PETER BEHRENS
Visionär und Pionier
„Wer aber will sagen, was Schönheit sei?“
Schon 1921, als der Maler, Architekt und Gestalter Peter Behrens diese Frage stellte, gab es - ebenso wie heute - keine allgemein gültige Antwort. Der Begründer des Industriedesigns schuf damals Objekte, die in der Formgebung nicht nur wegweisend, sondern auch einfach schön waren. Oft im Blickpunkt: Behrens` Giebelschrift „Dem deutschen Volke“ am Reichstagsgebäude in Berlin.
Mannesmann-Haus Düsseldorf (sog. Behrensbau), Vorderfront des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Mannesmann Röhrenwerke AG (1912). Der neoklassizistische Haupteingang wird von einem Hephaistos-Relief geziert. Foto © rART |
Der gebürtige Hamburger Peter Behrens (1869-1940) gilt als einer der einflussreichsten deutschen Architekten und Designer des frühen 20. Jahrhunderts. Er war ein visionärer Gestalter und seine Arbeit erstreckte sich auf so gut wie alle künstlerischen Gattungen.
Mit dem Rheinland war Behrens aufgrund seiner Tätigkeit als Direktor der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule besonders verbunden. Von 1903 bis 1907 reformierte er die Einrichtung grundlegend und verhalf ihr zu neuer Blüte. Anlässlich des 75. Todestages des großen Kreativen zeigt das NRW-Forum Düsseldorf die Ausstellung „Peter Behrens und die Vielfalt der Gestaltung“.
Peter Behrens (Entwurf) AEG-Heizstrahler, 1911. Behrens war von 1907 bis 1914 als Architekt, Industriedesigner und Grafiker für die AEG tätig. © Electrolux Nürnberg Peter Behrens (Entwurf) Sieben Gläser aus dem Wertheim-Service, um 1902. Ausführung Benedikt von Poschinger, Kristallglasfabrik Oberzwieselau. Farbloses Glas, formgeblasen, vergoldet, beschliffen, Höhe 10,4 cm (Likörglas) bis 19 cm (Weißweinglas), Stiftung Museum Kunstpalast, Dauerleihgabe Wolfgang Hanck. LP 2009-186, Foto: Horst Kolberg
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Multitalent Behrens selbst sah sich in Sachen Architektur und Design als Autodidakten. Denn er war, wie sein zeitgleich wirkender belgischer Kollege Henry van de Velde (mehr), weder in dem einen noch dem anderen Sachgebiet ausgebildet worden. Beide hatten Malerei studiert - Peter Behrens in Karlsruhe, Düsseldorf und München – bevor sie sich den anderen Disziplinen zuwandten.
Vom Architekten Behrens stammen Entwürfe für Jugendstil-Villen wie auch Häusern, Siedlungen und Fabriken im Stil der expressionistischen Moderne. Als Formgestalter kreierte er Möbel, Gläser, Lampen, Uhren und allerhand anderes aus dem Bereich Innendekoration. Er verstand sich auf Schrifttypen und letztendlich - sieht man vor allem seine Tätigkeit für die „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ (AEG) in Berlin - begründete er die Gestaltungsprinzipien der ganzheitlichen Erscheinung von Unternehmen, ihr Bild nach außen wenn man so will, – heute Corporate Design (CD) oder als übergreifendes Unternehmenskonzept Corporate Identity (CI) genannt.
Peter Behrens (Entwurf) Elektrische Tee- und Wasserkessel von AEG, 1909. Die Geräte sind Musterbeispiele harmonisch konzipierten Industriedesigns. © Electrolux Nürnberg |
Lattenpitter Den Direktorposten der Kunstgewerbeschule trat Behrens am 15. März 1903 an. Er war 34 Jahre alt, kannte Düsseldorf vom Studium her und hatte sich in der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe bereits einen Namen gemacht. Der Berufsstart am Rhein war jedoch holprig. Die städtische Kunstszene wurde von der weltbekannten Kunstakademie dominiert, bei deren elitären Protagonisten die künstlerische Auffassung des neuen Mannes auf wenig Verständnis stieß. Selbst sein Entwurf für die Große Gartenbau-Ausstellung 1904 in Düsseldorf, ein „Architektonischer Garten“ vor dem Kunstpalast mit Bauteilen wie Holzzäunen, Pergolen und Marmorbänken, kam nicht an. Die Treillagen trugen ihm den spöttischen Namen Lattenpitter (Lattenpeter) ein. Die Laubengänge wurden in den Zwanzigern von Wilhelm Kreis, Behrens´ Nachfolger auf dem Chefsessel der Kunstgewerbeschule, beim Bau des „Ehrenhof“-Ensembles abgebrochen.
