rheinische ART
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rheinische ART 02/2025

STILLLEBEN
Hollands Kunstwunder

 

So wurde sie vor 320 Jahre in kunstaffinen Kreisen und an königlichen Höfen genannt und gefeiert. Rachel Ruysch war auch Hofmalerin in Düsseldorf bei Kurfürst Johann Wilhelm!

 

Rachel Ruysch Stillleben mit Rosenzweig, Käfer und Biene, 1741. Öl auf Leinwand, 20 x 24,5 cm © Kunstmuseum Basel. Foto Martin P. Bühler. Bildquelle © Alte Pinakothek München

 

Wer war die Frau aus Amsterdam, die so virtuos mit täuschend echt wirkenden Blumenstillleben – raffiniert wie auch untypisch angereichert mit Schmetterlingen, Käfern und Insekten – ihre Zeitgenossen zu faszinierten wußte?

 

Godfried Schalcken Porträt der Rachel Ruysch, vor 1706, Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei

 

Johann Wilhelm II., Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg - liebevoll „Jan Wellem" genannt. Mit ihm begann Düsseldorf, sich als Residenzstadt und prächtiges kulturelles Zentrum zu entwickeln. Bildquelle © Stadt Düsseldorf

 

Man könnte sie als eine Blumenkönigin sehen, deren Bouquets-Bilder enorm hohe Preise erzielten. Schon damals galt sie als Naturtalent und wurde zur Kunstheldin stilisiert. Ihre kleinformatigen Werke waren begehrte und teure Sammlerstücke, um die sich höfische wie bürgerliche Interessenten in ganz Europa rissen.

     Zweimal war sie zwischen 1707 und 1716 als Hofmalerin bei ihrem Mäzen Kurfürst Wilhelm („Jan Wellem“) in der Stadt am Rhein. Zu dessen Leistungen zählte bekanntlich vor allem die Förderung von Kunst und Kultur in der Residenzstadt und die Gründung der Düsseldorfer Gemäldegalerie, das erste Kunstmuseum nördlich der Alpen.


Rachel Ruysch fand das Leben am Niederrhein vermutlich nicht sehr berauschend. Sie bevorzugte ihre Heimatstadt Amsterdam als Arbeitsplatz und fertigte dort selten mehr als ein Werk pro Jahr. Aber immerhin: Regent Jan Wellem und Gattin Anna Maria de´ Medici reisten zu einer Kindtaufe höchstpersönlich zu den Ruyschs nach Amsterdam.

     Die Malerin, ein künstlerisches Schwergewicht in Sachen Stillleben, war – erstaunlich genug – bislang nie in einer großen Retrospektive zu bewundern. Selbst nicht einmal in ihrer Wirkungsstätte am Rhein. Auch wurde ihr Leben und ihr Werk bis heute kunsthistorisch nur unzureichend erforscht, wie es heißt.


Den ersten weltweit großen Rückblick auf diese niederländische Barock-Malerin bietet aktuell die Alte Pinakothek in München.

     Die Retrospektive Rachel Ruysch - Nature into Art würdigt das Leben der kreativen Ausnahmepersönlichkeit, ihr langjähriges und produktives Schaffen und ihren anhaltenden Ruhm mit einer Auswahl von über 50 Werken aus allen Schaffensphasen.

     Es ist ein famoser Überblick über die rund siebzigjährige Karriere von Rachel Ruysch (1664–1750). Sie zeigt die Vielfalt ihrer Bildthemen, führt getrennte Gemäldepaare wieder zusammen und verdeutlicht die herausragende Qualität der Künstlerin im Kontext ihrer Zeitgenossen und der eher wenigen Zeitgenossinnen.

     Es war, soviel ist heute bekannt, ihr Elternhaus, das die Entwicklungsimpulse lieferte. Als Tochter von Frederik Ruysch, ein renommierter Professor für Anatomie und Botanik, und Maria Post, die aus einer Maler- und Architektenfamilie stammte, wuchs Rachel in einem künstlerisch-intellektuellen wie wohlhabenden Milieu auf.

 

      

Links: Rachel Ruysch Blumenstück,1715, Inventarnr. 878, Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Alte Pinakothek München © Bayerische Staatsgemäldesammlungen - Alte Pinakothek München, Foto: Nicole Wilhelms.

