rheinische ART
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rheinische ART 09/2017

Archiv 2017

ART IN MOTION
Rollbilder


In der chinesischen Malerei haben die „Rollbilder“ bekanntlich eine lange Tradition. Eine völlig andere Interpretation erfährt der Begriff aktuell in Spanien. Ein Logistiker nutzt die Seitenflächen seiner Fahrzeuge für Kunst.

 

Suso33 Motiv „Whole Car“. Ausstellung: Strecke Madrid – Toledo (A 42). Foto © Truck Art Project; Fotograf Panci Calvo 2017

 

Die Lkw-Malereien sind so was wie eine mobile Galerie. Nicht der Betrachter sucht das Kunstwerk auf, es kommt per „Kunstlaster“ zu ihm. Oder genauer: es könnte ihm begegnen!

     Initiiert hat diese unkonventionelle Form von Kunstvermittlung der Unternehmer Jaime Colsa (*1972) mit seinem Transportunternehmen Logistics Palibex aus Madrid. Aus seiner Laster-Flottille hat er bislang ein gutes Dutzend der schweren Brummis ausgewählt und sie von ebenso vielen Künstlern „veredeln“ lassen.

 

Mit Pinsel und Paletten: Die Künstlerin Marina Vargas bei der Gestaltung eines Zwölftonners. Ausstellung: Verteilerverkehr Provinz Madrid. Foto © Truck Art Project; Fotograf Panci Calvo 2017

 

Den Kreativen ist, sehr zur eigenen Freude, die Gestaltung selbst überlassen und somit ist die Motivwahl ebenso spannend wie die rollende Kollektion. Ob schlichte schwarz-weiße Skizzen, Fotografien oder collageähnliche Arrangements, farbfrohe gemalte Traumlandschaften, Bildergeschichten oder Comic-Figuren wie aus der Graffitto-Kultur - vertreten sind mehrere Disziplinen. Die kunstvollen Lkw-Planen und Kofferaufbauten sind auf jeden Fall Blickfänge und erreichen damit das, was Colsa, der Kunstfreund und -sammler, eigentlich anstrebt: Aufmerksamkeit.

 

Motiv Javier Calleja. Ausstellung: Strecke Guadalajara – Madrid (Nacional 2- M50). Foto © Truck Art Project; Fotograf Panci Calvo 2017

 

Statt einfacher Markenwerbung für Stammkunden wie unter dem viel strapazierten Slogan „Wir fahren für….“ wird hier die Straßenkunst fantasievoll zum Marketing-Instrument. Die rollenden Bilder werden unter der Bezeichnung Truck Art Project präsentiert und haben bereits für allerhand Beachtung gesorgt.

     Colsa und seine Berater, gestandene Kuratoren der spanischen Kunstszene, haben für das Projekt Vertreter der Urban und Street-Art (mehr) und zeitgenössischen Kunst engagiert. Unter den beteiligten Künstlern befinden sich einige bekannte internationale Namen wie Javier Arce, Remed, Abraham Lacalle, Marina Vargas, Javier Calleja, Daniel Muñoz und Okuda San Miguel.
     Im Grunde genommen richtet sich das Truck-Art-Project an der Philosophie dieser Künstlergruppen aus. Das heißt, Kunst außerhalb der Galerien zu präsentieren und sie vor allem dahin zu bringen, wo Menschen sie ungefiltert und ohne Schwellenangst wahrnehmen können.

 

Motiv Abraham Lacalle. Ausstellung: Verteilerverkehr Provinz Madrid. Foto © Truck Art Project; Fotograf Panci Calvo 2017

 

Allerdings sind die mobilen Kunstwerke nicht zu erwerben, jedenfalls betont dies derzeit noch ihr Eigentümer. Eine Woche, manchmal auch länger, benötigen die engagierten Künstler, um einen 40-Tonnen-Kofferzug mit einer Seitenlänge von rund 13,60 Meter und 2,50 Meter Höhe beidseitig mit Motiven zu gestalten. Es sind also außerordentliche Großformate, ähnlich den Wandmalereien, bei denen die Farben und Folien direkt auf die Lkw und ihre Ladeeinheiten aufgetragen werden. Damit sind Kunstwerk und Wagen untrennbar miteinander verbunden und bilden Unikate der speziellen Art.

 

Motiv Okuda San Miguel, Ausstellung: Strecke Madrid – Toledo (A42) Foto © Truck Art Project; Fotograf Panci Calvo 2017

 

Das Besondere an dieser Form künstlerischer Artikulation: Sie überrascht den Betrachter zufällig und an völlig unerwarteten Orten. Mittelfristiges Ziel des Transporteurs Jaime Colsa, der mit seiner Aktion zu einem „Kunst-Spediteur“ in anderem Sinne geworden ist: Eine Flotte von 100 seiner Lastkraftwagen soll künftig wie reisende Leinwände Kunst auf Straßen, Autobahnen und Parkplätzen zeigen.

     Natürlich nicht stationär als reine Schaustücke, sondern im logistischen Streckennetz des Transporteurs, womit die Fahrroute zum Ausstellungsort wird. So etwa die Schnellstraße Autovía A 42 zwischen Madrid und Toledo. Bemerkenswerter Nebeneffekt für die „Kapitäne der Landstraße“: Sie sollen, so ihr kunstaffiner Chef, auch wissen, was sie optisch hinter sich herziehen und Kunst und Künstler kennen. Neuer Punkt in der Arbeitsplatzbeschreibung der Fahrer: Kunstkenntnisse. Damit bei Nachfrage von Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern auch sachdienliche Auskunft erteilt werden kann. Das ist doch mal ganz was Neues!


Wie Unternehmen Kunst - speziell in der Ausprägung Streetart - für sich nutzen, zeigt ein anderes prominentes Beispiel, der Mailänder Pirelli Konzern (mehr).
cpw

 

www.truck-art-project.com  

 

 

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