ARCHIV 2010
Schockierend und gefährlich!?
Der Fotograf Robert Mapplethorpe
Eine Auswahl Fotografien von Robert Mapplethorpe sind derzeit im NRW-Forum Düsseldorf zu besichtigen, darunter einige der „schockierendsten – und gefährlichsten – Bilder der modernen Fotografie“, wie der Philosoph Arthur C. Danto über Mapplethorpes Werk urteilte. Dieses reißerische Zitat schmückt denn auch eine Wand mit Erläuterungen, die der Besucher beim Eintritt passiert und hängt wie ein Omen über der Ausstellung ebenso wie der dezente Hinweis, dass der Besuch Kinder und Jugendliche in ihrem Empfinden verstören könne und die Besichtigung Minderjährigen ohne erwachsene Begleitperson nicht gestattet ist.
DER SO sensibilisierte Besucher begegnet nun den allseits bekannten Motiven der Kunst Mapplethorpes: Aktfotografien, Selbstportraits und Stilleben, großzügig gerahmt und immer in schwarz-weiß. Einige der ausgestellten Bilder sind längst im kollektiven Gedächtnis der Kulturwelt angelangt und omnipräsent auf Postern und Buchumschlägen: So schmückt etwa der DTV die Umschläge einer Shakespareausgabe mit Bildern Mapplethorpes. In der Ausstellung im NRW-Forum sind alle Themengebiete seines künstlerischen Schaffens abgedeckt, einen Großteil nimmt jedoch die Aktfotografie ein.
Parrot Tulips, 1988 ©Robert Mapplethorpe Foundation. Used by permission
Thomas, 1987 ©Robert Mapplethorpe Foundation. Used by permission
Self Portrait, 1988 ©Robert Mapplethorpe Foundation. Used by permission |
Highlights stechen in den weißgetünchten Ausstellungshallen schon von weitem heraus, wie etwa das zynische letzte Selbstportrait von 1988, das den Fotografen mit Gehstock samt Totenkopfverzierung zeigt. Hierbei handelt es sich ohne Frage um Meisterwerke der Fotografie, die durch ihre zwingende Einfachheit eine überwältigende Wirkung auf den Betrachter ausüben. Mapplethorpe definierte sein künstlerisches Ziel folgendermaßen: „I look for the perfection of form.“ Dieses formale Bestreben wird in der Ausstellung durchgehend deutlich, denn Mapplethrope versteht es meisterhaft, seine Sujets durch präzises Arrangement und die gekonnte Wahl der Perspektive auf eine meist simple Grundform zurückzuführen. Die Form selbst ist alles, was zählt, und so macht es im Grunde keinen Unterschied, ob der Künstler nun Blumen oder Menschen aufnimmt, denn die Herangehensweise bleibt immer gleich. Das Ergebnis ist stets erhaben, distanziert und zeitlos. Mapplethorpes beste Fotografien vermitteln den Eindruck einer völligen Selbstverständlichkeit, die keine Änderung zulässt.
Neben ihrer ästhetischen Kraft besitzen Mapplethorpes Bilder eine weitere Dimension, die nicht zu unterschätzen ist. Die nackte Wahrheit provoziert. Ihre Wirkung auf die Betrachter der 70er und 80er Jahre ist heute nur noch schwer nachzuvollziehen. Mapplethorpe war ein Skandalkünstler, wie er im Buche steht: Ein Rohling, der sich in einem seiner Selbstportraits als Dandy stilisiert, der mit seinen an die Grenzen der Pornografie stoßenden Inszenierungen männlicher Körper Amerikas Öffentlichkeit und Kunstkritiker entsetzte.
Sein eigenes Leben war nicht weniger turbulent als die Reaktion auf seine Kunst: Er kam aus einfachsten Verhältnissen, schlug sich mit seiner Freundin, der Rockmusikerin Patti Smith, zunächst mehr recht als schlecht durch, hatte zahllose Verhältnisse mit Frauen als auch mit Männern und starb 1989 an Aids. Zum Ende seines Lebens wuchs sein Ruhm auch in bürgerlichen Kreisen und unter Intellektuellen wurde es geradezu Mode, sich von Mapplethorpe fotografieren zu lassen. Dies täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass seine Kunst in der Öffentlichkeit mit Misstrauen beäugt wurde. In Japan ist erst kürzlich ein bislang zensiertes Konvolut von Fotografien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Inmitten dieser Turbulenzen scheinen seine meist ruhigen Bilder die einzige Konstante und die Ausstellung im NRW-Forum gibt hiervon einen guten Eindruck.
Mancher wird jedoch eine Reihe von Bildern wie die farbigen Blumenstilleben vermissen, die zu Mapplethorpes berühmtesten Arbeiten zählen und von denen nicht eins in der Ausstellung zu sehen ist. Das Fehlen solch erstklassiger Werke ist schade und bewirkt eine Lücke, die nicht mit weniger bekannten Motiven zu füllen ist.
Der Originalität des Fotografen wird die Auswahl nicht immer gerecht. Das selbsterklärte Ziel der Ausstellung, eine minimalistische Betrachtungsweise auf Mapplethorpes Werk zu eröffnen, ist jedoch durchaus gelungen.
Robert Woitschützke
Die Ausstellung ist bis zum 15. August 2010 geöffnet und entstand in Zusammenarbeit mit der Robert Mapplethorpe Foundation, New York.
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