Faszinierende Geschichten -
fantastische Welten
Üble, grimmige und gruselige Fabelwesen, hybride Monster und andere seltsame Kreaturen, Roboter und Maschinen, monströse mythische Mensch-Tier- Gestalten. All das entsprang dem Hirn eines Mannes namens Timothy („Tim“) Walter Burton, als origineller US-Regisseur mit Kultstatus bekannt. Über den Macher von "Batman" und "Alice im Wunderland" erzählt jetzt eine Ausstellung.
Tim Burton in Brühl. Der US-Regisseur schuf im Film eine Monster-Welt voller bizarrer, seltsamer, komischer, hässlicher und verschrobener Figuren. Foto © Max Ernst Museum Brühl des LVR / Julia Reschucha, LVR-ZM, 2015 |
Der Meister der schrägen Fantasien, des Skurrilen und des pechschwarzen Humors ist im Brühler Max Ernst Museum des LVR zu sehen.
Es ist nicht übertrieben zu sagen, das die ungewöhnliche Schau mit dem Titel „The World of Tim Burton“ eine sensationelle ist. Museumsleiter Achim Sommer rückte auf der Pressekonferenz die Relationen zurecht. Man solle sich vergegenwärtigen, dass die Wanderausstellung, die derzeit im „kleinen Brühl“ Station macht, vorher in New York, Paris, Prag, Tokio und Osaka präsentiert wurde und nach dem Rheinland in São Paulo gezeigt werde. Im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) sahen vor gut fünf Jahren sage und schreibe 810.000 Besucher den spektakulären Aufmarsch von Burtons bizarren Figuren. Es war die drittgrößte Ausstellung in der MoMA-Geschichte.
Blick in die Ausstellung Themenbereich 8 "Figurative Arbeiten: Männer, Frauen oder Geschöpfe?". Burton stelle die physische Realität nicht so dar, wie sie sich uns präsentiere, sondern so, wie man sie durch die Verzerrung der Perspektive und der menschlichen Gestalt subjektiv empfindet, erklärt das Museum. Foto © rART 2015 |
Die Ausstellung komme einer „irrsinnigen Reise in den genialen Kopf des Künstlers“ gleich, so Museumsleiter Sommer. Tim Burton (*1958), der die Schau persönlich in Brühl vorstellte, machte keine großen Worte über die Exposition, die ja eigentlich von ihm nie geplant war, sondern durch das Engagement der Kuratorin Jenny He und der Tim Burton Productions zu dem wurde, was sie heute ist. Burton bekundete lakonisch: „Es ist in einer gewissen Weise erschreckend. Es ist, als würde man seinen Schrank öffnen und die Leute sehen deine dreckige Wäsche.“
DAS BILD WURDE AUS ©GRÜNDEN ENTFERNT.
Tim Burton Blue Girl with Wine, um 1997, Öl auf Leinwand, 71,1 x 55,9 cm, Privatsammlung © 2015 Tim Burton, All Rights Reserved, Max Ernst Museum Brühl 2015
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Tim Burton Ohne Titel [The Melancholy Death of Oyster Boy and Other Stories], um 1982-84, Tusche, Marker und Buntstift auf Papier, 25,4 x 22,9 cm, Privatsammlung © 2015 Tim Burton, All Rights Reserved, Max Ernst Museum Brühl 2015
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Wie auch immer. Eine Ausstellung ist ja nicht unbedingt eine "Zurschaustellung". Denn was sich da im Schrank, diesem Burtonarium aus Humor und Horror, verbarg, sind nicht die populären Filme, sondern Skizzen, Zeichnungen, Gemälde, Fotografien, Filmpuppen, persönliche Dokumente und allerhand mehr aus dem Leben des Multitalents. Von der kleinteiligen Servietten-Kritzelei bis zum Storyboard.
Alles auf jeden Fall geeignet, die kreative Entwicklung und die enorme Vielseitigkeit des Künstlers und Filmemachers zu spiegeln, - und um anschaulich zu vermitteln, wie es von Ideen über nichtfilmische künstlerische Ausdrucksformen bis zu den Dreharbeiten für Burtons Filme kommt. Eine satte Werkschau mit über 500 Exponaten, die mehr oder weniger intime Einblicke in die Vorstellungswelt des Kaliforniers gibt; nichts weniger ist die Exposition in Brühl.
