Archiv 2015
DÜSSELDORFER MALERSCHULE UND PREUSSEN
Dichtung und Wirklichkeit
„Die Rheinprovinz ist die schönste und gesegnetste von allen Provinzen des preußischen Staates“, hieß es 1865 in einem katholischen Lehrbuch. Trotz des berühmten rheinischen Frohsinns sahen das nicht alle so. Der Rheinromantiker Wolfgang Müller von Königswinter etwa dichtete: „Tiefernst und stumm und kalt ist hier die Welt.“
Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863) Eifellandschaft bei Gerolstein, 1844, aquarellierte Bleistiftzeichnung auf Velin-Papier, 35,9 x 65,2 cm, Museum Zitadelle Jülich, Inv.-Nr. 2002-0234, Foto © Museum Zitadelle Jülich 2015. Das Aquarell zeigt die im 19. Jahrhundert fast völlig entwaldete Eifel und die Decke Ley, ein kleiner Dolomitgipfel bei Gerolstein, der heute ein Naturdenkmal ist. Exponat in Jülich. |
Ödnis und unfruchtbare Weiten – ja, die gab es in dramatischem Maße. Allerdings waren damit nicht die Rheingestade der neu-preußischen Provinz zwischen Kleve und Bingen gemeint, sondern vielmehr die Gebirgslandschaft der Eifel.
Nicht wenige Schüler der Düsseldorfer Malerschule mag es gefröstelt und geschaudert haben, wenn sie zwecks Naturstudien dieses abgeholzte, verkarstete und trostlose Heidehochland durchwanderten und skizzierten. Sie dokumentierten damit eindringlich aber unbewusst, was auch den preußischen Agrarwissenschaftler und Regierungsrat Johann Nepomuk Hubert von Schwerz (1759-1844) um 1816 entsetzte: „Man sollte sehen und weinen! Ein Land wie die Eifel, … wo der Boden zum Theil keinen Werth für die übrige Kultur hat,… da heben die Berge von allen Seiten ihre nackten Schädel…“
Die rechts- und linksrheinischen Höhenregionen in Preußens neuen Territorien - vor allem die Eifel, dieses „preußisch Sibirien", und das Bergische Land - waren vielfach Armenhäuser, kahl und karg. Erst Jahrzehnte später wurden sie vor allem mit dem „Preußenbaum“, der schnell wachsenden Fichte, konsequent aufgeforstet und in Wert gesetzt.
Leonhard Rausch (1813–1895) Blick von einer Anhöhe auf eine Stadt (Kalksteinbruch bei Erkrath), nach 1850, Öl auf Leinwand, Museum Zitadelle Jülich, Inv.-NR. 2014-0201 (restauriert) Foto © Museum Zitadelle Jülich, Börries Brakebusch 2015 |
200 Jahre ist es her, dass die Rheinlande preußisch wurden. Im Rahmen der Jubiläumsaktivitäten „Danke Berlin - 200 Jahre Preußen am Rhein“ (mehr) hat der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz in Kooperation mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) eine interessante Doppelausstellung eröffnet.
Unter dem Dichtervers „Tiefernst und stumm ist hier die Welt… Die preußische Rheinprovinz im Blick der Düsseldorfer Malerschule" zeigen Schauen in Jülich und im Leverkusener Stadtteil Opladen, wie die bildenden Künstler der berühmten Akademie ab 1819 das Rheinland und auch die öden Weiten der Mittelgebirge beiderseits des Stroms sahen. Die Präsentation im Pulvermagazin des Museum Zitadelle Jülich legt den Schwerpunkt auf die Eifel und den Mittelrhein, während in der Villa Römer - Haus der Stadtgeschichte Leverkusen - Arbeiten mit Motiven aus dem Bergischen Land und vom Niederrhein ausgestellt werden.
