Archiv 2015
IN MEMORIAM Peter P.J. Hodiamont
Der Grenzgänger
Der alte Herr strahlte unendliche Ruhe und Gelassenheit aus. Er erhob sich von seiner Gartenbank, richtete die blaue Strickmütze und sagte: „Ich schlafe nicht - bleiben sie hier!“ Dann verwies er die verdutzten Gäste auf eine Wiese nebenan – seine Skulpturenwiese. Da leuchteten Sonnen und glitzerten Brunnen.
Sonnenskulptur im Skulpturengarten von "Maison Soleil" in Baelen, Foto © Stiftung Peter Hodiamont, Baelen, Belgien |
Die Begegnung fand im August 2000 im belgischen Baelen sur Vesdre statt, einer wallonischen Gemeinde am Fuß der Ardennen, nicht weit von Aachen. In einem alten Bauernhaus, das gleichzeitig Atelier, Werkstatt, Depot, Galerie und Wohnhaus war und das bis heute den Namen „Haus der Sonne“ (Maison Soleil) trägt. Der Hausherr, der die neugierigen Zufallsgäste - die Neugier war übrigens auf beiden Seiten groß - so unkompliziert empfing und dann in ein langes Gespräch über Kunst, Pankok, das Münster- und das Rheinland verwickelte, war der damals 76-jährige Pankok-Meisterschüler und Beuys-Studienkollege Peter Paul Jacob Hodiamont. Die Sonne, das war den Besuchern schnell klar, war ein Zentralmotiv des Künstlers.
Peter Hodiamont (1925-2004) Foto © Stiftung Peter Hodiamont
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Grenzgänger 1925 in Aachen geboren, der Vater niederländischer Nationalität mit hugenottischem Namen, die Mutter Deutsche, verkörperte der Maler, Bildhauer, Handwerker, Holzschnitzer, Brunnenbauer und Kirchenfenstergestalter Peter Hodiamont den rheinisch-maasländischen Menschenschlag aus der Limburger Grenzregion: gastfreundlich, höflich, dreisprachig, mit einem stets geöffneten Künstlerhaus, das für all jene ein Treffpunkt sein sollte, die sich für seine oder überhaupt Kunst interessierten oder weltanschaulich ähnlich dachten.
Peter Hodiamont St. Martin, 2001, Holzschnitt, 8/10, Blatt 55 x 43 cm; Privatbesitz, Foto © rART
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Klosterschüler An Peter Hodiamont, der vor zehn Jahren - am 15. Dezember 2004 - kurz vor Vollendung seines achtzigsten Lebensjahres bei der Arbeit in seinem Baelener Atelier verstarb, sei hier erinnert. Er war eine vielschichtige, faszinierende Persönlichkeit, ein wahrer Meister, der ein breites Spektrum künstlerischer Techniken beherrschte. Bis ins hohe Alter blieb der ehemalige Klosterschüler der Burloer Oblaten im Münsterland, der ab 1944 in den letzten Kriegsmonaten als Ausländer Militärdienst leisten musste und später seine in Borken/ Westfalen begonnene Priesterlaufbahn aufgab um sich der Kunst zu verschreiben, ein „wilder, zorniger Mann“ - voller Wut über Unrecht, Naturzerstörung, Inhumanität von Ideologen und Dogmatisten. Einen geheimen Franziskaner hatte man ihn tituliert, einen ewig nach dem Lebenssinn suchenden überzeugten Europäer und Christen.
Peter Hodiamont Rügen 11 Ummanz, 1999, Holzschnitt, 9/30, Motiv 60 x 45 cm, Privatbesitz, Foto © rART |
1946 bis 1948 studierte er an der Düsseldorfer Kunstakademie Zeichnen, Glasmalerei und freie Malerei bei Otto Pankok (mehr) und Heinrich Kamps. Doch da war noch mehr. Denn Otto Pankok, diesem Menschen- und Zigeunerfreund, wie ihn Hodiamont nannte, verdanke er seine „große Zuneigung zu Randgruppen, ... Asylanten, Nicht-Abendländern“. Diese Sympathien wurzelten offenbar in seiner eigenen Rolle als Fremder, als Grenzbewohner, als Niederländer aus Aachen. Nach einer aus „sozialer Notwendigkeit“ absolvierten Malerausbildung und Meisterprüfung übernahm er 1955 den väterlichen Handwerksbetrieb in Aachen. Erst ab 1982 war Peter Hodiamont als freier Künstler tätig.