Einmalig Der morbid-fantastische Exzentriker aus der Filmmetropole Hollywood zeigt sich hier nicht nur als erfolgreicher Filmregisseur, sondern eben auch als multimedial veranlagtes Ausnahmetalent: als Fotograf, Illustrator, Schriftsteller und Künstler.
Seltene Zeichnungen aus seiner Zeit beim Trickfilm-Konzern Disney, Auseinandersetzungen mit der Psychologie von Mann, Frau und Geschöpf sowie Serien von Polaroid-Fotografien verdeutlichen darüber hinaus die thematische und mediale Bandbreite von Burtons Schaffen.
Blick in die Ausstellung. Themenbereich 5 „Polaroids“. Zwischen 1992 und 1999 schuf Burton eine Serie überdimensionaler Polaroid-Prints. Sie dienten ihm als „kreatives Ventil“ und zur Erholung vom „Tagesgeschäft“. Foto © rART 2015 |
Burtonesk und surreal Was Burton seit drei Jahrzehnten seinen Fans und einem Millionenpublikum bietet, hat Kultstatus erreicht und ist ein einzigartiger Mix aus Science-Fiction-Welt, Pop Art, Surrealismus, Expressionismus, Groteske und Gothic.
Und die surrealistische Komponente ist es auch, die Tim Burton nach Brühl brachte. Seine Arbeiten knüpfen, so das Max Ernst Museum, an die Techniken der Surrealisten um André Breton an. „Gleichzeitig lassen der einzigartige Einfallsreichtum und der verdrehte Humor in Burtons grellen Gemälden an die gewaltigen Traumlandschaften und skurrilen Fantasiegestalten von Max Ernst denken.“ So gesehen ist die Burton-Präsentation ein einzigartiges und passendes Geschenk an das Brühler Museum, das am 4. September seinen zehnten Geburtstag feiert.
Blick in die Ausstellung. Der Klassiker der Moderne und Surrealismus-Wegbereiter Ernst und der gestaltende Film-Visionär Burton in einem Raum. Vorne: Tim Burton Three Creatures (Creature #1), 2009, Stahl, Leinensack, Epoxid, Polyesterharz, Farbe und Schaumstoff. Dahinter: Max Ernst Blütenblätter und Garten der Nymphe Ancolie (Pétales et jardin de la nymphe Ancolie), 1934, Öl auf Gips, auf 18 Holzplatten übertragen. Leihgabe des Kunsthauses Zürich. Das 22 Quadratmeter große Gemälde fertigte der Künstler für die Tanzbar des Corso-Theaters in Zürich an. Foto © rART 2015 |
Premiere Die enorme Popularität von Burtons Filmen verdeckt ein wenig seine bildkünstlerischen, nichtfilmischen Arbeiten. Dies holt die Ausstellung im Max Ernst Museum in Brühl nach.
Es ist das erste Mal, dass Tim Burtons einzigartige visuelle Ästhetik in Form von Illustrationen, Polaroids, Bildentwürfen oder Puppen in Deutschland gezeigt wird. Die Schau ist nach Motiven und Projekten in verschiedene Themenbereiche gegliedert. Dabei reicht das Spektrum von der Kindheit des Künstlers bis in die Gegenwart. „The World of Tim Burton“ veranschaulicht die künstlerische Praxis Burtons und lässt den Besucher in seine ganz eigene Sicht auf die Welt eintauchen.
Blick in die Ausstellung Themenbereich 11 "Missverstandene Außenseiter". Tim Burton, die Figur Robot Boy, 2009, Mixed Media. Foto © rART 2015
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Tim Burton Green Man, um 1999, Öl und Acryl auf Leinwand, 25,4 x 20,3 cm, Privatsammlung © 2015 Tim Burton, All Rights Reserved, Max Ernst Museum Brühl 2015
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Poesie und Schrecken Im Zentrum der Exposition stehen Burtons Filmcharaktere, „missverstandene Außenseiter“, die das Fundament in mehreren seiner Filme bilden. „Outcasts“ als liebenswerte Monster sind eines der markantesten Themen in der Kunst Burtons, so etwa in Batman (1989), im Puppenfilm Tim Burton´s The Nightmare before Christmas (1993) oder Frankenweenie (2012). Burton schuf hier Figuren, die sich in düsteren Farben und Stimmungen bewegen und die sich häufig lieber von ihren Gefühlen als vom Verstand leiten lassen.