Carl Ludwig Fahrbach (1835-1902) Blick auf den Altenberger Dom, 1894, Öl auf Leinwand, 46,5 x 65,5 cm, Museum Zitadelle Jülich Inv.-Nr. 2012-0156 Foto © Museum Zitadelle Jülich 2015. Das Exponat ist in Opladen ausgestellt |
Die zahlreichen Künstler der Düsseldorfer Malerschule wußten beeindruckend zu illustrieren. Nämlich in einer idealisierten Form, die nicht der Wirklichkeit entsprach. Allen voran die „künstlerischen“ Entdecker der Eifelmotive, der aus Jülich stammende Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863) und der Breslauer Romantikmaler Carl Friedrich Lessing (1808-1880). Sie schufen weniger bildnerische Gesamtdarstellungen, vielmehr focussierten sie sich auf Flussufer, Felsenszenen oder Heideflächen für ihre romantisch idealisierten Landschaftsbilder. Denn für diese Malerpioniere stand das Poetische im Vordergrund.
Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863) Burg Are bei Altenahr, 1831/1833, Öl auf Leinwand, 21 x 30 cm, Museum Zitadelle Jülich Inv.-Nr. 2007-0016 Foto © Museum Zitadelle Jülich, Börries Brakebusch 2015. Exponat in Jülich.
Caspar Johann Nepomuk Scheuren (1820–1887) Weite Winterlandschaft mit einer Burganlage, 1840er Jahre, Öl auf Holz, ca. 22,5 × 28 cm, Museum Zitadelle Jülich Inv.-Nr. 2014-0164 (restauriert) Foto © Museum Zitadelle Jülich vor Restaurierung, 2015. Exponat in Jülich.
Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863), Jagdschloss mit Jägerstaffage, 1830, Öl auf Leinwand, 90 × 105,5 cm, Museum Zitadelle Jülich Inv.-Nr. 2011-0039 Foto © Museum Zitadelle Jülich, Börries Brakebusch 2015. Exponat in Opladen.
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„Landschaft sollte Dichtung sein und sich über die Wirklichkeit erheben“, wie es die Kuratorin der Ausstellung über die Düsseldorfer Malerschule im Museum Kunstpalast 2011 (mehr), Bettina Baumgärtel, im seinerzeitigen Katalog formulierte. „Die Detailgenauigkeit, der vielschichtige Aufbau von Vorder-, Mittel- und Hintergründen, der fein abgewogene Kolorismus und die modellierenden Lichter…“ waren markantes Zeichen der Düsseldorfer Malerschule.
Viele Künstler aus der Residenzstadt am Rhein, darunter Andreas Achenbach, Carl Ludwig Fahrbach, Johann Adolf Lasinsky, Leonhard Rausch, Caspar Johann Nepomuk Scheuren oder August von Wille, entdeckten die heimische Landschaft der Preußischen Rheinprovinz als Quelle für ihre Kompositionen. Und es war auch ein Geschäft. Denn das Rheinland zwischen Köln und Bingen wurde im 19. Jahrhundert das Ziel eines regelrechten Massentourismus. Die Künstler der Düsseldorfer Malerschule deckten die Nachfrage nach Landschaftsbildern der Rheinregion ab. Druckgrafiken etwa von Caspar J.N. Scheuren waren für Touristen mit "kleinem Geldbeutel", großformatige Ölbilder für wohlhabende Reisende.
Johann Wilhelm Schirmer (mehr) übernahm 1831 zunächst als Hilfslehrer die neu gegründete Klasse für Landschaftsmalerei an der Düsseldorfer Akademie. Ein Jahr später wurde er fest angestellt und 1839 zum Professor ernannt. Schirmer legte mit seiner Lehrmethode, den Blick seiner Schüler in Freilichtstudien zu schulen, das Fundament für die aufblühende Landschaftsmalerei innerhalb der Kunstakademie.
Als nach Napoleons Niederlage bei Waterloo das bis dahin teilweise unter französischer Herrschaft stehende Rheinland im Zuge des Wiener Kongresses Preußen zugeschlagen wurde, war dies nicht nur ein politisch-geographisches Ereignis. Vielmehr begann recht bald eine geistig-künstlerische Veränderung, die ganz ungeahnte Folgen zeitigen sollte.
