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rheinische ART 09/2022

Archiv 2022

KULTURGUT
Die Bücher der Jesuiten


Eine ungewöhnliche Bücherausstellung in der Jesuitenkirche Kunst-Station Sankt Peter in Köln zeigt, welche bibliophilen Glanzstücke einst diese Ordensleute in der Domstadt besaßen.

 

Griechisch-Lehrbuch von 1559 aus der Feder von Nicolas Cleynart, es wurde in Köln gedruckt und fand seinen Weg 1623 in die Bibliothek der Jesuiten. Über die Zeit dazwischen ist nichts genaueres bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass es im Unterricht genutzt wurde. Exponat Station 4. Foto © Universität Köln. Bildquelle © Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 2022

 

600 Jahre Bildungsförderung in Köln! Eine ebenso seltene wie spannende Thematik. Daran erinnert derzeit der Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (KGS). Im Rahmen des Jubiläums wird auf die Historie der Stadt als Standort einer der größten europäischen Ordensbibliotheken geblickt.

     Die Ausstellung titelt „Wegweiser oder die Macht der Mehrdeutigkeit“ und fordert auf, das zu sehen „…was man auf den zweiten Blick erkennen kann“, wie es in der Kunst-Station Sankt Peter heißt. Dort stehen dem Besucher fünf Vitrinen zur Verfügung, die Einblicke in die Büchersammlung und die pädagogischen Ziele der Jesuiten gewähren.

 

1540 erkannte Papst Paul III. die Societas Jesu, die Ignatius von Loyola und seine Getreuen gegründet hatten, als katholischen Orden an. Die zwischenzeitlich aufgehobene und neugegründete Gemeinschaft ist heute als Jesuiten Orden bekannt. Foto © Universität zu Köln. Bildquelle © Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 2022

 

Zugang zur Bildung für junge Menschen: Das war das Ziel, das die Jesuiten verfolgten, als sie 1557 das Kölner Gymnasium Tricoronatum, das heutige Dreikönigsgymnasium, übernahmen und es mit ihrem Studienkolleg verzahnten.

     Gleichzeitig bauten sie eine umfangreiche Lehrsammlung auf, zu der neben anderem rund 40.000 Bücher zählen, die heute in der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB) als Dauerleihgabe beheimatet sind und der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stehen.

     Erbe der jesuitischen Kulturgüter ist der Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds.


Moderne Medien standen seit 1540, der Gründung des Jesuitenordens, im Zentrum des Interesses dieser katholischen Ordensgemeinschaft, deren Einsatz in den Zeiten der Glaubenskonflikte wie die Speerspitze des Katholizismus wirkte.

     Moderne Medien waren im Köln des 16. Jahrhunderts an erster Stelle Bücher. Weil der Orden den Einsatz für Bildung als ein Werk der Barmherzigkeit und der Gerechtigkeit „zur größeren Ehre Gottes“ verstand, sammelten die Jesuiten die jeweils neuesten und besten Druckwerke. Denn auch die Frömmigkeit musste sich vor dem Forum der Vernunft und dem je aktuellen Wissensstand verantworten.


Um diese Kernaufgabe zu meistern, legten die Gottesmänner in ihren Kollegien große Bibliotheken an. Bereits für 1544 ist eine Büchersammlung in der Kölner Jesuiten-Niederlassung nachgewiesen, die sich bald zu einer der wichtigsten Kollegien Mitteleuropas entwickelte und der ein Gymnasium angeschlossen war.

     Daraus entwickelte sich eine umfangreiche Jesuitenbibliothek. Besonders bemerkenswert: Im Gegensatz zu den anderen, älteren Orden, die meist eine lange Tradition des handschriftlichen Abschreibens pflegten, setzten die Jesuiten von Anfang an vor allem auf gedruckte Bücher.

