Archiv 2016
SAMMLUNG BÜHRLE TRIFFT WALLRAF
Parallelwelten
Den Schweizer Industriellen Emil Georg Bührle und den Kölner Kunsthistoriker Leopold Reidemeister verband nicht nur die Liebe zur Kunst. Der Sammler aus Zürich und der Direktor des Wallraf-Richartz-Museums hatten auch den gleichen Geschmack. Da blieb es nicht aus: die Herren sammelten jahrelang um die Wette!
Vincent van Gogh Die Zugbrücke, 1888, Öl auf Leinwand, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln |
Das Ergebnis dieses äußerst ungewöhnlichen Vorgangs zeigt das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in einer Sonderausstellung mit dem Titel „Von Dürer bis van Gogh. Sammlung Bührle trifft Wallraf“. Rund 70 Werke umfasst die Ausstellung, die nur in Köln gezeigt wird. Sie kann ohne Übertreibung als eine höchst erlesene Schau von Meisterwerken klassifiziert werden.
Claude Monet Mohnblumenfeld bei Vétheuil, um 1879, Öl auf Leinwand, Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn
Claude Monet Frühlingsstimmung bei Vétheuil, 1880, Öl auf Leinwand, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln
|
Emil Bührle und sein Sammler-Pendant Leopold Reidemeister waren vom Impressionismus fasziniert. Daher steht die Malerei des französischen Impressionismus und Nachimpressionismus im Zentrum der Präsentation, flankiert von der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts, Gemälden der Romantik und des Realismus.
Leopold Reidemeister (1900-1987) war ab 1950 Direktor des Wallraf-Richartz-Museums und lernte in dieser Funktion den Sammler Bührle kennen. Noch bis zum Tode des Schweizers 1956 konkurrierten die beiden Kunstkenner auf dem Kunstmarkt um die besten Bilder. Die Kontrahenten umwarben und erwarben oft Werke derselben Künstler mit übereinstimmenden Motiven.
Das Nachsehen hatte jedoch durchweg Reidemeister, dessen Ankaufsbudget – da aus öffentlichen Mitteln gespeist – nie an das Volumen des Rüstungsindustriellen Bührle heranreichte. Diesen Wettlauf konnte er nicht gewinnen. Zudem hatte der Kölner Museumschef noch andere Sorgen, galt es doch, in den Nachkriegsjahren die zerstörte Kunstszene der Domstadt wieder neu aufzubauen. „Wir hatten uns daran gewöhnt, dass Emil Bührle große Preise anlegte, um französische Impressionisten zu kaufen…“, wird aus den Erinnerungen Reidemeisters zitiert.
Gleichwohl: Beide schätzten sich in höchstem Maße und tauschten sich regelmäßig kunsthistorisch aus. Reidemeister über diese Gespräche: „Aber ob in Köln oder Zürich, es ging mit Betrachtungen und Gesprächen immer bis in die Nacht.“ Man sah die Angelegenheit offenbar sportlich!
Bildpaare Über die identischen Sammelleidenschaften der beiden Kunstenthusiasten gibt die Ausstellung beredt Auskunft. Es ist ein einzigartiger Dialog, der den Besucher in Köln erwartet.
Paul Cézanne Der Knabe mit der roten Weste, um 1888/90, Öl auf Leinwand, Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn |
Paul Gauguin Bretonischer Junge, 1889, Öl auf Leinwand, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln |
Denn überraschend häufig haben die Kuratoren Bildthemen und -motive aus beiden Kollektionen parallel gehängt. Damit werden Bildpaare gebildet mit starker inhaltlichen Nähe, manche wiederum ergänzen sich gar sehr eng, da sie demselben kunsthistorischen Kontext entstammen. Einträchtig präsentieren sich da beispielsweise Paul Cézannes Der Knabe mit der roten Weste (Sammlung Bührle) und Paul Gauguins Bretonischer Junge (Wallraf-Richartz-Museum). Bei dem Motiv Brücke etwa korrespondiert Van Goghs Ölgemälde Die Seine-Brücken bei Asnières aus der Bührle-Kollektion mit der berühmten Zugbrücke aus dem Wallraf-Bestand.
Aelbert Cuyp Gewitter über Dordrecht,um 1645, Öl auf Eichenholz, Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn |
Aelbert Cuyp Fischerboote im Mondschein,um 1645, Öl auf Eichenholz, Wallraf-Richartz-Museum, Köln, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln |
Am auffälligsten bestehe nach Ansicht der Ausstellungmacher das enge „Verwandtschaftsverhältnis“ beider Sammlungen innerhalb der Barockabteilung mit Werken aus dem niederländischen Goldenen Zeitalter. Deutlich wird dies etwa an einem Bilderpaar von Aelbert Cuyp.
