Archiv 2020
TOKYO RUMANDO
Unangepasst
Das an Motiven extrem reiche, nervöse und hippe Treiben in der japanischen Hauptstadt ist nicht unbedingt ihr Ding. Die in Tokio lebende Fotografin Tokyo Rumando bevorzugt eher andere Objekte. Darunter sich selbst.
Tokyo Rumando Aus der Serie The Story of S, 2015/2016 Silbergelatine-Abzug, 25 x 33 cm © Tokyo Rumando / courtesy IBASHO |
Die Foto- und Videokünstlerin zählt zu den 20 bekanntesten Lichtbilderinnen in Japan. Arbeiten von ihr sind derzeit im Essener Folkwang Museum in der Schau „The Story of S“ zu sehen.
Tokyo Rumando wurde 1980 in Tokio geboren. Nachdem sie zunächst als Mannequin für Filme und Zeitschriften arbeitete, begann sie erst 2005 mit dem Fotografieren. Als Autodidaktin fotografiert sie hauptsächlich ihre eigenen Aktporträts und die Bildnisse von Rakugo-Künstlern, jenen populären Geschichtenerzählern der japanischen Unterhaltungskunst, die mit den „gefallenen Worten“, also komischen Monologen oder Witzen, arbeiten.
Tokyo Rumando Aus der Serie The Story of S, 2015/2016 Silbergelatine-Abzug, 25 x 33 cm © Tokyo Rumando / courtesy IBASHO |
Sie produzierte einige aufsehenerregende Bildstrecken. Ihre Foto-Serie "Orphee" wurde bereits 2016 in der Gruppenschau "Performing for the Camera" in der Londoner Tate Modern präsentiert. Zu ihren bekannten Solo-Ausstellungen gehört unter anderem „Ich bin nur glücklich, wenn ich nackt bin", womit sie viel Öffentlichkeit erzielte. Für fast noch mehr Furore sorgte ihre Serie „Rest 3000 Stay 5000“ von 2012, in der sie die Welt der Tokioter Liebeshotels erkundete. Allein mit ihrer Kamera in 20 dieser Einrichtungen, fotografierte sie sowohl das Tragische wie Geschmacklose vieler Begegnungen und vermischte Reales mit Fiktivem.
Tokyo Rumando Aus der Serie The Story of S, 2015/2016 Silbergelatine-Abzug, 33 x25 cm © Tokyo Rumando / courtesy IBASHO
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Die Fotografien der Enddreißigerin sind alles andere als Standard, eher unangepasst. Mit ihren Bildern setzt sie sich über die traditionellen Geschlechterrollen hinweg, die die japanische patriarchalische Gesellschaft ihren Frauen auferlegt. Sie spiele mit "dem männlichen Blick", wird ihr oft nachgesagt, und arbeite parallel zu ihren westlichen Vorgängerinnen wie etwa der Fotografin Cindy Sherman (mehr), um ihre eigene Vision von Identität, Sexualität und Intimität zu entwickeln.
Dabei spielen Verschleierung, Verdeckung, Verhüllung und Veränderung, Maskierung und Täuschung eine große Rolle. In dieser Hinsicht sei sie Teil der "Girlie-Fotografen", einem Kunst-Phänomen aus der Mitte der 1990er Jahre, in dem die Fotografie von Frauen entdeckt und zu einem zentralen Medium des Selbstausdrucks und der Identitätsfindung avancierte.
Die Essener Schau „The Story of S“ zeigt die Künstlerin in erstaunlich unterschiedlichen Rollen. Als Akt weiblichen Empowerments agiert sie, wie Folkwang betont, vor und hinter der Kamera in Personalunion als Fotografin, Autorin, Visagistin und Model gleichzeitig.
Und die radikale Bildsprache japanischer Fotografie der 1960/1970er Jahre aufgreifend, entwickle sie „ein lustvoll gegenwärtiges Spiel um Begehren und wechselnde Identitäten.“ In einem Interview erklärte sie: „Sich zu verändern, um sich an andere Menschen und Umstände anzupassen, ist heute ganz normal geworden, und es geht nicht nur um Kleidung und Make-up. Wir setzen immer mehr Masken auf, aber wirkliche Befreiung kommt durch Abstreifen.“ Die Fotografien im Folkwang zeigen die Künstlerin dabei im Moment der Transformation. Es ist die erste institutionelle Einzelausstellung der Künstlerin in Europa.
rART
Die Ausstellung „Tokyo Rumando -The Story of S“ wird im Rahmen der Serie 6 ½ Wochen gezeigt und endet am 22. März 2020
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
Tel. 0201 / 8845 160
Öffnungszeiten
DI, MI, SA, SO 10 - 18 Uhr
DO, FR 10 - 20 Uhr