 

Johann Adam Schall von Bell (1591 - 1666) war ein deutscher Jesuit, Wissenschaftler, Missionar und Mandarin am Hof des Kaisers von China. Exponat in Station 1. Foto © Universität zu Köln. Bildquelle © Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 2022

 

Das sollte aber nicht, wie es in der Kölner Ausstellung heißt, zu der Annahme verleiten, dass es sich bei den jesuitischen Büchern um Massenware handele! „Denn die Nutzung hinterließ an den Büchern mal dezente, mal unübersehbare Spuren.“ Diese lassen bis heute erahnen, wie die Druckwerke verwendet, aufgenommen und gedeutet wurden. Sie berichten vom jahrhundertelangen Dienst der Bücher als Informationsträger, Kommunikationsmittel und Wegweiser.
     Die Kuratoren betonen, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Ausstellung von alten Büchern auf den Emporen der Kunst-Station Sankt Peter handele. Vielmehr gehe es darum, dem Besucher die Augen dafür zu öffnen, dass die historischen Bücher oft mehr als nur die publizierten Texte enthalten.

 

So wurden die ursprünglichen Absichten von Autoren häufig durch Hinzufügungen, Streichungen, Wortänderungen und Illustrationen anderer abgeändert. Dabei kam es nicht selten vor, dass durch Eingriffe in die originären Texte sich eine Vielzahl von neuen Deutungsmöglichkeiten eröffneten.

     So manche Buchseiten gleichen, wie die Schau offenbart, durch eine Fülle von Hinweisen und Anmerkungen späterer Leser einer geistigen Mindmap, die an den verwirrenden Schilderwald heutiger Großstädte erinnert und gänzlich andere Interpretationsrichtungen ermöglicht. Dies zeigt die Ausstellung an den fünf exemplarischen Stationen, die auch online gesehen werden können.

 

Enzyklopädisches Werk von Theodor Zwinger: Theatrum Humanae Vitae, Basel, 1604. Exponat Station 2. Foto © Universität zu Köln. Bildquelle © Universitäts- und Stadtbibliothek Köln 2022

 

Seit vier Jahren fördert der KGS das Gemeinschaftsprojekt zur umfangreichen Erforschung und digitalen Erfassung des kulturellen Erbes der ehemaligen Kölner Jesuiten.

     An der Erforschung beteiligt sind maßgeblich die USB und das Historische Institut der Universität zu Köln am Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit. Partner sind das Rheinische Bildarchiv und das Historische Archiv der Stadt Köln. Ziel des Gesamtprojekts ist es, das Sammlungsgefüge der verstreuten Kulturgüter der Jesuiten wieder zusammenzuführen, zu erforschen und zu erfassen. In einem digitalen Wissensvermittlungsformat wird die Sammlung rekonstruiert und zur Geschichte der Stadt Köln kontextualisiert.
rART/bra


 Der 1592 im rheinischen Lüftelberg (Meckenheim) geborene Jesuit Adam Schall von Bell gehört zu einer Reihe von Ordensmitgliedern, die im 16. und 17. Jahrhundert als Missionare und Wissenschaftler in Indien, China und Japan wirkten (mehr). Adam Schall von Bell besuchte in Köln das Tricoronatum, jene Jesuiten-Institution, deren Gebäude heute noch teilweise in der Marzellenstraße erhalten ist.


► Die Jesuitenkirche Sankt Peter gilt als bedeutender Ort zeitgenössischer Gegenwartskultur und zeigt, wie sehr Modernität ein Thema der Jesuiten war und ist. Kuratiert wird die Ausstellung vom Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (KGS) und der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB).


Die Ausstellung WEGWEISER ODER DIE MACHT DER MEHRDEUTIGKEIT ist bis zum 2. Oktober 2022 geöffnet.
Kunst-Station Sankt Peter Köln
Kirche der Jesuiten

Jabachstraße 1
Eingang über Leonhard-Tietz-Str. 6
50676 Köln
Tel 0221 9213030
Öffnungszeiten: Mi bis So 12 – 18 Uhr
Der Eintritt ist frei!

 

► Wegweiser zur Online-Ausstellung hier

 

 

 

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