„Wir nennen es Ludwig.“
Drei Jubiläen, ein 40. Geburtstag. Das Museum, rheinisches Kunsthaus mit lokalem Flair und internationaler Kunst in Köln, feiert. Seine Sammlung, seine Mäzene, sein Haus und lädt ein zu einer erstaunlichen Ausstellung.
Teilansicht von Bakunins Barrikade, 2014/ 2016, von Ahmet Öğüt. Installation, Objekte aus dem öffentlichen Raum und Gemälde aus der Sammlung des Museum Ludwig. Foto rART2016 |
Diese ist weder Rückschau noch ein Zeigen, was man hat. Nicht die achtenswerten Lorbeeren vergangener Jahre sind Programm, sondern das Haus selbst. 25 eingeladene Künstler aus unterschiedlichen Generationen und Ländern - wie Kuba, England, USA, Türkei, China, Deutschland - geben ihre ganz eigenen Antworten auf die Frage: „Was ist das Museum Ludwig?“
Generierte Lebendigkeit Heraus kam eine Hommage an ein Museum, das es in seiner Geschichte immer wieder verstanden hat, Dialoge über Grenzen, Gesellschaften und Kulturen hinweg zu führen. Doch die ausstellenden Künstler sind nicht allein Gratulanten, sie sind auch Kritiker. Übrigens ist die Ausstellung nicht einem einzelnen Kurator zuzuschreiben. Die Kuratoren dieser Schau, die eine Leistungsschau im besten Sinne ist, sind das Kuratorenteam Ludwig.
Eine Gemeinschaftsausstellung als Gemeinschaftsprojekt und der Protagonist ist man selbst – diesem Unterfangen darf man schon Respekt zollen. Denn die Kuratoren wagen etwas mit dieser Schau: für ihre Besucher, die Stadt, vielleicht auch ein bisschen für sich selbst. Und titeln deshalb schlicht: „Wir nennen es Ludwig“.
Ausschnitt der Installation Forever von Ai Weiwei. Foto rART 2016 |
Drei Jubiläen gilt es zu begehen: Als der Jurist Josef Haubrich der Stadt Köln 1946 seine Sammlung mit Werken der klassischen Moderne schenkte (mehr), hatte er damit den Grundstein für ein Museum gelegt, 1976 unterzeichneten Peter und Irene Ludwig ihren Schenkungsvertrag an die Stadt Köln mit rund 350 Werken zeitgenössischer Kunst und 1986 konnte der Neubau des Museums im Schatten des Weltkulturerbes Kölner Dom eröffnet werden.
Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass mit dem 40. Geburtstag innerhalb dieser Jubiläen der Fokus auf dem Sammlerehepaar Peter und Irene Ludwig liegt. Sie haben der Institution, die ihren Namen trägt, weit mehr geschenkt, als die erwähnten 350 Werke. Diese waren nur der Anfang. Dank ihrer Zuwendungen (mehr) beherbergt das Museum Ludwig, das ein Museum für die Moderne und zeitgenössische Kunst ist, heute die drittgrößte Picasso-Sammlung weltweit und die größte Sammlung amerikanischer Pop Art (mehr) außerhalb der Vereinigten Staaten.
Diango Hernández Installationsansicht Wir nennen es Ludwig. Das Museum wird 40! Museum Ludwig, Matrosen, 2016. Der kubanische Künstler übersetzt bedeutende Ausstellungstitel aus der Geschichte des Museums sowie dessen Schriftzug in eine sinnlich-poetische Landschaft aus wellenförmigen Sitzmöbeln und Wandgemälden. Foto rART 2016 |
Peter und Irene Ludwig gründeten aber weit mehr Institutionen. Sie meinten es ernst, mit ihrer Aussage, Kunst für die Öffentlichkeit zu sammeln. Ludwig-Institutionen gibt es in Aachen, Oberhausen, Wien, St. Petersburg (mehr), Peking ... Der Kunsthistoriker und Schokoladenfabrikant Peter Ludwig war ein Superabsorber von Kunst. Und verteilte sie über die Welt.
Doch zurück nach Köln. Hier darf man bei allem Dank an die Stifter vielleicht auch einmal darauf hinweisen, dass Geschenke dieser Art durchaus kostspielige Gaben für den Beschenkten sind. Die Stadt Köln hatte den Willen und die Größe, diese Geschenke anzunehmen und die Kunst ihren Bürgern und Besuchern in einem eigens dafür gebauten Haus zu präsentieren. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ihr unschätzbarer Lohn heute: nachhaltige internationale Aufmerksamkeit.
Und die trägt. Im letzten Jahr übernahm Yilmaz Dziewior (mehr) das Haus. Er sieht die Institution als ein Künstlermuseum, als eine Plattform für Kunst und Förderung von Künstlern. Ein Ort, an dem im besten Sinne auch Kunst entwickelt wird. Eine progressive Dialogbereitschaft zwischen Künstlern und Museum schwingt da mit und so ist denn auch die Ausstellung vor allem eines: überraschend.