Auf Erlass des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. von 1819 wurde die Düsseldorfer „königliche Kunstakademie" neu gegründet. Schnell etablierte sich damit in Düsseldorf eine prosperierende Kunstausbildungsstätte, die nicht nur ein wichtiger Bestandteil der preußischen Kulturpolitik am Rhein darstellte. Sie hatte auch enorme internationale Ausstrahlung.
Rund 4.000 Künstler aus aller Welt besuchten zwischen 1819 und 1918 die Düsseldorfer Kunstakademie. Durch das Wirken von Lessing und Schirmer wurde gerade die Landschaftsmalerei ein besonderes Charakteristikum der Akademie. Von dieser Malerei gingen wichtige Impulse für die Entwicklung nicht allein der deutschen, sondern der europäischen und der Malerei in Übersee aus, namentlich der Vereinigten Staaten. Mehrere Künstlergenerationen entdeckten die Eifel, den Niederrhein, das Bergische Land und den Mittelrhein als neue Ideengeber für ihre Landschaftsdarstellungen.
Blick in die Ausstellung im Pulvermagazin der Jülicher Zitadelle. Foto © rART 2015 |
Die Doppelausstellung in Jülich und Leverkusen-Opladen eröffnet einen aktuellen Blick auf die Blütezeit dieser Gattung der gegenständlichen Malerei. Sie fiel in eine Zeit großer politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche, in denen die Künstler die bereits von den Schatten der Industrialisierung bedrohte Natur überhöht und idealisiert darstellten.
Jede der sehr anschaulichen und gut präsentierten Ausstellungen ist mit über 80 Exponaten von bekannten Landschaftsmalern und -komponisten bestückt. Gezeigt werden größtenteils Aquarelle, Zeichnungen, Drucke und Gemälde, die seit dem 19. Jahrhundert kaum mehr öffentlich zu sehen waren. Ein Teil der Werke wurde in den vergangenen Jahren im Rahmen des Restaurierungsprogramms Bildende Kunst des Landes Nordrhein-Westfalen restauriert.
CPW
► Die Ausstellungen sind gleichzeitig mit einem gemeinsamen Forschungsprojekt des Jülicher Geschichtsvereins 1923 e.V. und des Opladener Geschichtsvereins von 1979 e.V. verknüpft. Ziel ist es, das „preußische Jahrhundert“ zwischen 1815 und 1914 genauer unter die Lupe nehmen. Im Vordergrund stehen beispielhaft Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Entwicklung der Orte Jülich und Opladen, die eine jahrhundertelange Geschichte innerhalb des Territoriums Jülich-Berg verbindet.
► Der Chronist der Düsseldorfer Malerschule, Autor von Volksliedern, Rheinsagen und patriotischen Gedichten, Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873): „… Starr und burggekrönt / Schaun hohe Felsen rings, nackt, einsam, düster; / Statt durch den Wald, der frisch den Blick versöhnt, / Zieht durch das Haidekraut des Wind’s Geflüster. Tiefernst und stumm und kalt ist hier die Welt / In diesen öden unfruchtbaren Weiten, / Leblos liegt selbst das blaue Himmelszelt, / Du glaubest über Trümmer rings zu schreiten.“ Gedicht aus dem Jahre 1862, das teils auf der Farblithografie "Eifel" von Johann Baptist Sonderland von 1865 vermerkt ist (Exponat in Jülich).
Die Ausstellung im Museum Zitadelle Jülich ist bis zum 30. Oktober 2016 zu sehen.
Museum Zitadelle Jülich
Schlossstrasse
52428 Jülich
Tel. 02461-937680
Öffnungszeiten
April-Oktober: MO - FR 14 - 17 Uhr; SA, SO 11 - 18 Uhr
November-März: SA 14 - 17 Uhr; SO 11 - 17 Uhr
Die Ausstellung in der Villa Römer wird bis zum 1. November 2015 gezeigt.
Villa Römer – Haus der Stadtgeschichte
Haus-Vorster Str. 6
51379 Leverkusen (Opladen)
Tel. 02171-4064276
Öffnungszeiten MI, FR 15 - 17 Uhr
SA 15 - 18 Uhr
SO 11 - 16 Uhr