Peter Behrens in seinem Büro, um 1929. "Geboren am 14. April 1868 in Hamburg. Im übrigen Autodidakt" schrieb Behrens flappsig-norddeutsch einst einem Berliner Autografensammler. © AKNW Architektenkammer Nordrhein-Westfalen |
Berliner Reichstag Giebelinschrift am Westportal von 1916. Peter Behrens: „Die Aufgabe war nicht leicht, da es sowohl eine monumentale für die Architektur geeignete Schrift, keine Antiqua, aber leicht lesbar und von deutschem Charakter sein sollte. Es wurde nach vielem Verhandeln eine Art Unziale festgelegt und Anna Simons unternahm es, die Kartons der 1,50 m hohen Buchstaben für den Bronzeguss zu detaillieren." Foto © Wikipedia
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Schriftkunst Behrens, der auch Typograf war und bereits mehrere nach ihm benannte Schrifttypen entwickelt hatte, richtete 1905 im Auftrag des Ministeriums für Handel und Gewerbe in Düsseldorf „Schriftkurse für Kunstgewerbelehrer“ ein. Sie wurden von der Mönchengladbacher Kalligrafin und Typografin Anna Simons (1871-1951), einer Schülerin des britischen Kalligrafielehrers Edward Johnston vom Royal College of Art, geleitet. Aus dieser Tätigkeit heraus entwarf Behrens 1908 den Schriftzug „Dem deutschen Volke“ für das Berliner Reichstagsgebäude. Anna Simons assistierte Behrens bei der Arbeit.
Krematorium in Hagen (1906-1908), angelehnt an die florentinische Renaissance, ist ein Beispiel für Behrens`konstruktiv-moderne Auffassung. Es besticht durch schlichte, geradlinige und modern wirkende Form, im Inneren kontrastieren die Farben Schwarz und Weiß. Foto: © Bildarchiv Foto Marburg/ AKNW
AEG-Turbinenhalle Berlin-Moabit, Haupt- und flache Nebenhalle, 1908-1909. Auch wenn es sich um eine Stahlkonstruktion handelt, verlieh Behrens dem Bau mit der Vorderfront einen monumentalen Ausdruck. Während die vordere Glaswand bündig mit dem Giebel verläuft, sind die Glaswände an der Seitenwand der Halle geneigt. Foto: © Bildarchiv Foto Marburg/ AKNW AEG-Kleinmotorenfabrik Berlin-Wedding ca.1925. Die 200 Meter lange Fassade ist durch eine Kolossalordnung von Pfeilern bestimmt. Die mit Eisenklinkern verblendeten und der Fensterebene vorgelagerten Pfeiler sind zwar von monumentaler Dimension, doch in ihrer Abfolge auch rhythmisch gegliedert. Bildrechte: SDTB Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin
Katholisches Gesellenhaus Neuss, 1910, mit Ausmalungen und Glasarbeiten des niederländischen Künstlers Johan Thorn Prikker (mehr). Da das Haus keiner Repräsentation diene, musste es nach Ansicht von Behrens stilistisch "einen Anflug von Bescheidenheit und behaglicher Einfachheit“ erkennen lassen. Foto © rART
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Industriekunst In seinen Entwürfen strebte Behrens eine „möglichst innige Verbindung von Kunst und Industrie“ an. Das war neues und revolutionäres Gedankengut in der kreativen Welt jener Jahre. Rückendeckung für seine Stil- und Gestaltungsideen fand Behrens bei Karl Ernst Osthaus, dem Direktor des Deutschen Museum für Kunst in Handel und Gewerbe in Hagen (mehr). Osthaus vermittelte ihn zur Firma Hagener Textilindustrie Gebr. Elbers, für die Behrens Textilentwürfe anfertigte. Ein Designkonzept zur Gestaltung von Broschüren über Briefpapier bis zum Ausstellungspavillion lieferte Behrens um 1905 dem reformfreudigen, kunstaffinen Industriellen Gustav Gericke. Für dessen Delmenhorster Linoleum-Fabrik AG (Produktmarke „Anker“) entwarf er ein neues einheitliches Erscheinungsbild, es kann als seine erste komplette Ausführung im Sinne eines „Corporate Design“ angesehen werden.
