rheinische ART
Start | | Über uns | Anzeigen | Impressum | Kontakt | Datenschutz

rheinische ART 05/2016

Archiv 2016

SHAKESPEARE GOES VARIETÉ

Singende Säge

 

Übervater der geistreichen Poesie, Meister der Tragödie und Herrscher über Dramen. Bei so viel Non-Plus-Ultra kann es nur einen geben: William Shakespeare. Feierte man 2014 – natürlich weltweit – noch seinen 450. Geburtstag, so steht 2016 die Erinnerung seines 400. Todestages an. Tot? Ach was, Shakespeare ist so aktuell wie nie zuvor.

 

Das Globe-Theater an der Rennbahn ist die Heimat des Shakespeare-Festivals Foto©StadtNeuss

 

Nicht allein die Angelsachsen feiern. Wenn es um den großen englischen Dichter geht, muss immer global gedacht werden. In der Welt von Shakespeare findet sich die ganze Welt wieder, und das geschieht auch im Rheinland. Gerade im Globe-Theater der Stadt Neuss, einem Nachbau des hölzernen „Wooden-O“, der legendären Spielstätte des Dichters in London, sind sie von Jahr zu Jahr zu Gast, die Shakespearianer.

     Ensembles aus Frankreich, der Schweiz, England, Japan, Brasilien und anderer Länder mehr standen in den 25 Jahren seit Bestehen des Festivals auf den Neusser Brettern und gaben ihre kulturellen Interpretationen der nun 400 Jahre alten Shakespearschen Stücke zum Besten.

 

Übrigens: Auch der „Spiegel“ ließ es sich nicht nehmen und widmete dem Poeten Titel und Story. „Shakespeare wusste alles über die Macht und wie sie die Menschen verwandelt, auch über die Machtlosigkeit ... Seine Texte scheinen auf magische Weise überzeitlich und global“, schrieb der Autor Volker Weidermann und nannte ihn „Weltphantom“.

     Doch in diesem Jahr wird in Neuss eine neue Seite des facettenreichen Œuvres aufgeschlagen. Nicht internationale Ensembles mit den Stücken sondern die künstlerische Szene um das „Weltphantom“ herum steht im Mittelpunkt. Shakespeare jung, frisch und frei interpretiert. Den Auftakt macht ein ganz besonderes Genre, das nicht Drama, nicht Tragödie ist: das Varieté:

 

Man darf gespannt sein: Shakespeare goes Varieté. Im Bild der "Magier" Sascha Simon Foto©Philip Müller

 

Mit dem Musikkabarettisten Karl-Heinz Helmschrot, der Schauspielerin Corinna Kirchhoff und dem Illusionisten Sascha Simon hat Daniel Finkernagel, Moderator und Regisseur, ein magisches, geistreiches Varieté-Programm mit zwei (!) Quartetten zusammengestellt. Shakespeare also einmal mit Humor, Magie, Poesie und Musik.

 

Daniel Finkernagel im Gespräch mit Angela van den Hoogen:

 

Wie kamen Sie auf die Idee eines Shakespeare-Varietés?

Seit vielen Jahren moderiere ich Konzerte der Deutschen Kammerakademie Neuss, und beim geselligen Zusammensein nach den Konzerten lernte ich die Neusser Kulturdezernentin Christiane Zangs kennen. Es entwickelte sich ein inspirierender und lockerer Austausch über alle erdenklichen Themen: Kulturpolitik, bildende Kunst, Musik- und Kunstvermittlung, Architektur und so weiter. Irgendwann tauchte die Frage auf, ob ich eine Idee hätte, was man im Globe Theater neben dem Shakespeare-Festival veranstalten könnte. Als großer Fan sowohl der Location als auch des einzigartigen Festivals kam ich relativ prompt auf die Idee, dort ein Varieté ins Leben zu rufen. Eine Riesenchance und natürlich Herausforderung ist es, gerade zum 400.Todestag des Meisters das Shakespeare-Festival mit einem Varieté-Programm zu eröffnen. Rainer Wiertz, der Festival-Intendant, war offen, dieses neue Format auf die Beine zu stellen. Es ist für alle neu, etwas Vergleichbares gab es meines Wissens noch nicht, jedenfalls nicht in Nordrhein-Westfalen. Es ist für Veranstalter, Publikum, Künstler und Produzenten Neuland.

