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rheinische ART 03/2023

Archiv 2023

GESCHICHTE
Demokraten am Dom


Gab es in Köln einmal eine Revolution? Einen Aufstand zwischen Alaaf und Kölsch Kaviar? In der Tat: der Revolutionsfunke aus Paris 1848 sprang in Köln als erster preußischen Stadt über.

 

Spottblatt 1848 – Alaaf Cöln!, Lithografie, 1848/49 Bildquelle KSM Kölnisches Stadtmuseum © Rheinisches Bildarchiv

 

Zwar sahen manche Publizisten in den wilden Märztagen von 1848 in Köln eher ein „Revolutiönchen“ statt eine formidable Revolution. Doch hier gingen am 3. März die ersten Demonstranten auf die Straßen, rund 5000 Menschen sollen es auf dem Rathausplatz gewesen sein.

 

Wilhelm Kleinenbroich Marianne mit schwarz-rotgoldener Fahne vor dem Bayenturm, 1848. Bildquelle KSM © Rheinisches Bildarchiv

 

Das gesellschaftlich entwickelte Rheinland hatte in der Sache engagierte und prägende Wortführer wie Camphausen, Raveaux, Gottschalk, Blum und Marx – die von Köln aus als demokratische und sozialistische Vorkämpfer agierten.

     Der Armeearzt Andreas Gottschalk galt als einer der charismatischsten und erfolgreichsten Arbeiterführer bei der Märzrevolution. Er war ferner an der Gründung der „Rheinischen Zeitung" beteiligt, die seit 1841 als Stimme der rheinischen liberalen Opposition in Köln erschien und ab Oktober 1842 vom Chefredakteur Karl Marx geleitet wurde.

 

Zu den wichtigsten Gruppierungen während der Unruhen zählte die „Demokratische Gesellschaft“. Die symbolträchtige Farbe der Fahne der im April 1848 gegründeten Organisation: Rot!

     Das Kölner Stadtmuseum erinnert mit der Ausstellung „1848 Revolution in Köln!“ an diese denkwürdige Zeit. Sie zeigt die bewegenden Ereignisse in Köln vor 175 Jahren, von den ersten Protesten im Frühjahr bis zur Niederschlagung des Aufstandes im Herbst. Viele Beteiligten wurden später verurteilt oder ins Exil gedrängt. Ihr Vermächtnis aber blieb und fand nach 1945 Eingang in das Grundgesetz der jungen Bundesrepublik.

     Im März 1848 kamen die ersten revolutionären Impulse aus Paris und es wehten überall schwarz-rot-goldene Fahnen: auf dem Turm des Doms und auf der legendären Barrikade, die am 25. September 1848 den Eingang zum Alter Markt abriegelte, ohne Verteidiger blieb und wieder abgeräumt wurde – geradezu ein Sinnbild der „Kölner Revolution“, wie es in der Ausstellung heißt.

 

Rote Fahne der Demokratischen Gesellschaft, Köln, April 1848, Bildquelle © HM 1888/23B. Foto rba_KSM 1888_23_B

 

Doch Schwarz-Rot-Gold bekam Konkurrenz. „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“ verkündete der erste Satz des kommunistischen Manifestes von Karl Marx und Friedrich Engels, die in Köln aktiv waren.

     Die Farbe dieses Ungeistes war Rot und wurde in Paris schon seit 1834 bei Aufmärschen verwendet. Es war die rote Fahne der Arbeiterbewegung. Unter ihr erfolgte der blutige aber vergebliche Juniaufstand der Pariser Arbeiter 1848, der in Köln aufmerksam verfolgt wurde.

     In Deutschland tauchten die roten Fahnen im selben Jahr auf – und zwar tatsächlich in Köln. Hier führte man seit April ein rotes Panier – jedenfalls eines, das gegenüber dem dominierenden Rot nur über kleine Anteile von Schwarz (Aufschriften) und Gold (Bordüre und Stickereien) verfügt, wie in der Schau betont wird.