AEG-Zeiten Das Jahr 1907 war ein Markstein in Behrens` Entwicklung. Er wurde zum künstlerischen Beirat der AEG berufen und war auch Mitbegründer des Deutschen Werkbundes in München (mehr). Behrens wechselte im selben Jahr von Düsseldorf nach Neubabelsberg bei Potsdam und gründete dort ein Architekturbüro. In diesem Büro arbeiteten in den Folgejahren junge angehende Baumeister, die später zu den führenden Persönlichkeiten der europäischen Architekturszene gehören sollten: Ludwig Mies van der Rohe (mehr), Walter Gropius und Le Corbusier. Weltruhm erlangte Behrens durch seine mehrjährige Tätigkeit für die AEG und das für den Elektrokonzern realisierte erste vollständig einheitliche visuelle Erscheinungsbild. Er entwarf das AEG-Firmenlogo, gestaltete Produkte und Druckerzeugnisse und architektonisch die Verwaltungs- und Fabrikanlagen. Dies verhalf der AEG zu einer bis dato nicht gekannten frühen Form der Unternehmensidentität und -kultur, die heute in der Betriebswirtschaftslehre unter den Zentralbegriff „Corporate Identity“ fällt.
Kunst und Technik Behrens` 1909 in Berlin gebaute AEG-Turbinenhalle, ein Stahl-Glas-Konstrukt mit strengen elementaren Formen, war der erste sachliche Industriebau in Deutschland und ein Impulsgeber für das Staatliche Bauhaus in Weimar, dass zehn Jahre später von Gropius als Kunstschule gegründet wurde. Ähnlich spektakulär war sein kantiges, mit Brücke und Turm konstruiertes Bürogebäude für die Frankfurter Hoechst AG von 1924, dass als „Stein gewordener Expressionismus“ in die Bauhistorie einging. Behrens war natürlich nicht der einzige Baumeister, der sich der Moderne verschrieb. Konkurrent war unter anderen der studierte Berliner Architekt Hans Poelzig (mehr), der allerdings weniger von sich Reden machte als Behrens, der Bau-Autodidakt und Künstler. Behrens wollte eine „Industriekunst“ und forderte eine allgemeine Geschmackskultur unabhängig aller gesellschaftlichen Schichten. Er war überzeugt, dass es der Industrie obläge, „durch das Zusammenführen von Kunst und Technik“ Kultur zu schaffen.
Gutehoffnungshütte(GHH)-Hauptlagerhaus, Oberhausen, 1921-1925, Foto: © LVR-Industriemuseum, Sammlungsbestand Archiv St. Antony, Hauptlagerhaus Oberhausen, Außenaufnahme Juli 1929, Fotograf: unbekannt |
Bauzeugnisse Im rheinisch-westfälischen Raum sind mehrere Gebäude erhalten. 1912 baute Behrens in Düsseldorf die Hauptverwaltung der Mannesmann-Röhrenwerke an der Rheinuferpromenade, seinerzeit eines der modernsten Bürogebäude Europas. Sein in Oberhausen errichtetes Hauptlagerhaus für die Gutehoffnungshütte (1925) wertete er als sein bestes Gebäude. Dort sei es ihm gelungen, seine „... Kunstanschauung am klarsten zu verwirklichen“. In Hagen stammen das Eduard-Müller-Krematorium (1907) und die Villa Cuno (1910) von ihm und in Neuss das Katholische Gesellenhaus (1910) an der Sternstraße.
Die Schau präsentiert die Vielfalt der architektonischen Entwürfe von Peter Behrens und richtet den Fokus auf einen weiteren, allgemein weniger beachteten Aspekt im Schaffen des Architekten, nämlich der technischen Erneuerung von Konstruktionsweisen im Übergang von der Tradition zur Moderne. Veranschaulicht wird dieser Expositionsteil mittels eigens angefertigten Zeichnungen und Modelle sowie Objekten und Fotografien.
► Die Ausstellung wird in Kooperation mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen (AKNW) und dem Fachbereich Architektur der Fachhochschule Düsseldorf, der den Namen Peter Behrens School of Architecture (PBSA) trägt, ausgerichtet.
Claus P. Woitschützke
Die Ausstellung „Peter Behrens und die Vielfalt der Gestaltung“ kann bis zum 28. März 2015 besucht werden.
NRW-Forum Kultur und Wirtschaft
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