Der Eingang zum Atelierhaus und zum Skulpturengarten, Mazarinen 9 in Baelen, Foto © Stiftung Peter Hodiamont
Peter Hodiamont Sonne, um 1961, Kupfer-Emaille-Arbeit auf Holzplatte, 69 x 61 cm, Privatbesitz, Foto © rART
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Kritik an Kunst und Klerus Seine Kunst sei, so bekundete er, „nicht zuletzt auch durch Leitbilder christlicher Ethik“ bestimmt und sein Arbeits- und Berufsethos durch Elternhaus, Kloster- und Handwerksjahre stark geprägt. „Es ist sicher nicht leicht, in der perversen Welt der Kunst-Mafia, in einem Raum des fast ausschließlich merkantilen und ökonomischen Denkens, im Umgang mit der Maßlosigkeit anderer Künstler, sich ständig neu einzuordnen, so dass man weder unter Depressionen, noch unter Hoffart leidet“, äußerte er anlässlich eines 50-jährigen Rückblicks auf sein Schaffen. Kunst, das war für ihn klar, musste immer erwerbbar und bezahlbar sein. Seine war es.
Denn der Meister aus dem „Land der wandernden Hecken“ - so Hodiamont über seine Heimatregion - verstand sich zutiefst als jemand, der im Dienst aller stand und nicht für eine „elitäre Gruppe“ arbeitete. „Aus diesem Grunde, und bereits seit meiner Akademiezeit, gilt mein Zorn den Kunsthändlern, den Galeristen und ähnlichen Museumsleuten. Sie können nicht die selbstverständliche Gelassenheit eines Künstlers haben, der sein Ende nicht fürchten muß, da er fortbesteht.“
Peter Hodiamont stellte sich nicht gegen die wirklichen, wahren Mäzene. In ihnen sah er Gönner und Förderer, ohne die künstlerisches Tun nicht möglich sei. Wohl jedoch gegen „...die oft lächerlich dekorierten hc - und Honorar-Clowns, selbst ernannt oder öffentlich angestellt“, die Macht ausübten, nach ihrem Ermessen förderten oder zerstörten, wie es auch die demagogischen Medien vorzüglich könnten.
Peter Hodiamont Selbstportrait, 1989, Holzschnitt, Blatt 25 x 21 cm, Privatbesitz, Foto © rART
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Gleichwohl, Peter Hodiamont war ein sehr religiöser Mensch und in seinem langen Künstlerleben schuf er zahlreiche Werke mit religiösen Motiven.
Allein im Aachener Raum gestaltete er 28 Kreuzwege. Im Rheinland finden sich zahlreiche Kupfer-Emaille-Arbeiten für Altarbilder, Brunnen, Grabmale und Glasarbeiten für Kirchenfenster unter anderem in Heinsberg (18 Fenster in der JVA), Herzogenrath, Stolberg, Jülich, Köln (Melaten-Friedhof) oder Krefeld und aus sehr frühen Jahren in der Neusser Barbara-Kirche. Ja, und auch an Kirche und Religion entzündete sich der zornige Geist beständig. Es sei ein langer Weg gewesen, „…vom gehorsamen, fügsamen Klosterschüler bis zum Obrigkeitsbeschimpfer anarchisch-christlicher Prägung“, so sein Blick zurück.
Claus P. Woitschützke
► Peter Hodiamont ist direkt neben seiner Werkstatt im Künstlerhaus „Maison Soleil“ (Haus der Sonne) in Baelen beerdigt, zwischen seinen Skulpturen und Brunnen.
Atelier und Lebenswerk von Peter Hodiamont:
Stiftung • Stichtung • Fondation établissement d'utilité publique
Peter Paul Jacob Hodiamont
Mazarinen 9
B-4837 Baelen sur Vesdre (Belgique)