Der Rundgang startet mit einer von Ahmet Öğüt aufgetürmten Barrikade. Er bezieht sich dabei auf die von Michail Bakunins erstellte Barrikade während der Maiaufstände in Dresden 1849. Der Revolluzer stellte Meisterwerke aus der Dresdner Sammlung an die Barrikade in der Hoffnung, dass der Gegner, das preußische Militär, sich scheuen würde, diese niederzuwalzen. Öğüts Barrikade (2014/ 2016) ist bewehrt mit berühmten Meisterwerken der Sammlung Ludwig. Am augenfälligsten ist dabei das Andy Warhol-Portrait von Peter Ludwig.
Teile des Mouse Museum von Claes Oldenburg wird in Vitrinen gezeigt. Foto rART 2016 |
Von Claes Oldenburg (mehr) werden Teile des legendären Mouse Museum gezeigt, dass 1979 von Peter und Irene Ludwig erstanden wurde. Entgegen der Absicht, dieses in Köln zu belassen gehört es heute zum Bestand des museum moderner kunst Stiftung Ludwig in Wien.
Ai Weiweis Beitrag zur Ausstellung titelt Forever. Er bezieht sich damit auf das „Roue des bicyclette“ (Fahrradrad) des Künstlers Marcel Duchamp aus der Sammlung des Hauses. Duchamps Fahrradrad im Dada-Raum des Hauses wurde mittels Kamera und Monitor visuell mit Weiweis Arbeit verbunden.
Marcel Odenbach präsentiert ein Video, dessen Szenen aus dem Privathaus des Sammlerehepaares Ludwig stammen. Subtil zeigt eine Aufnahme die Bronzeköpfe des Paares, das Arno Breker noch in den 1980er Jahren porträtierte. So findet Arno Breker, nach dem Krieg gemiedener, weil als Hitlers Lieblingsbildhauer bekannter Künstler, in eine museale Ausstellung.
Hans Haacke Der Pralinenmeister, 1981 © Hans Haacke/ VG Bild-Kunst. Courtesy Paula Cooper Gallery, New York, Foto: Roland Fritsch
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Hans Haacke widmet seinen 14-teiligen Bildzyklus Der Pralinenmeister dem nicht nur in der Kunst versierten, sondern auch im kunstpolitischen Geschäft sehr zielstrebigem Auftritt des Peter Ludwig. Sammler in der Größenordnung eines Peter Ludwigs haben Macht. Haacke recherchierte und reflektiert Ludwigs Einfluss auf Kultur und Politik.
Das Museum definiert sich durch seine eigenen Geschichte und so recherchierte auch Minerva Cuevas im Haus. Sie konzentrierte sich auf die heutige Peter und Irene Stiftung, die 1982 unter dem Titel „Ludwig Stiftung für Kunst und internationale Verständigung GmbH“ gegründet wurde. Cuevas ging der Frage nach der sozialen Bedeutung einer öffentlichen Kunstsammlung und dem gesellschaftlichen Einfluss künstlerischer Praxis nach. Ihr Beitrag zum Jubiläum ist die Gründung der International Understanding Foundation (IUF), deren Hymne von der Komponistin Viola Kramer und einem Chor von Mitarbeitern des Museum realisiert wurde.
Weniger melodiös aber in ihrem feministischen Kampf vereint sind die Guerrilla Girls, eine anonyme Gruppe Künstlerinnen, die in Gorillamasken auftreten. Plakativ wie ihr Äußeres sind auch ihre visuellen Botschaften. Sie machen darauf aufmerksam, dass Kunstwerke von Frauen in den Museen stark unterrepräsentiert sind. Das Museum Ludwig bildet da mit elf Prozent keine Ausnahme. Ihre Videobotschaft belastet nicht die Intellektualität, wohl aber das Gewissen.
Ausschnitt eines Videostill (aus Female Trouble) der Guerrilla Girls. Foto rART 2016 |
► Teilnehmende Künstler sind: Georges Adéagbo, Ai Weiwei, Ei Arakawa & Michel Auder, Minerva Cuevas, Maria Eichhorn, Andrea Fraser, Meschac Gaba, Guerrilla Girls, Hans Haacke, Diango Hernández, Candida Höfer, Bodys Isek Kingelez, Kuehn Malvezzi, Christian Philipp Müller, Marcel Odenbach, Ahmet Öğüt, Claes Oldenburg, Pratchaya Phinthong, Alexandra Pirici & Manuel Pelmuş, Gerhard Richter, Avery Singer, Jürgen Stollhans, Rosemarie Trockel, Villa Design Group, Christopher Williams
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Die Ausstellung „Wir nennen es Ludwig. Das Museum wird 40!“ ist bis zum 08.01.2017 zu sehen.
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
Tel. 0221 / 221 26165
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr
Jeden ersten Donnerstag im Monat 10 – 22 Uhr