rheinische ART
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rheinische ART 07/2013

 

ARCHIV 2013

Arthena Foundation, Kai 10

 

Vom Eigensinn der Dinge

 

Bettina Buck, In Shape in Control, 2009, 55 x 65 x 50 cm, Holztisch, halb- aufgepumpter/ entleerter Gymnastikball, Courtesy die Künstlerin, Rokeby London und Galerie Opdahl, Berlin

 

 

Wo immer Menschen sind, sind sie von Dingen umgeben. Mal erfüllen diese Dinge lebensnotwendige Funktionen, ein anderes Mal sind sie Arbeitsgerät oder Spielzeug, Waffe oder Dekoration, Ware oder Gabe. Vieles in der Umwelt entzieht sich jedoch der menschlichen Vereinnahmung durch Ordnung und Funktion. In den Objekten des täglichen Gebrauchs wirkt mitunter eine unkontrollierbare Eigendynamik, eine formative Energie, die die bekannte Begrifflichkeit der Dinge in Frage stellt. Diesem Wandlungsprozess geht die Ausstellung in KAI 10 – durchaus auch philosophisch – nach.  

 

DIE GEZEIGTEN Videos, Installationen, Skulpturen und Fotografien regen dazu an, die Rolle von zum Beispiel Wäscheständern, Fahrzeugen oder Wandfliesen als Begleiter des Menschen in Handlungen aller Art zu überdenken. Sechs internationale Künstler befördern mit ihren Werken eine Sichtweise und ein Verständnis von Alltagsdingen, das über ihre Funktion hinausgeht – und ihnen ein subtiles, mal provozierendes, Eigenleben zugesteht.

 

 

Romuald Hazoumès Fotografien dokumentieren den illegalen Benzinhandel zwischen seinem Heimatland Benin und Nigeria, der auf umgebauten Mopeds oder Fahrrädern stattfindet. Die Aufnahmen fokussieren die Kanistergefährte, in denen Menschen und Dinge zu skurrilen Ensembles verschmelzen. So besteht die Installation Petrol Cargo (2012) aus einem modifizierten Moped und wuchtigen Glasflaschen, in denen an Tankstellen in Benin Benzin verkauft wird. Hier lässt der Künstler den Alltagskontext anklingen. Gleichzeitig erinnert die Arbeit an eine Art Flugkörper und verdeutlicht, ähnlich einem surrealistischen Objekt, das Potential der Dinge, sich von den Bedeutungen zu lösen, mit denen wir sie zu belegen pflegen.

   Dass die Dinge mehr sind als bloße Tatsachen und durch Veränderungen im Zusammenspiel von Zeit und Materie auch eine ganz andere Gestalt annehmen können, spiegelt Sofia Hultén in ihren Videoarbeiten. In Getting Rid of Stuff (2001) sucht sie neue Aufenthaltsorte für diverse Objekte, die sich im Lager eines Ausstellungsraums angesammelt haben. One in Ten (2011) zeigt in zehn Episoden, wie die Künstlerin die oberste Schicht eines Gegenstands entfernt und rekonstruiert. Sofia Hultén beobachtet die Dinge des Alltags in ihrer eigenen Welt. Dort sind sie nicht das uns zweckdienliche Zeug sondern ein unverzichtbar Ding, dessen Existenz die Künstlerin ergründet.

    Eine schwarze Form aus Pappe, die den Schattenwurf einer Teekanne simuliert, Salz, Pfeffer, Sojasauce und zwei Spielzeugautos, die unter einer schützenden Käseglocke ‚Unfall‘ spielen oder ein Vorhang, der etwas zu verbergen scheint – durch feinfühlige Inszenierungen hält Hans-Peter Feldmann die Dinge semantisch in Bewegung. Manche davon "schlüpfen" unter den Begriffen und Funktionen hindurch, mit denen wir sie im Alltag belegen und sind dann mehr bei sich als an uns gerichtet. Man muss es nicht in Worte fassen, man muss es nicht verstehen, aber Feldmanns Umgang mit dem Material ist ein leichter, der auch den Humor nicht zu kurz kommen lässt.

   Bettina Bucks Skulpturen verändern sich häufig durch die Zeit und im Raum und ermöglichen die Erfahrung von ‚leibhaftiger‘ Bewegung. 3 Upright (2011), drei halbrunden Säulen, sieht man die Mühen an, die ihnen die Schwerkraft bereitet. Man ahnt beim Anblick des Materialverbunds aus Leinwandstoff, Latexfarbe und weißen Fliesen, dass dieses Gefüge nicht auf Dauerhaftigkeit angelegt ist. Die Zeit nagt an diesen Objekten und wird sie irgendwann zu Fall bringen.
bra/rArt

 

Ausstellende Künstler: Bettina Buck, Hans-Peter Feldmann, Romuald Hazoumé, Sofia Hultén, Monika Stricker, Hague Yang

 

Die Ausstellung „Vom Eigensinn der Dinge“ ist noch bis zum 27. Juli 2013 zu sehen.
KAI10 | Arthena Foundation
Kaistrasse10
40221 Düsseldorf
Tel. 0211 / 99 434 130

Öffnungszeiten

DI – SA 12 – 17 Uhr
Sonn- und Feiertags geschlossen.

 

: Kuratorin der Ausstellung ist Julia Höner. Erschienen ist ein Katalog mit einem Vorwort von Monika Schnetkamp und Texten von Julia Höner, Kerstin Schankweiler und Stefanie Stallschuss sowie einem künstlerischem Beitrag von Tatiana Echeverri Fernandez. Kerber Verlag, 88 Seiten dt. /engl., zahlreiche farbige Abbildungen.