Archiv 2010: aus: "Kunst erleben"
Spiel mit der Unmöglichkeit - Joachim Elzmann
„Schattenbaum“
Flaches Land. Zum Greifen nah die Baustelle des Braunkohlekraftwerks BOA. Die vier riesigen Kühltürme entlassen ihren weißen Dampf noch nicht. An der Straße: Ein alter Vierkanter. Ein Bauernhof, wie er früher einmal war. Und ein eigentlich kleines Schild mit dem Hinweis, dass hier das Kulturzentrum Sinsteden ist. Und das Joachim Elzmann hier zurzeit ausstellt, muss man wissen.
In die Ausstellungsräume des alten fränkischen Hofes, wie er typisch für die Region ist, hat Joachim Elzmann seinen „Schattenbaum“ gepflanzt. Genauer, in eine acht Meter hohe ehemalige Scheune. Elzmann faszinieren Bäume. Oft sind sie in seinen Werken, ob Skulptur, Aquarell oder Zeichnung, präsent. Der Schattenbaum ist denn auch, was nur konsequent ist, aus Holz. Hunderte zwei Meter lange Latten, weiße und schwarze, die sich im Aufbau abwechseln und durch die Konstruktion Zwischenräume bilden, sind einem Gerüst ähnlich, das sich langsam in die Höhe schraubt. Die Latten sind der Baum, sie halten sich selbst und stützen sich gegenseitig. Kein Nagel, keine Klammer, kein Klebstoff helfen, den Stand zu wahren. Die Form des Baumes wird bestimmt durch den quadratischen Grundriss und die Länge der Latten. Nach oben wird die Skulptur breiter, weitet sich aus und einer Baumkrone gleich funktionieren die Latten wie die Äste eines Baumes. Sie streben nach außen, weg vom Stamm, werden ausladender und scheinen eine Krone zu bilden.
Die Installation „Schattenbaum“ wirkt spielerisch und leicht
Fotos oben: Der "Schattenbaum" |
Elzmann ließ sich beim künstlerischen Schaffen nicht von festen Vorgaben eines Bauplans eingrenzen. Die Regeln standen mit dem gewählten Material wie der Absicht fest, die Möglichkeiten entstanden in der Situation und die ästhetische Entscheidung traf der Künstler. In der Mitte der Installation leuchtet eine, intensives Licht verströmende, Lampe. Ist schon der weiße und schwarze Farbauftrag der Latten abstrahierend, so wird das Material durch die erzeugten Lichtreflexe weiter von seinem Ursprung entfernt. Die Schatten der Installation zeigen sich an den Wänden des Ausstellungsraums, die die Installation durch ihre Massivität begrenzen und sie zugleich reflektieren. Der allgegenwärtige Schatten und sein Ursprung sind eine Einheit und der Besucher, wenn er diesen Bereich betritt, befindet sich gleichzeitig innerhalb der Skulptur und bewegt sich durch Licht wie Schatten hindurch.
"Gitterhund" 2002, Metall und Keramik Glasstamm 2002, Glas Ohne Titel 2002, Holz und Sackleinen |
Auch die anderen ausgestellten Arbeiten des Künstlers machen neugierig. Nicht allein, dass der Baum als Sujet immer wieder auftaucht. Vielmehr wird eine weitere Besonderheit des künstlerischen Verständnisses von Elzmann deutlich. Es ist die Verwendung alltäglicher Gegenständen, die allein oder im Zusammenspiel neue Formen ergeben. Objekte verlieren ihre ursprüngliche Sinnhaftigkeit durch Zweckentfremdung, um Teil eines neuen Ganzen zu sein.
Joachim Elzmann lebt und arbeitet in Berlin. Vor dem „Schattenbaum“ realisierte er bereits schon einmal eine Installation von beeindruckender Machart und Größe in den Räumen der Düsseldorfer Galerie Beck & Eggeling. Diese bestand aus tausenden der filigranen Mikado-Spielstäben und war mit „Mikado“ treffend nach ihrem Material benannt. Dem Schicksal dieser Installation wird auch der „Schattenbaum“ folgen. Am Ende der Ausstellung wird er abgebaut und nicht mehr existieren. An ihn werden dann nur noch Fotos erinnern. Die Ausstellung wurde von Katrin Wappenschmidt als Leiterin des Kulturzentrums gemeinsam mit dem Künstler kuratiert. Der aufwändige Katalog zur Ausstellung wird der Installation mit Blick auf ihre Vergänglichkeit mehr als gerecht.
Im Kulturzentrum Sinsteden des Rhein-Kreises Neuss finden, abseits der Metropolen, in größeren Zeitabständen aber regelmäßig, Ausstellungen zeitgenössischer Künstler statt. Das einzigartige Ambiente inspiriert die Kunstschaffenden. So befinden sich an diesem Ort ebenfalls die beiden Ausstellungshallen des international bedeutenden Bildhauers Ulrich Rückriem.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Die Ausstellung Joachim Elzmann ist bis zum 25. April 2010 zu sehen.
Kulturzentrum Sinsteden
Rhein-Kreis Neuss
Grevenbroicher Straße 29
41569 Rommerskirchen/Sinsteden
Tel. 02183 / 7045
Öffnungszeiten
DI – SO von 11 bis 17 Uhr
Zeitgleich zur Präsentation in Sinsteden findet in den Galerieräumen von Beck & Eggeling in Düsseldorf bis zum 24. April 2010 eine Parallelausstellung von Joachim Elzmann mit dem Titel „Oval und Glasbäume“ statt.
Fotos: ruwoi
©rheinische-art.de