Archiv 2023
SAMMLUNG PHILARA
Die Anti-Normisten
Sie hat einst in Düsseldorf gelebt, hier gearbeitet und mit ihrer Kunst gegen Geschlechter- und Rollenklischees angemalt. Selten ist Dorothy Iannone im Rheinland ausgestellt worden. Nun endlich wieder einmal!
Blick in die Eingangshalle. Am Kopfende Outrageous Black and White (Unverschämtes Schwarz und Weiß), 1995, von William N. Copley. Die Szenografie des Schachbrettmusters ist wiederkehrendes Motive bei Copley und verweist auf spielerisch überspitzte stereotypische Geschlechterrollen. Foto: rheinische ART.2023 |
Die amerikanische Künstlerin Dorothy Iannone verstarb im letzten Jahr in ihrer Wahlheimat Berlin. Das Düsseldorfer Privathaus Sammlung Philara zeigt sie gemeinsam mit dem Seelenverwandten, Maler und Kunstsammler William N. Copley (1919–1996) derzeit in einer kleinen erlesenen Schau mit demTitel „See yourself as lovers see you“.
Dorothy Iannone Love is Forever Isn´t (The Eternal Calendar), Detail 1980, © The Estate of Dorothy Iannone, Courtesy of Sammlung Philara, Düsseldorf. Foto: Auktionshaus am Grunewald. Bildquelle Sammlung Philara
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Es ist schon eine Rarität, dass diese beiden Kreativen aus der Fluxus-Epoche und den „Swinging Sixties“ vereint in einer Schau zu sehen sind.
Erstmals wurden ihre Werke gemeinsam 1993 in Berlin im Haus am Lützowplatz gezeigt. Diese Gegenüberstellung ist also schon 30 Jahre her. Sie hieß damals „Berliner Amerikaner“ und wurde mit Werken des Fluxus- und Performence-Künstlers Emmett Williams ergänzt.
Was die Nonkonformisten Iannone und Copley verband, stellte Kuratorin Julika Bosch bei der Präsentation heraus. Beide waren US-Amerikaner, beide waren Autodidakten und beider Karrieren starteten in Europa. Dennoch: Zu Lebzeiten hatten sie, wie es heißt, wenig Berührungspunkte. Jeder entwickelte eine eigene konsequente Bildsprache, die zwar Parallelen, aber auch deutliche Unterschiede aufweist.
Die Erotik-Avantgardistin Dorothy Iannone hatte sich offenbar auf der Insel Island in den Schweizer Objekt- und Aktionskünstler Dieter Roth verguckt. Sie folgte dem Professor, der an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrte, 1968 an seinen Dienstort. Sieben Jahre lang war Roth Iannones "männliche Muse". Mit ihm lebte die wilde Dorothy am Rhein ihre eigenen Vorstellungen von Sinnesfreuden aus (mehr).
Blick in die Ausstellung mit den großformatig aufgebrachten Wandmalereien My Liberties (Red & Blue) im Stil von Dorothy Iannone. Foto: rheinische ART. 2023 |
Ihre freizügigen, farbenfrohen, entwaffnend erotischen und manchmal Comic-ähnliche Gemälde, ausgeschmückt mit floraler Ornamentik an schönen und formenreichen Frauenkörpern, waren eine Revolution. Und nichts für prüde Museen und verbrämt dreinschauende Zeitgenossen. Liebe, Leidenschaft und Sex waren die Kernthemen der unkonventionellen Pionierin.
Ihre erste Ausstellung in Düsseldorf, 1970 in der Kunsthalle, blieb zwar offiziell unzensiert. Aber ein Teil von Iannones Gemäldemixtur aus Pop-Art und Kamasutra lagen am Tag nach der Vernissage am Boden. Das war noch harmlos im Gegensatz zu einer Ausstellung zwei Jahr zuvor in Stuttgart, wo alles wegen Verdachts auf Pornografie beschlagnahmt worden war. In der Schweizer Hauptstadt Bern wurde zwar ein Jahr später nichts beschlagnahmt, aber alles Intime mit Klebeband verdeckt. Das ist in Düsseldorf nicht zu erwarten!
William N. Copley Ship of Fools, 1989. Courtesy of Sammlung Philara, Düsseldorf. © VG Bild-Kunst, Bonn. Foto Eric Tschernow Berlin. Bildquelle Sammlung Philara |
Der vielseitige William N. Copley, in Personalunion Journalist, Verleger, Galeriebesitzer und Kunstsammler, begann nach dem Zweiten Weltkrieg seine Karriere als Künstler. Schon 1951 hatte er eine erste Präsentation in Los Angeles. Der zu dem Zeitpunkt Mittdreißiger war eng vernetzt mit Marcel Duchamp, Max Ernst, René Magritte, Man Ray, Jean Tinguely und Andy Warhol. Mit diesen Protagonisten hatte auch Copley das Revolutionäre und Neue auf seiner Agenda stehen.
Die engen Freundschaften rückten ihn stilistisch in den europäischen Surrealismus sowie in die amerikanische Pop Art, als einer deren Vorreiter er oft gesehen wird. Auch bei ihm sind die Hauptthemen sexuelles Begehren und das Verhältnis von Sexualität zwischen Mann und Frau, konzentrieren sich seine Werke auf die moralschwere Nachkriegsgesellschaft seiner Heimat.
Und so bietet die Ausstellung in Düsseldorf mehr als nur einen Blick auf die Künstlerin Dorothy Iannone. Sie ist ebenfalls ein schöner Anlass, sich einmal mit der „Technik der Unzucht“ (Technique of fornication) zu befassen. So hieß vor 30 Jahren eine Publikation anlässlich der Exposition „Berliner Amerikaner“ von Coplay, Iannone und Williams.
Die Broschüre im Schuber ist nur noch im Antiquariat zu haben. Da ist es einfacher, sich einmal den Gegenstand dieses Titels in der Sammlung Philara anzuschauen.
rART/cpw
Die Ausstellung „See yourself as lovers see you” wird bis zum 14. Januar 2024 gezeigt.
Sammlung Philara
Birkenstraße 47a
40233 Düsseldorf
Tel 0170 7635785
Öffnungszeiten
FR 16 – 20 Uhr
SA, SO 14 – 18 Uhr
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