Warum das so passierte? Der Schöpfer der angsteinflößenden Aliens ließ einen erklärenden Blick in seine Seele zu. Er habe sich nie vor Monstern gefürchtet, sagte er: "Ich hatte immer Sympathie für sie“. Und die Rolle des „missverstandenen Außenseiters“ sei ein verbreitetes Kindheitsphänomen. Er habe sich als Kind auch so gefühlt; viele Kinder würden sich so fühlen!
Das erklärt vielleicht, warum der Bube Tim Burton als Zehnjähriger mit gleichaltrigen Kinoenthusiasten seinen ersten Horror- und Science-Fiction-Film im Super-8-Format drehte und später eine regelrechte Albtraumfabrik installierte.
Kurzvita Timothy („Tim“) Walter Burton wurde am 25. August 1958 in Burbank, Kalifornien, geboren. Bereits im Teenageralter entwickelte er eine große Begeisterung für Horror- und Science-Fiction-Filme.
1977 begann Burton am „California Institute of the Arts“ in Valencia, Kalifornien, Trickfilmkunst zu studieren. Im Anschluss daran wurde er bei Disney angestellt und wirkte bei verschiedenen Zeichentrickfilmen mit, bis er 1982 seinen ersten Kurzfilm Vincent produzieren konnte. 1984 verließ er die Disney-Studios und widmete sich seiner Karriere als unabhängiger Filmemacher.
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Tim Burton Saucer and Aliens, um 1972-1974, Öl und Acryl auf Leinwand, 61 x 76,2 cm, Privatsammlung © 2015 Tim Burton, All Rights Reserved, Max Ernst Museum Brühl 2015 |
Der Mann aus Burbank hatte seinen endgültigen Durchbruch als Filmemacher 1988 mit Beetlejuice (so viel wie "Käfersaft"). Die schwarze Komödie mit Hauptdarsteller Michael Keaton wurde mit einem Budget von nur 15 Mio US-Dollar realisiert und brachte Burton den Auftrag zu Dreharbeiten für Badman ein, die ein Jahr später begannen.
In der Folgezeit wurde Burton zu einem der erfolgreichsten Regisseure und Produzenten in Hollywood. Es entstanden Filme wie Edward mit den Scherenhänden (1990), Mars Attacks! (1996), Big Fish (2003), Charlie und die Schokoladenfabrik (2005) oder die Kinderbuchadaption Alice im Wunderland (2010). Letzterer wurde mit dem Oscar in den Kategorien „Bestes Kostüm“ und „Bestes Szenenbild“ ausgezeichnet. In Summe durchweg Filme, die den Betrachter mit faszinierenden Geschichten in die fantastischen Welten an der „Schwelle zwischen Traum und Realität“ entführen. Für sein Lebenswerk erhielt Tim Burton 2007 den Goldenen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig.
► Dass sich Kunsthäuser auch dem Film widmen und in Ausstellungen die Vielseitigkeit von Protagonisten dieses Genres zeigen, ist so selten nicht. So sind im Düsseldorfer Kunstpalast mit "REAL & TRUE 2" noch bis Ende August ausschließlich Foto-Arbeiten des Filmregisseurs Wim Wenders (mehr) zu sehen. Anlässlich des 100. Geburtstages von Orson Welles hatte das Düsseldorfer Filmmuseum mit der Schau "W for Welles" (mehr) dem Multitalent aus Hollywood - Welles war Regisseur, Schauspieler und Autor - Anfang des Jahres eine Retrospektive ausgerichtet. Und auch Stanley Kubrick konnte weit mehr als aufsehenerregende Filme drehen. Mit "Eyes Wide Open" (mehr) breitete das Wiener ´Bank Austria Kunstforum` im Sommer 2014 die so gut wie unbekannte Karriere Kubricks als Fotojournalist aus.
Claus P. Woitschützke
Die Ausstellung „The World of Tim Burton“ ist bis zum 3. Januar 2016 zu sehen.
Max Ernst Museum Brühl des LVR
Comesstraße 42/ Max-Ernst-Allee 1
50321 Brühl
Tel. 02232 / 5793-0
Öffnungszeiten
DI-SO 11-18 Uhr