 

In bester Lage in der größten Hafenstadt der Welt: Der Flagship Store befindet sich am Eingang des beliebten Shoppingcenters in Shanghai, der Taikoo Hui Mall. Foto © ZWILLING J.A. Henckels AG Solingen

Optisch ist dieser Marketingschritt nicht zu übersehen. Vor dem Flagship Store prangt ein großes ZWILLING-Symbol (siehe Bild oben). Nicht irgendeines. Es sind die „Twins“, die einst auf dem Dachfirst des Stammwerks standen. Sie wanderten sozusagen von Solingen nach Shanghai und demonstrieren dort nun Firmentradition.

     Der Store am Eingang der exklusiven Taikoo Hui Mall, eine sogenannte Premium-Location, ist nicht nur Vorzeigefiliale und Verkaufsladen, sondern gleichzeitig Restaurant und Gourment-Kochschule.

     Da darf allerdings nicht jedermann dünsten, braten und backen. Das neue Handels- und Servicekonzept der Solinger hat das Restaurant unter die Leitung der deutschen Spitzenköchin Cornelia Poletto gestellt, die mehrfach pro Jahr persönlich Hand an Töpfe und Herde legt.

     Diese Kombination von Einkaufs-, Koch- und Genusserlebnis ermögliche es, so das Unternehmen, mit den Kunden auf eine kulinarische Reise zu gehen – und das ist eben neu in der Branche. Es ist der raffinierte Versuch, den Kunden in die „kulinarische Welt von ZWILLING“ zu entführen. Den Chinesen dürfte die smarte Idee gefallen!

cpw


Zur Unternehmensphilosophie gehören auch Engagements im sozialen Bereich. Seit 2011 unterhält die Solinger Gesellschaft im südindischen Pondicherry, der ehemaligen Hauptstadt von Französisch-Indien, das Projekt ZWILLING Care. Die außergewöhnliche Initiative dient dazu, jungen Indern mit Behinderungen dabei zu helfen, einen Beruf zu erlernen und ein eigenständiges Leben zu führen.

 

ZWILLING Shanghai Flagship Store

HKRI Taikoo Hui,
2/F, 286 Shimen Yi Lu,
near Nanjing Xi Lu
Jing'an Temple, Jing'an District
兴业太古汇,
石门一路286号2楼,
近南京西路

 

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 ● Deutsches Klingenmuseum
Klosterhof 4 
42653 Solingen-Gräfrath
Tel. 0212 / 258360
Öffnungszeiten (Derzeit Schließung während Corona-Pandemie)
DI – SO 10 – 17 Uhr
FR 14 – 17 Uhr
Das Museum zeigt Bestecke, blanke Waffen und Schneidwaren, ihre Verwendung im Laufe der Geschichte und erklärt die Bedeutung des Schneidens.

 

Firmenmuseum Dujardin Krefeld ( hier)

Farina gegenüber dem Jülichs-Platz (► hier)


 

 

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