 

Warum ausgerechnet das Genre „Varieté“?
Nach meinen Studienjahren in Paris kam ich 1991 nach Berlin. Es war damals eine aufregende Zeit in der Hauptstadt, in der über allem ein „anything goes“ schwebte, vor allem in der Off-Szene. Überall entstand in einem Wahnsinnstempo Neues. In den Hacke´schen Höfen in Berlin-Mitte, damals wirklich noch von Hinterhof-Atmosphäre par excellence geprägt, heute hochpolierte Touristen-Meile, gab es in einem herrlich heruntergekommenen Ballsaal im fünften Stock das Varieté „Chamäleon“. Das gibt`s immer noch, ist aber längst zu einem geölten Mainstream-Kommerz-Tempel mutiert.
     Die Anarchie und das kreative Chaos der frühen 90er ist längst flöten gegangen. Damals gab`s im „Chamäleon“ die „Mitternachts-Show“. Jeden Samstag stand man da vor Mitternacht an und konnte für ein Appel und ein Ei - ich glaube, 10 DM - junges, wildes und unkonventionelles Varieté erleben. Beim Nachdenken über mögliche Formate für das Neusser Globe kam mir ziemlich schnell diese „Mitternachts-Show“ wieder in den Sinn.
     Das Varieté erscheint mir als idealer Ort, um auf kleinstem Raum Elemente aus dem extrem vielfältigen Theater-Kosmos Shakespeare aufleben zu lassen: Poesie, Musik, Witz, Humor, Magie, Sprache, Tanz. Besonders gereizt hat mich dabei die Freiheit, die das Varieté beflügelt. Die Freiheit, unterschiedliche Kunstformen zusammenzubringen und nebeneinanderzustellen. Und das Globe Theater in Neuss ist architektonisch und atmosphärisch wie gemacht fürs Varieté.

 

Das ist nicht Ihr erstes Varieté, das Sie auf die Beine stellen.
Als ich 1996 als frisch gebackener Absolvent des Studienganges „Kulturmanagement“ an der Berliner Hanns Eisler Schule eine große Varieté Show im „Tränenpalast“ als künstlerischer Leiter zu verantworten hatte, habe ich Karl-Heinz Helmschrot als Conferencier, Regisseur, Akrobat und Comedian engagiert. Das war damals ein Riesenerfolg. Mit Sascha Simon, dem Magier, habe ich gerade zusammen das Programm „Mozart&Magie“ für den WDR entwickelt.

 

Lieben Sie Shakespeare?
Ich liebe vor allem meine Frau und meine Kinder, aber Shakespeares Kunst bewundere ich und empfinde sie als eine Quelle nicht enden wollender Inspiration. Ich bin weder Literatur- noch Theaterexperte, sondern komme aus der Musik und Rhetorik. Auch hier kann man von Shakespeare alles lernen: Timing, Musikalität der Sprache, Sinn für den Rhythmus, Phrasierung, Dynamik. Nicht nur die großen existenziellen Themen wie Liebe, Verrat, Betrug, Eifersucht, Tod ecetera bringt er mit einer Wucht, die uns nach 400 Jahren immer noch mitreißt. Man kann von ihm auch sämtliche Spielarten und Anwendungsmöglichkeiten von Humor, Witz und Komik lernen.
     Oder die hohe Kunst der Beleidigungen und der sprachgewaltigen Verwünschungen, der virtuosen Beschimpfungen. Shakespeare ähnelt in gewisser Weise Mozart: beide kann man ohne Vorwissen auch als Laie und Nicht-Experte genießen und sich von der unerhörten Magie der Kunst überrumpeln lassen. Und wenn man als Kenner und Experte in die Welt eines Shakespeares oder eines Mozarts einsteigt und analysiert, wie die beiden ihre Werke komponiert haben, dann kann man da schon mal ein Leben lang drüber nachdenken und findet sich in einem extrem komplexen Universum wieder.