      In das blutrote Tuch stickten die Frauen der Revolutionäre – diese Arbeitsteilung war ganz wie in gutbürgerlichen Kreisen – die Parole der Französischen Revolution: „Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit“ und „Gestiftet am 25. April 1848“.

 

Kölner Barrikade ohne Verteidiger am 25.9.1848, Presse-Illustration nach der Zeichnung von Georg Osterwald Bildquelle KSM © Rheinisches Bildarchiv

 


Letzte Ausgabe der seit Juni 1848 in Köln von Karl Marx herausgegebenen Neuen Rheinischen Zeitung, 19. Mai 1849. Bildquelle KSM © Rheinisches Bildarchiv

 

Um es vorwegzunehmen: die Kölner Revolution hatte keinen Erfolg und der Impuls aus Frankreich verpuffte. Dabei war doch alles möglich gewesen. Das Bürgertum, nicht nur im Rheinland, sondern insbesondere im Südwesten, in Baden, Württemberg und auch in Hessen, war euphorisch, wollte mehr Freiheit, weniger fürstliche Willkür.

     In der Domstadt hielt die bürgerlich oppositionelle „Demokratische Gesellschaft“ in der Schildergasse im Stollwerk´schen Saal ihre Versammlungen ab. Ihre Forderung war klar: mehr Volkssouveränität, Demokratie und eine Republik auf parlamentarischer Grundlage. Obwohl sich die Gesellschaft als antikommunistisch verstand, hatten radikale Linke Einfluss: vor allem der Mitbegründer Karl Marx, der Kölner Kommunist Heinrich Bürgers, Mitglied im Kölner Arbeiterverein, sowie der Publizist Wilhelm Wolff, enger Vertrauter von Marx und Engels.

 

Die roten Fahnen flatterten eine ganze Weile in der Stadt und es gab publikumsmächtige Versammlungen wie im September 1848 in der Worringer Heide, wo Friedrich Engels eine klassenkämpferische Rede hielt und 10 000 Anhänger begeistert Applaus spendeten.

     Trotz aller aufrüttelnden Rhetorik unter roten Fahnen blieb Engels‘ Kölner Mitstreiter Karl Marx ein kühler Kopf. Er war Realist genug, um zu erkennen, dass Provokationen angesichts des preußischen Militärs eine gefährliche Sache waren. Er behielt recht. Die Fürsten stellten ein Heer von über 30 000 Mann zusammen und marschierten in Baden ein. Ihnen standen erbärmlich bewaffnete Revolutionäre gegenüber, mit Sensen in der Hand. Am Ende siegte die Obrigkeit, und das Kriegsrecht wurde verhängt.

 

Aus der deutschen Revolution wurde also nichts. Heute sind einige Historiker der Meinung, dass die Demokraten von 1848 sich einwickeln und den Schneid hatten abkaufen lassen. Der Volksaufstand hätte nur mit äußerster Entschlossenheit zum Ziel geführt, nicht mit der Halbherzigkeit einer gespaltenen Gesellschaft.

     Politikern wie Friedrich Daniel Bassermann, der wie Ludolf Kamphausen in Köln, August von der Heydt in Elberfeld und David Hansemann in Aachen, zu den liberalen Köpfen zählte, grauste es vor revolutionärem Durcheinander.

     Dem Verleger und gebürtigen Badenser, der für manches Bonmot gut war, wird der Satz nachgesagt: „Lieber keine Freiheit als keine Ordnung.“ Für ihn, wie das gut situierte Bürgertum, war klar, dass man ohne Freiheit ganz ordentliche Geschäfte machen konnte, nicht jedoch ohne Ordnung.
rART/cpw

 

Die Sonderausstellung 1848 Revolution in Köln ist bis zum 29. April 2023 zu sehen und bietet ein Begleitprogramm: POP-UP-BAR/RIKADE Pop-up-Bar mit Konzerten, DJs, Open Stage… und der Bar-Ausstellung 1848 REVOLUTION IN KÖLN

Kölnisches Stadtmuseum
Minoritenstraße 11
50667 Köln
Tel. 0221 / 221-22398
Öffnungszeiten der Sonderausstellung
DO – SA 17 – 22 Uhr

 

 

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