SURREALISMUS
Eine spektakuläre Schau
In Paris feiert eine revolutionäre Kunstrichtung ihren 100. Geburtstag. Im Centre Pompidou sind die Feierlichkeiten unter dem schlichten Titel Surréalisme besonders grandios und beeindruckend ausgefallen!
Max Ernst L´ange du foyer - Le Triomphe du surréalisme (Der Hausengel - Der Triumph des Surrealismus). 1937, Huile sur toile, 11,5 x 140,8 cm. Foto © Adagp, Paris. Vincent Everarts Photograhie, Bildquelle © Centre Georges Pompidou |
Der Surrealismus und seine Protagonisten sind ein Dauerbrenner. Erst im Januar 2024 endete eine große Surrealismus-Schau im Brühler Max Ernst Museum (mehr). In Belgien denkt man schon das ganze Jahr über an die „hohe Kunst der Wirklichkeitsverschiebung“ und erhebt sie zu einem Art Nationalsport!
Mit Ausstellungen, Veranstaltungen und Events an zahlreichen früheren Schauplätzen, zum Beispiel in Bars und Cafés, wird an die surrealistische Bewegung erinnert. Namentlich natürlich spielen dort die großen belgischen Traumwelt-Künstler René Magritte, Louis Scutenaire oder der Schriftsteller und Fotograf Marcel Mariën die zentralen Rollen.
Giorgio de Chirico Portrait prémonitoire de Guillaume Apollinaire, 1914, Huile et fusain sur toile, 81,5 x 65 cm. Foto © Adagp, Paris. Centre Pompidou, MNAM-CCI, Adam Rzepka/Dist. Grand Palais RMN. Bildquelle © Centre Georges Pompidou 2024
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Aber nirgendwo hat der Hype um die Bilderwelten des Surrealismus die Größe und Gewalt wie im Pariser Centre Pompidou.
Sie ist eine Huldigung an die Vitalität dieser internationalen Bewegung und ihren revolutionären Charakter. Denn es ist klar: Die „Surrealistische Revolution“ war eine der wichtigsten künstlerischen, literarischen und philosophischen Strömungen des 20. Jahrhunderts.
Damit verträgt sie eine opulente wie tiefgehende Schau. Es dürfte sich in Paris um die größte Retrospektive handeln, die bislang aufgelegt wurde. Also alles in allem eine Surrealismus-Show der Superlative.
Leonora Carrington Green Tea, 1942, Huile sur toile, 61 x 76,2 cm, Foto © Adagp, Paris. Digital image, The Museum of Modern Art, New York/Scala. Bildquelle © Centre Georges Pompidou 2024 |
Nicht nur, dass alle ihre berühmten Vertreter mit ihren herausragenden Arbeiten zu sehen sind. Es werden auch Objekte präsentiert, die nur selten das museale Licht erblicken. Sie werden zu einem außergewöhnlichen Labyrinth verdichtet. Bestehend aus Schriften, Gemälden, Skulpturen, Installationen, Fotografien und Filmausschnitten aus den 1920er bis 1960er Jahren.
Dorothea Tanning Birthday, (Selbstportrait), 1942, Huile sur toile, 102,2 x 64,8 cm. Foto © The Estate of Dorothea Tanning/ Adagp, Paris. The Philadelphia Museum of Art, Dist. RMN-Grand Palais. Bildquelle © Centre Georges Pompidou 2024
Dora Maar (Henriette Théodora Markovitch) Sans Titre (Main-Coquillage), 1934, Foto/Fotomontage, Foto © Adagp, Paris. Centre Pompidou, MNAM-CCI/ Jacques Faujour. Dist. RMN-GP; Bildquelle © Centre Georges Pompidou, 2024
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Darunter André Bretons berühmtes Manifest im Original, was durchaus als Sensation angesehen werden kann. Ferner Dorothea Tannings Chimären-Selbstporträt, Dalis Hummertelefon, Joan Mirós Gouache einer von einem Vogel verzauberten Frau oder Fotografien von Paris bei Nacht des Fotografen Gyula Halasz alias „Brassaï“… (mehr). Insgesamt bietet die Ausstellung nahezu 500 Objekte. Surrealismus total!
Beachtenswert ist, dass die Ausstellung keiner chronologischen Abfolge unterliegt. Kurator Didier Ottinger sortierte vielmehr die Kunstwerke unter thematischen Gesichtspunkten.
Daher fokussieren sie sich unter diversen Aspekten wie Traum, Fabelwesen, der Wald oder die Nacht, Kosmos, Eros, Mutter oder Alice im Wunderland.
Wenn es um politischen Surrealismus geht, sind die Werke aus der Zeit des Faschismus unter dem Stichwort „politisches Monster“ aufgeführt.
In dieser Abteilung findet sich auch Max Ernsts furchteinflößendes Fabelwesen aus dem Jahr 1937 (siehe Bild oben), das einen gefräßigen Totalitarismus verkörpert.
Der Blick des Rheinländers war schon damals durchaus geschärft für all das, was der Welt zwei Jahre später drohen sollte. Es ist nicht vermessen, aus diesem Werk des Künstlers Ernst eine Aktualität zur Gegenwart abzuleiten. Krieg im Osten des Kontinents, in der Levante und im Nahen Osten, das Erstarken rechter Kräfte und die Drohungen mit restriktiven Maßnahmen im Welthandel belasten oder erschüttern gar demokratische Gesellschaften in noch nicht überschaubaren Größen.
Das Centre Pompidou feiert also aktuell das 100-Jahre-Jubiläum mit großem Pomp und Bravour und ehrt verdientermaßen die großen Kreativen dieser Richtung, ihren visionären und innovativen Geist. Diese grandiose Surrealismus-Schau ist so gesehen aber auch eine Schau zum Nachdenken. Daher sollte man sie nicht verpassen.
rART/cpw
► Die Pariser Schau gilt als Blockbuster. Die Kuratoren griffen auf die große eigene Sammlung des Centre Pompidou zurück und ergänzten mit privaten Leihgaben. Damit geliengt es ihnen, die Surrealismus-Bewegung bis in die 1970er-Jahre hinein zu dokumentieren und so den aktuellen Forschungsstand zu verdeutlichen.
► Die aktuelle Schau ist vermutlich die letzte für rund fünf Jahre. Denn das Museum soll wegen Sanierungen bis 2030 komplett geschlossen werden. Das stößt auf Widerspruch. Die Zeitung „Le Figaro“ initiierte eine Petition, um einen teilweisen Betrieb des Schauhauses während der Arbeiten zu gewährleisten. Das Centre sei mit seiner renommierten Sammlung ein internationales Symbol und eine lange Schließung beraube Paris einer seiner wichtigsten kulturellen Aushängeschilder, heißt es in Kulturkreisen.
Die Ausstellung Surréalisme (Surrealismus) ist bis zum 13. Januar 2025 zu sehen.
Centre Georges Pompidou
Place George Pompidou
75004 Paris
Öffnungszeiten
Täglich außer Dienstag 11 – 21 Uhr
Metro
Rambuteau / Linie 11
Hôtel de Ville / Linien 1 und 11
Châtelet / Linien 1, 4, 7, 11 und 14
► Weitere Informationen zur Erreichbarkeit hier