Archiv 2014
FRANZ SEDLACEK
Chemiker der Phantasie
Was da auf den Betrachter einwirkt, ist schon unheimlich. Abgründige und surreale Bildwelten sind es, bevölkert von befremdlichen Figuren, skurrilen und fantastischen Mischwesen. Moderne Autos kurven durch altmeisterlich gemalte romantische Phantasie-Landschaften, Bahnwagen stürzen in Schluchten. Hieronymus Bosch, Pieter Bruegel der Ältere und Caspar David Friedrich sind bei Franz Sedlaceks Gemälden irgendwie auch mit dabei.
Es ist ein virtuoser, faszinierender Mix aus niederländischer Renaissance, deutscher Romantik und Neuer Sachlichkeit. „Seine Bilder zwischen Mystery und Fantasy sind sehr einladend für Reisen in andere Welten“ kommentiert Direktor Wolfgang Kos vom Wien Museum die bizarre Kollektion. Sie stammt von dem promovierte Chemiker, Maler und Grafiker Franz Sedlacek (1891–1945). Er zählt zu den wichtigsten österreichischen Malern der Zwischenkriegszeit, und das als Autodidakt und „Freizeitmaler“.
Zwischen Surrealismus und Karikatur Der Mann war ein Meister des Unheimlichen, des Geheimnisvollen, der etwa Licht so zu malen verstand, dass es eine mystische wie bedrohliche Atmosphäre ausströmte, mit Bildoberflächen, die wie poliert und Konturen, die messerscharf wirken. Schon zu Lebzeiten war er damit international erfolgreich. Immerhin war es das US-Magazin Life, dass dem damals 46-Jährigen im April 1937 einen breiten Artikel widmete und seine Kunst in die Nähe des amerikanischen Horror-, Kriminal- und Science-Fiction-Literaten Edgar Allan Poe rückte.
Das Schaffen des gebürtigen Schlesiers wurde aber erst ab den 1980er-Jahren in Kunstkreisen wieder intensiver beachtet. Einen ersten Blick auf Sedlaceks Œuvre zeigte 2012 die Landesgalerie Linz. In adaptierter Form ist diese Schau nun im Wien Museum zu sehen. Das universal ausgerichtete Haus besitzt mit "Der Chemiker" und einer "Winterlandschaft" zwei zentrale Werke des Künstlers.
Tagsüber bürgerlich, in der Freizeit Kunst Franz Sedlacek wurde in Breslau geboren und wuchs in Linz auf, wo er von einem deutschnationalen und antisemitischen Umfeld maßgeblich geprägt wurde. Ab 1911 studierte er in Wien Chemie und gehörte wenig später zu den Mitbegründern der Linzer Künstlergruppe MAERZ. Bis 1920 war Sedlacek, unterbrochen durch seinen Kriegseinsatz, als „freizeitlicher“ Grafiker und humorvoller Karikaturist tätig, danach konzentrierte er sich auf Ölmalerei. In der Manier alter Meister begann er jene traumhaften, von skurrilen Geschöpfen beherrschten grotesken Szenen und Stillleben zu malen oder Versatzstücke aus Technik und modernem Alltag inmitten düster- pathetischer Landschaften zu komponieren, die ihm hohe Reputation verschafften. Auf der Weltausstellung in Barcelona 1929 gab es als Anerkennung eine Goldmedaille für Malerei, ein erster großer internationaler Erfolg für Franz Sedlacek.
Janusköpfigkeit Den Lebensunterhalt konnte er mit der Kunst aber nicht bestreiten. Sein Brotberuf war der eines beamteten Kustos für Chemie am Technischen Museum in Wien, dessen stellvertretender Direktor er 1937 wurde. Einerseits bürgerlicher Existenz, andererseits künstlerische Passion, der er nur nach „Feierabend“ nachgehen konnte – dies ist noch heute eine verblüffende Seite des peniblen Perfektionisten an der Staffelei. Eine weitere war die mehr politische. Denn über seine Kunst hatte Sedlacek dem Life-Magazin gegenüber geäußert, dass er in Farben sage könne, was er über seine Zeitgenossen denkt, ohne im Konzentrationslager zu landen.
Das war 1937 und da gehörte der Wiener bereits mehreren nationalsozialistischen Verbänden an. Spätestens ab 1941 hatte Sedlacek das NSDAP-Parteibuch und war ferner im NS-Dachverband „Reichskammer der bildenden Künste“ registriert. Da erübrigt sich die Frage, warum seine Kunst nicht als „entartet“ verteufelt wurde. Als nationalsozialistischer Parteigänger war es klar, dass er seine Arbeiten auch in diesem Milieu präsentierte. So etwa im März und April 1939 in der Propagandaschau „Berge und Menschen der Ostmark“. Diese NS- Ausstellung im Künstlerhaus Wien stand unter dem „Ehrenschutz“ des Reichsstatthalters Dr. Arthur Seyß-Inquart. Vom selben Jahr an diente Sedlacek als Offizier in der Deutschen Wehrmacht. Im Januar 1945 verlor sich seine Spur an der Ostfront in Polen bei Thorn. Der Chemiker und Schöpfer albtraumhafter Bilder wurde 1965 für Tod erklärt.
K2M
Die Ausstellung „Franz Sedlacek - Chemiker der Phantasie“ wird bis zum 21. April 2014 gezeigt.
Wien Museum Karlsplatz
Karlsplatz 8
1040 Wien
Tel. 0043-1-505 87 47,
Öffnungszeiten
Di - SO & Feiertag 10 bis 18 Uhr