Archiv 2011: aus "Übrigens"
Kinetische Werke der ZERO-Künstler für Kinder
Aus der Vergessenheit befreit
Im "Licht-Raster" von Otto Piene pulsieren Glühbirnen in einer programmierten Reihenfolge, und ihr Licht scheint dabei sphärisch durch gelochte Aluminiumplatten. ► Otto Piene bei der Neupräsentation seines 50 Jahre alten Werkes mit dem Kulturdezernenten der Stadt, Hans-Georg Lohe
Bei der "Farborgel" von Heinz Mack können die Kinder in vielfältigen Farben bemalte Flügelräder durch ein Schwungrad in Bewegung setzen, und die Farbkombination gesteuert und zufällig verändern
Die weißen Scheiben des "Schattenspiels" von Günther Uecker, die wie Himmelskörper wirken, reflektieren Licht und projizieren gleichzeitig Schatten. Die Kinder können die Scheiben anstoßen und auf diese Weise das Lichtspiel variieren |
Als noch keiner ahnen konnte, dass die jungen Künstler einmal Weltruhm erlangen sollten und ihre Arbeiten bei internationalen Auktionen Höchstpreise erzielen würden, bot man ihnen einen ungewöhnlichen Auftrag an. Es galt, Kunst für die drei Eingänge der Grundschule in der Rolandstraße zu entwickeln. Die drei stellten sich dieser Herausforderung, denn sinn- wie zweckfrei sollte die gefragte Kunst nicht sein. Der eine entwarf eine „Farborgel“, der andere ein „Licht-Raster“ und der Dritte ein „Schattenspiel“.
DIE DREI Granden der ZERO- Bewegung, Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker, erleben jetzt, 50 Jahre später, die Wiedergeburt ihrer damals geschaffenen Kunst. Die Stadt Düsseldorf und die ZERO foundation hatten die Arbeiten anlässlich des Jubiläums der jetzigen Gemeinschaftsschule instand setzen lassen.
Schule als Ort für Kunst
Eigentlich ist eine Schule ein guter Ort für Kunst, denn Kunst erklärt immer auch ein bisschen die Welt. Aber wie soll Kunst für Kinder sein?
Dass es für Künstler, die einen hohen künstlerischen Anspruch leben, keinesfalls selbstverständlich ist, für eine Schule Kunst zu schaffen, betonte Heinz Mack anlässlich der Neupräsentation der restaurierten Werke. Seine Vorstellungen und Bedingungen für die von ihm entwickelte Farborgel als Teil eines pädagogischen Konzepts formulierte er bereits damals wie folgt: „Verneint wird eine (von Erwachsenen gemachte) `kindertümliche` Malerei oder eine symbolträchtige Figuration oder die übliche, leere Dekoration.“
Dass bei allem guten Willen zur kindlichen kulturellen Bildung eine lobenswerte Idee schnell obsolet werden kann, erfuhren die Erzieher und Künstler unmittelbar. Eine allgemeine Sicherheitsüberprüfung der Schule kam alsbald zu dem Schluss, dass die Werke für die Schüler zu gefährlich seien. Obwohl kein Kind durch die Arbeiten je zu Schaden kam, wurde die kinetische Kunst, die doch die Bewegung zu ihrer Entfaltung braucht, stillgelegt und die Kinder vor ihr mit Gittern „geschützt“. Die Kinder konnten nichts mehr „anstoßen“, kein Schwungrad, keine Scheibe.
Noch konsequenter wurde auf das Werk Joseph Beuys verzichtet, der wie die drei ZERO-Künstler beauftragt worden war, ein Werk zu gestalten. Er entschied sich für eine große hölzerne Spielpuppe für den Pausenhof, die jedoch 1963 an den Künstler zurück gegeben wurde. Die verwendeten Hanfseile, welche die Glieder der Puppe verbanden, waren morsch und zu einem vermeintlichen Sicherheitsproblem geworden. Von einer Reparatur wurde abgesehen. In Teilen ging die Figur in den von Beuys 1970 eingerichteten „Block Beuys“ im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt auf.
Heute funktionieren sie wieder
Heute sind die drei ZERO-Werke wieder intakt. Die Farborgel als auch das Schattenspiel wurden dem Sicherheitsgedanken folgend mit gläsernen Barrieren ausgestattet, die eine Nutzung und Erfahrung der Werke durch die Kinder aber ermöglichen. Die kunsthistorische Bedeutung der Arbeiten ist hoch. Zudem stehen sie beispielhaft für die Symbiose von Architektur, Funktion und moderner Kunst.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Ein historisches Foto mit den ZERO-Künstlern und Joseph Beuys 1961 an der Rolandstraße Foto: Stadt Düsseldorf
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