Archiv 2019
TEHERAN ART CENTER
Rheinisches im Morgenland
Kulturelles Engagement endet nicht an Grenzen. Wenn – wie derzeit zu beobachten ist – Handelsembargos und Lieferstopps greifen, kann Kunst ein Kommunikationskanal bleiben. Aktuell zeigt ein rheinisches Künstler-Duo in der iranischen Hauptstadt Teheran Glas-Objekte und Werke in Stalagmit-Technik.
K. & I. Reinhardt light torso, 2018, 30 x 30 x 40 cm, 9 perforated glass panes, integrated LED lamps, Foto © robART 2019 |
Schon Goethe bemerkte vor 200 Jahren in der Gedichtsammlung „West-Östlicher-Divan“, inspiriert übrigens durch die Werke des persischen Dichters und Mystikers Hafis: „Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ (mehr)
K. & I. Reinhardt Semiramis, 2015, 50 x 50 cm, acryl on canvas, paper, Foto © robART 2019 |
Diese Textpassage aus dem längst zum UNESCO-Weltdokumentenerbe erhobenen Gedichtband hat nicht im Geringsten an Bedeutung eingebüßt. Ganz im Gegenteil. Es sind nicht selten Kunstausstellungen, Ausleihzusagen und Kulturaustausche, die in politisch aufgeladenen Zeiten auf allen Seiten für Verständnis, Anerkennung und Inspiration sorgen.
Die jetzt im Teheraner Art Center zu sehende 15 Exponate umfassende Kunstschau „robART“ gehört zu jenen kleinen aber bemerkenswerten Bausteinen, die zum Erhalt von Kultur-Brücken beitragen.
Knut und Ingrid Reinhardt, Künstlerehepaar aus Swisttal-Essig bei Bonn, zeigen dort ihre per Computer und Roboter generierten ungewöhnlichen Arbeiten, die unter kunsttechnischen Aspekten teilweise dem Drop-Painting und Drop-Dipping zugeordnet werden können. (Siehe Tehran Times mehr.)
K. & I. Reinhardt Flügel, 2017, acryl on canvas, 55 x 65 x 7 cm, Foto © robART 2019 |
Es ist eine technikaffine Form der Kunst, die im weiteren Sinne Naturwissenschaft und Kreativität verbindet. Die Realisierung der Objekte basiert stets auf Computerprogrammen und dem elektronisch gesteuerten Zusammenwirken mit Roboter-Mechanik.
Jede Arbeit umfasst somit die technischen Teilbereiche Informatik, Elektrotechnik und Maschinenbau in unterschiedlicher Dichte – und verknüpft sie mit kreativen Prozessen.
Die so geschaffenen Kunstwerke bestehen aus zig Tausenden von Farbtropfen, aufgeschichtet zu stalagmitenhaften Tropfensäulen oder acryl-betropften Glasscheiben – teilweise mit integriertem LED-Licht versehen –, die in ihren Kompositionen dreidimensionale Bilder erzeugen. Die Glas-Objekte, die in Teheran ausgestellt werden, darunter ein dreidimensionales Portrait von Beethoven ("Die Neunte"), sind künstlerische Eigenentwicklungen von Knut und Ingrid Reinhardt.
K. & I. Reinhardt Die Neunte, 2017, 42 x 38 x 150 cm, drippied glass panes, integrated LED lamps, Foto © robART 2019 |
Ihre Inspirationen schöpfen die rheinischen Künstler nach eigenen Aussagen aus vielen Aufenthalten in Asien und Australien. Einflüsse der Aborigines, der chinesischen Kalligraphie oder auch des Orients, so etwa des iranischen Bildhauers Parviz Tanavoli (*1937), der als Pionier der zeitgenössischen Bildhauerei in Iran und als Kenner der nationalen Teppichkunst gilt, lassen sich in einigen der Werke lesen.
Auslöser der Schau an dem bemerkenswerten Ausstellungsort waren Reisen der Künstler in das von US-amerikanischen Boykottmaßnahmen schwer betroffene Land und ein Zusammentreffen mit iranischen Kunstvertretern.
Der Zugang zum kulturellen Leben und zur künstlerischen Öffentlichkeit in Iran, der bis 1935 noch Persien hieß, war nicht immer leicht und drei Jahrzehnte fast gänzlich unmöglich. Seit Jahren sind Kulturaustausche meist Privatinitiativen und seltener staatlich geförderte Engagements, wie etwa 2017 die große archäologische Iran-Exposition in der Bonner Bundeskunsthalle (mehr), die über 400 Exponate aus dem Iranischen Nationalmuseum zeigen konnte.
Es sei daran erinnert, dass der Düsseldorfer Maler und Objektkünstler Günther Uecker im Jahr 2012 zu den ersten westlichen Kreativen gehörte, die in Iran Ausstellungen bespielen konnten. Dafür wurde er viel bewundert und gelobt. Denn das hatte es in größerem und namhafterem Umfang seit 1979, dem Jahr der Iranischen Revolution unter Ajatollah Chomeini, nicht mehr gegeben. Seither hat sich einiges geändert und deutsche Kultur, ob traditionelle oder zeitgenössische Bildende Kunst, Musik oder Theater, haben sich erfolgreich in Teheran, Isfahan und anderen Kulturhochburgen präsentieren können.
cpw
► Der Iran gilt seit jeher als Hochkulturraum. Aktuell pflegen die Iraner eine als stark und sehr kreativ bewertete Kulturszene. Von ihr heißt es, sie schaue nach vorne und zu anderen Kulturen, ohne jedoch ihre eigenen Wurzeln zu vergessen.
► Das 2008 gegründete Teheraner Art Center ist sowohl Standort kommerzieller Galerien als auch Kunstzentrum. Es versteht sich nicht nur als eine Plattform für Kunstausstellungen und -austausche, sondern auch als Forschungs-, Förderungs- und Bildungszentrum.
Die Ausstellung „robART“ wird bis zum 4. März 2019 gezeigt.
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Kulturzentrum in Teheran
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