Seit 1936 gehört Cuyps Gemälde Fischerboote im Mondschein (um 1645) zum Inventar des Kölner Hauses. Gemalt wurde diese im Mondlicht gegebene Hafenansicht als Pendant zu Cuyps Bild Gewitter über Dordrecht (ebenfalls um 1645), das sich heute in der Stiftung Sammlung E.G. Bührle befindet und – Höhepunkt der Gewittermalerei – zu den besonders eindrucksvollen Bildern der Schweizer Sammlung gehört. Umgekehrt nimmt Cuyps Fischerboot-Nachtbild einen vergleichbaren Stellenwert in der Sammlung des Wallraf-Richartz-Museums ein.
Edgar Degas Tänzerinnen im Foyer, um 1889, Öl auf Leinwand, Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn
Edgar Degas Tänzerinnen, um 1905, Pastell auf Papier, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln |
Anschaulich ins Bild gesetzt wird die verwandtschaftliche Nähe beider Konvolute ferner durch Edgar Degas Tänzerinnen, einmal in Öl bei Bührle und mit Pastell auf Papier beim Wallraf, mit einem Abstand von gut einem Vierteljahrhundert von dem eigenwilligen Impressionisten geschaffen (mehr).
Meister der heiligen Veronika, Kreuzigung Christi (Der kleine Kalvarienberg), um 1415–1420, Eichenholz, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Foto: © Rheinisches Bildarchiv, Köln
Niederlande um 1415, Kreuzigung Christi (Kalvarienberg), Eichenholz, Stiftung Sammlung E.G. Bührle, Zürich, Foto: SIK-ISEA, J. P. Kuhn
|
Sammlung Bührle Der Sammler Emil Georg Bührle (1890-1956) stammte gebürtig aus Pforzheim. Als langjähriger Geschäftsführer und Mehrheitsaktionär der Schweizer Werkzeugmaschinen- und Waffenfabrik Oerlikon Bührle & Co. erwarb er 1937 die Schweizer Staatsbürgerschaft.
Der studierte Kunsthistoriker interessierte sich bereits mit Anfang Zwanzig - die Ausstellungsmacher sprechen von 1913 - für den Impressionismus. Gezielte Kunstkäufe klassischer Impressionisten (mehr) wie Monet, Pissarro, Renoir und Sisley (mehr) datieren aber erst aus dem Jahr 1936. Und weitere drei Jahre später erwarb der Unternehmer in Luzern bei Auktionen preisgünstig Werke sogenannter „Entarteter Kunst“, die von den NS-Machthabern in deutschen Museen beschlagnahmt worden waren. Auch in Paris erstand der kunstbegeisterte Konzernchef bis 1941 mehrere von deutschen Besatzern gestohlene Werke (mehr) von Impressionisten.
Auf Druck der Alliierten fahndeten Schweizer Behörden nach dem Zweiten Weltkrieg nach Raubkunst innerhalb des Landes. Von 77 gelisteten Werken wurden 13 in der Sammlung Bührle identifiziert. Der Sammler wurde, wie andere aus der neutralen Schweiz, zur Rückgabe verurteilt. Bührle fügte sich, kaufte jedoch neun dieser Gemälde erneut und offiziell wieder zurück.
Ab 1951 startete der Industrielle dann eine rasante und beispiellose Kauftournee. Unablässig und gezielt erwarb er Kunst, rund 100 Gemälde und Skulpturen pro Jahr! Seine Kollektion europäischer Malerei galt bereits zu dem Zeitpunkt als eine der wichtigsten privaten Sammlungen überhaupt.
Bei seinem Tod 1956 hinterließ Bührle bezüglich seiner Kunstsammlung keinerlei Verfügungen. 1960 brachte seine Familie eine repräsentative Auswahl von etwa 200 Gemälden und Skulpturen in die Stiftung Sammlung E.G.Bührle ein, die bis Mai 2015 in Bührles Zürcher Villa - die zu einem Museum umgebaut worden war - ausgestellt wurden.
Die Sammlung geriet 2008 in die Schlagzeilen, nachdem bei einem bewaffneten Raubüberfall von dort vier Hauptwerke entwendet wurden. Darunter Cézannes Knabe mit der roten Weste und Monets Mohnblumenfeld bei Vétheuil. Die Werke wurden später wieder aufgefunden. Auch diese beiden Gemälde sind in Köln zu sehen.
rART/K2M
► Die Sammlung Bührle wird ab 2020 in einem neuen Erweiterungsbau, entworfen von britischen Architekten David Chipperfield, im Kunsthaus Zürich öffentlich zu sehen sein.
Die Ausstellung „Von Dürer bis van Gogh. Sammlung Bührle trifft Wallraf“ wird bis zum 29. Januar 2017 gezeigt.
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obenmarspforten 40 (am Kölner Rathaus)
50667 Köln
Tel 0221-221/2 11 19
Öffnungszeiten
DI - SO 10 - 18 Uhr
DO 10 -21 Uhr