Archiv 2015
STRANGE
Sie ist vorbei, die Ausstellung „Strange Cities – Athens“ des Onassis Kulturzentrum in Athen. Georg Simet, der die Schau in den letzten Tagen ihrer Präsentation (bis 28.06.2015) besuchte, zeigte sich beeindruckt und meinte, dass sie es Wert sei, über sie zu berichten. Der Blick von Außen ist immer vielsagend und die Ausstellungsidee überzeugte uns. Hier also ist sein Bericht:
Athen einmal anders
von Georg Simet
Zehn gemütliche Gehminuten vom Omonia-Platz im Zentrum Athens fand ein sehenswertes Alternativprogramm zur ewig währenden Grexit-oder-nicht-Debatte statt. Zum Mitmachen in der Kunstaktion Strange Cities: Athens wurden nämlich ausschließlich nur Künstler aus der ganzen Welt eingeladen, die noch NIE in Athen waren und, wie die Ausstellung des Onassis Kulturzentrums zeigte, völlig losgelöst von allen wirtschaftspolitischen Bezügen, ihre individuelle Imagination von Athen als Stadt visualisierten.
Zur Vorbereitung erhielten die mehr als 20, vom Kuratorenduo Doppeldecker (Wilhelm Finger und Melita Skamnaki) Auserwählten lediglich eine Inspirationsbox. Diese dreieckige, weiß-grau marmorierte Schachtel enthielt das Gedicht Jasmin von Giorgos Seferis (1900-71), das Lied Eine magische Stadt von Manos Chatzidakis (1925-94), gesungen von Elsa Margariti, Instrumentals und Geräuschsequenzen von Plätzen und Straßen, das Buch Quer durch Athen (mit U- und S-Bahn) von Petros Makaris und ein Rezept für die Zubereitung von Gefüllten Paprika.
Anhand dieser Vorlage und auf diese mal stärker, mal schwächer reflektierend, entstand ein Kaleidoskop von extrem differenten, sehr artifiziellen Stadtkörpern und -landschaften.
Die von den Künstlern zum Teil akustisch untermalten Strange Cities zeigten sich erstaunlich menschenleer. Häufig dominierten Symmetriekomplexe, meist vertikal geordnet und ge- oder verschachtelt. Nur rechteckige Formen – wie in den Bauten aus Meterstabfragmenten von Ryan Russo (*1978) –, oder rechteckige Formen in Kombination mit gleichschenklig-dreieckigen – wie in Mythos, Metapher und Vorstellung von Tom Radclyffe (*1989) – , dominierten die strikt "more geometrico" durchkomponierten Architekturen.
Runde, geschwungene Linienführungen zeigten sich selten und wenn ja, visualisierten sie doch ein eher chaotisch-dynamisches Strukturgefüge und kamen vor allem in Collagen zum Einsatz, zum Beispiel in den Unterwasserwelten von Seb Jarnot (*1970).
Zu Lieblingsfarben mutierten einerseits das Grau des Alltags, das Grau der Kulissen, des vermeintlich ausgeblendeten Lebens, das sich vor und in ihnen abspielt, und andererseits das damit kontrastierende Blau der Weite und Unergründlichkeit.
Personen hingegen, sei es als Einzelwesen, Individuen oder Gruppenensembles, waren kaum zu sehen. Rückten sie aber ins Bild, waren sie entweder symbolisch überformt – wie in Akropolis jetzt als klassische Schönheit, aber mit blutig geschlagener Nase und ramponiertem Kinn von Craig Redman (*1978) und Karl Maier (*1978) - oder zu Marionetten reduziert wie im Ölgemälde Kathedrale von Adam Dix (*1967), auf dem sie Bänder halten, die aus der Himmelskuppel, aus dem Nichts fallen.
Kafkaesk In Athenisches Triptychon setzten Jarmila Mitriková (*1986) und David Demjanovic (*1985) Herrscher Poseidon einen käferartigen Schädel auf. In Mythos der Zikade von Emma Löfström (*1981) übernehmen die Insekten gar die Herrschaft, wenn der Lebenstanz des Menschen ausgeträumt ist.
Realität und Fiktion Auch das Ausstellungsareal war mit in die Ausstellungskomposition einbezogen worden. Ort der Ausstellung war nicht der moderne, beeindruckende Bau des Onassis-Kulturzentrums (südlich der Akropolis), sondern der Sitz der Onassis-Stiftung (nördlich der Akropolis) in einem ehemaligen Schulgebäude. Dieses liegt in einem Viertel, das so gar nicht mehr griechisch anmutet. Hauptsprache in den umliegenden Geschäften ist Arabisch. Gesprochenes und vor allem geschriebenes Griechisch hat Seltenheitswert. So wirkt das Umfeld bereits "strange", befremdlich.
Präsentiert wurden die Arbeiten in den ehemaligen Klassenräumen der dritten Etage. Wie in eine Art Rundgang waren die einzelnen Stationen abgehbar. Die Fenster, sofern nicht verhangen, gaben den Blick in die Peripherie frei und inkorporierten das Gezeigte und Gehörte der Ausstellung hinein in die Stadtrealität. Fiktion und Realität begegneten einander. Wie in Jasmin, der Arbeit von Angela Moore (*1970), kroch das Leben in die abgedunkelte Welt des Menschen hinein - und zugleich wiurde im Blick darauf der Sprung (Heidegger) über das Sichtfeld hinaus mit gesetzt und eröffnet.
Onassis Cultural Centre
107-109 Syngrou Avenue
117 45 Athens
Ticket information:
tel.: 210 900 5 800
MO - SO 9 – 21 Uhr
► Sämtliche Foto-Stills sind dem die Ausstellung begleitendem Video entnommen. Copyright für alle Stills liegt beim Onassis Kulturzentrum in Athen. Zum Video geht es ► hier
Teilnehmende Künstler Strange Cities - Athens
Eva Roovers, Photographer (The Netherlands)
Adam Dix, Painter (UK)
Alexander Egger, Graphic Artist (Germany)
Amy Friend, Photographer (Canada)
Ekta / Daniel Götesson, Artist (Sweden)
Jesse Treece, Collage Artist (USA)
Kako, Illustration Artist (Brazil)
Michael Mann, Photographer (Germany)
Peter Judson, Illustration Artist (UK)
Thomas Robson, Graphic Artist (UK)
John Diebel, Collage Artist (USA)
Jarmila Mitríková & David Demjanovic, Fine Artists (Czech Republic)
Emma Löfström, Artist (Sweden)
Kit Miles, Print / Textile Artist (UK)
Angela Moore, Photographer (UK)
Seb Jarnot, Graphic & Illustration Artist (France)
Tom Radclyffe, Illustration & Graphic Artist (UK)
Craig Redman & Karl Maier, Graphic Artists (UK / USA)
Fernanda Rappa, Photographer & Installation Artist (Brazil)
Joris Vandecatseye, Photographer (Belgium)
Ryan Russo, Sculptor (USA)
Amana (Kazuhiro Hashimoto), Digital Artist Collective (Japan)
Eva Stenram, Photographer (Sweden)