Was erwartet die Zuschauer?
Varieté, wenn es gut gemacht ist, besteht aus einzelnen Nummern, die immer neue Reize und Überrumpelungsmaschinerien auf der Bühne entfalten und trotzdem einen Bogen von Anfang bis Ende entwickeln. Das streben wir an und spannen diesen Bogen natürlich mit Shakespeareschen Leitmotiven.
Wir haben einen grandiosen poetischen Magier, Sascha Simon, der es beispielsweise im Globe schneien lassen wird. Karl-Heinz Helmschrot gibt den Conferencier, er traktiert Kontrabass und singende Säge, er jongliert mit Wörtern und Gegenständen. Dazu spielen zwei Musik-Formationen von Weltrang, das Asasello Streichquartett und das Signum Saxophone Quartett. Als Theater-Schauspielerin ist Corinna Kirchhoff mit dabei. Sie ist seit langem auf den großen Theaterbühnen wie dem Burgtheater Wien zu Hause und kehrt jetzt in ihre alte Heimatstadt zurück. Nun, nicht ganz, sie ist Düsseldorferin, aber Neuss ist ja direkte Nachbarschaft.
     Und Peter Wesenauer aus Österreich ist der musikalische Leiter, ein ausgewiesener Theater-Allrounder. Er hat alles arrangiert und komponiert. Kurzum: ein All Star – Team, in dem alle Lust haben auf das Abenteuer, im Shakespeare-Varieté Neuland zu betreten. Sich einzulassen auf eine Mischung aus Schauspiel, Magie, Comedy, Performance, Kabarett. Wir freuen uns, im Shakespeare-Jahr zum ersten mal den Schlussmonolog der Katharina aus „Der Widerspenstigen Zähmung“ in der vom Meister ursprünglich konzipierten Fassung zu zeigen. Das Publikum wird so zum ersten mal Shakespeare als Hardcore-Feministen kennen lernen.

 

Shakespeare als Feminist? Shakespeare kann wirklich alles sein.
Dass Shakespeare auch ein Großmeister des Schimpfens, Fluchens und Beleidigens war, wird unser Ensemble ebenfalls vorführen. Wir wollen dem Publikum in 90 Minuten poetische, komische, traurige, absurde, ernste und unterhaltende Shakespeare-Momente präsentieren. Schnell getaktet, abwechslungsreich, ein Genuss für Shakespeare-Anfänger genauso wie für Shakespeare-Aficionados. Musikalisch gibt’s ausschließlich Shakespeare inspirierte Musiken: von Purcell über Bach, Mendelssohn bis hin zu Cole Porter und natürlich Peter Wesenauer, der bereits einige Schauspielmusiken zu Shakespeare-Dramen komponiert hat und exklusiv für Neuss und Corinna Kirchhoff eine Begleitung der Sonette geschrieben hat. Sie sehen, wir sind bestens vorbereitet.

 

Shakespeare Festival 
Im Globe Neuss

An der Rennbahn
Dauer: 27. Mai bis 25. Juni 2016
Info und Kartentelefon: 02131 / 52699999

 

 „Shakespeare goes Varieté“ wird am 27., 28. und 29. Mai 2016 aufgeführt.
Das vollständige Programm finden Sie unter www.shakespeare-festival.de

 

 

 

 

 

 

Die 
rheinische ART.
empfiehlt:

Mit GOOGLE ins Museum.


Das Google Arts & Culture Projekt zeigt Meisterwerke aus den Museen und Sammlungen dieser Welt.

► 
mehr

Und geht der Frage nach: Was ist Contemporary Art?

mehr