Rechts: Rachel Ruysch Früchtestück,1710, Privatbesitz © Johnny Van Haeften Ltd., London / Bridgeman Images. Bildquelle © Alte Pinakothek München

 

Die vielseitige Tätigkeit ihres Vaters und dessen berühmte Sammlung naturwissenschaftlicher Präparate dürften, wie es die Kuratoren erklären, die wesentlichen Inspirationen für ihre Arbeit gewesen sein. Durch das genaue Studium von Gemälden anderer Maler, die intensive Beobachtung der Natur selbst und dank ihres Talents führte Rachel Ruysch die Gattung des Blumenstilllebens zu neuer Blüte.

 

Blick in die Ausstellung. Photo: Haydar Koyupinar Bayerische Staatsgemälde-sammlungen, München. Bildquelle © Alte Pinakothek München

 

Im Jahr 1707 wurde sie erstes weibliches Mitglied der angesehenen Haager Künstlervereinigung Pictura und Hofmalerin des Wittelsbacher Kurfürsten Johann Wilhelm II. in Düsseldorf.

     Dass sie später mittels eines Lottogewinns aller Geldsorgen enthoben wurde, ferner zehnfache Mutter war und in ihrem Atelier einzigartige Gemälde schuf, für die selbst der Zarenhof in Petersburg in die Schatulle griff, unterstreicht ihren Charakter als selbstbewusste Frau und durchaus gewiefte Geschäftsperson.

     Offenbar hatte sie die Trends ihrer Zeit erkannt. Denn mit Beginn des 17. Jahrhunderts erfuhren Stillleben, also jene „natura morta“-Kunstform, die Gegenstände wie Blumen, Früchte, jedoch nicht Menschen oder Landschaften zeigte, eine Würdigung als eigenständige Gattung mit hoher Wertschätzung und Verbreitung.

     Der Boom erfasste insbesondere die Kunstregionen Holland, Flandern, Lombardei und Deutschland. Und gerade in den reformierten Niederlanden gelangten wegen des Verbotes religiöser Darstellungen die Stillleben-Künstler zu besonderer Meisterschaft, da diese spezielle Form der profanen Malerei eine ihrer wenigen Ausdrucksmöglichkeiten darstellte. 

 

 

Postkartenmotive. Links „Naturtalent“, rechts „Kunstheldin“. Bildquelle © Alte Pinakothek München

  
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren zu Rachels Zeiten hingegen eher schwierig. Nach Jahren eines rasanten Aufschwungs, dem „Goldenen Zeitalter“ der Niederlande, sowie der künstlerischen Entfaltung von Malern wie Rembrandt (mehr), Vermeer und Frans Hals (mehr) folgte für die nördlichen Niederlande im späten 17. Jahrhundert eine Periode ökonomischer Stagnation, kriegerischer Konflikte und sinkender Nachfrage auf dem Kunstmarkt.

     In jenen Jahrzehnten, so heißt es in München, gelang es der in Den Haag geborenen Rachel Ruysch, sich gegen ihre vor allem männlichen Kollegen zu behaupten und als eine der erfolgreichsten niederländischen Künstlerinnen in die Geschichte einzugehen. Ihre Werke zeichnen sich durch eine ausgeklügelte Komposition, die naturalistische und fast fotorealistische Wiedergabe unterschiedlichster Stofflichkeiten, harmonische Farbgebung sowie qualitätsvolle feinmalerische Technik aus. Es sind nach wie vor regelrechte Augenschmeichler.
rART/K2M

 
Das Düsseldorfer Stadtmuseum zeigte am 20. Oktober 2019 in einer kleinen Schau einige Stillleben von Rachel Ruysch. Der Titel: Auf den Spuren einer großen Künstlerin.


  Die Ausstellung in München wurde organisiert von der Alten Pinakothek, München, dem Toledo Museum of Art, Ohio, und dem Museum of Fine Arts, Boston. Sie wird jeweils dort auch gezeigt. Toledo 13. April 2025 – 27. Juli 2025. Boston 23. August 2025 – 07. Dezember 2025.

 

Die Sonderausstellung Rachel Ruysch – Nature into Art wird bis zum 16. März 2025 präsentiert.
Alte Pinakothek München
Barer Str. 27,
80333 München
Öffnungszeiten:
täglich außer Montag von 10 – 18 Uhr