Archiv 2015
PAUL SCHNEIDER-ESLEBEN
Glashaut, Beton und keine Schnörkel
Rund zehn Nachkriegsjahre genügten, um aus dem Düsseldorfer Architekten Paul Schneider-Esleben einen Star seiner Branche in Deutschland zu machen. Wie kaum ein anderer deutscher Baumeister repräsentiert er den Aufbruch der Architektur in den jungen Jahren der neuen Bonner Republik.
Einstieg in eine große Karriere: Paul Schneider-Eslebens Haniel-Garage (1950-1953) an der Grafenberger Allee in Düsseldorf. Es war das erste mehrstöckige Parkhaus nach 1945 in Deutschland. Das Gebäude besticht durch die elegante, transparente Stahl-Glas-Fassade. Integriert war ein Motel. Foto © Architekturmuseum TUM, Rudolf Eimke |
Und es gab da einiges nachzuholen. Denn die Vorbilder des Dreißigjährigen, namentlich Mies van der Rohe (mehr) und der französisch-schweizerische Architekt und Künstler Le Corbusier, hatten bereits längst völlig neue architektonische Konzepte entwickelt und die Meßlatte für „modernes Bauen“ hoch gelegt.
Mit zwei Projekten, der Haniel-Garage und dem Flughafen Köln/Bonn, die beide mehr oder weniger zum Segen der Moblitätskultur jener Jahre avancierten, festigte er seinen auch internationalen Ruhm. Zwei Ausstellungen, eine in der Düsseldorfer Architektenkammer und eine in der Technischen Universität München (TUM) widmen sich derzeit anlässlich des 100. Geburtstages Schneider-Eslebens (1915-2005) seinem Lebenswerk.
Neues Bauen Obwohl er erst ein Einfamilienhaus gebaut hatte, erhielt Schneider-Esleben 1950 vom Haniel-Konzern den Auftrag für den Entwurf einer Großgarage in Düsseldorf. Mit seinen Plänen traf der Architekt den Nerv der Zeit.
Das Parkhaus von 1953 ging in die deutsche Baugeschichte ein, als - wie der SPIEGEL feststellte - höchst eleganter, leichter und vollkommen transparenter Bau. Ein Lichttempel und Edel-Stellplatz für das neue Massenphänomen Auto. Das Gebäude, das stilistisch noch Anklänge an die Vorkriegsmoderne aufwies, entsprach in den Jahren des aufkommenden Autobooms und der rasanten Zunahme individueller Mobilität einer fast visionären künftigen Glas-Beton-Mentalität in der Architektur.
Flughafen Köln/Bonn (Konrad Adenauer Flughafen). Das Projekt war ein Höhepunkt in der Architektenlaufbahn von Schneider-Esleben. Foto © Architekturmuseum TUM, Walter Mogg |
Der Baumeister setzte mit der Großgarage wie mit dem Flughafen Köln/Bonn (1962-1973) weitreichende Impulse in der Architektur der Nachkriegszeit. Der innovative Airport war der erste Drive-In-Flughafen in Europa. Mit dezentraler Abfertigung in zwei sternförmigen Terminals, den sogenannten "pentagonalen Satelliten", schuf Schneider-Esleben schnelle und kurze Wege und eine elegante, fast intime Atmosphäre.
Die Ideen des Düsseldorfers für dieses hochmoderne Abfertigungsgebäude zwischen Köln und Bonn wurden weltweit mehrfach für mittelgroße Airports übernommen und gelten bis heute als raumplanerisch beispielhaft.
Paul Schneider-Esleben, oder PSE, wie er kurz genannt wurde, war einer der einflussreichsten Architekten in den Jahren des Wirtschaftswunders. Gleichwohl gilt, dass er nie neue Architekturformen erfunden hatte. Er war eher ein kreativer Generalist, der mit den namhaften Kollegen Helmut Hentrich (mehr) und Egon Eiermann das Architekten-Spitzentrio im Bau deutscher Verwaltungsgebäude bildete.
Gebäude waren für ihn Gesamtkunstwerke, die er bis ins Detail – sei es die Kunst am Bau, das Mobiliar oder der Blumentopf mit Gummibaum – selbst durchgestaltete.
Mannesmann-Hochhaus (1956-1958). Der schlanke, gläserne Verwaltungskomplex gilt als wichtiges Symbol des Wirtschaftsaufschwungs in den Fünfzigerjahren. Sein 22 Stockwerke umfassender Stahlskelettbau hatte als erstes deutsches Hochhaus eine vorgehängte „Curtainwall“-Fassade. Foto © Architektenkammer Nordrhein-Westfalen M:AI 2015
St. Rochuskirche Düsseldorf, der Sakralbau seit 1988 unter Denkmalschutz. Foto © Architektenkammer Nordrhein-Westfalen M:AI 2015, Thomas Mayer
|
Mannesmann-Hochhaus Einer seiner Architektur-Leuchtpunkte war der prägnante Entwurf für das Düsseldorfer Mannesmann-Hochhaus (1954-1958) am Rheinufer in unmittelbarer Nähe der von Peter Behrens (mehr) 1911 erbauten Mannesmann-Konzernverwaltung. Die Orientierung an den Wolkenkratzer-Entwürfen des emigrierten Bauhaus-Stars Mies van der Rohe ist dabei ziemlich offensichtlich. Für deutsche Verhältnisse war das extrem schlanke, 22-geschossige Bürohaus im "International Style" (BauNetz 2005), das heute das NRW- Wirtschaftsministerium beherbergt, ein bestechendes Zeugnis der Wirtschaftswunderzeit. Mit dem fast zeitgleich errichteten Dreischeibenhaus (mehr) war es eines der ersten super-modernen Hochhäuser in Deutschland. Denn die Stahlskelettbauweise mit Vorhangfassade war seinerzeit neu und Schneider-Esleben ihr Protagonist.
Rochuskirche Ähnlich spektakulär wirkte der Teilaufbau der kriegszerstörten katholischen Rochuskirche in Düsseldorf-Pempelfort 1955. Für den Kunstsachverständigen und katholischen Theologen Friedhelm Mennekes SJ der „radikalste Kirchenbau nach dem Zweiten Weltkrieg“.
Diese Radikalität bestand aus einem Zentralbau mit drei Konchen und einer aufstrebenden Kuppel aus drei hohen, doppelt gekrümmten Betonschalen. Schneider-Eslebens sakrale Konstruktion hatte bald im Volksmund den Spitznamen „Halleluja-Gasometer“.
Vorbild war konstruktionstechnisch die zeitgleich eingeweihte Wallfahrtskirche von Ronchamp von Le Corbusier, die als singuläre Architekturikone gilt.
Rolandschule Besonderer Bedeutung im Düsseldorfer Stadtbild kommt der Rolandschule (Fertigstellung 1961) zu, da sie als "Reformschule" unter pädagogisch-künstlerischer Mitwirkung von Joseph Beuys und den ZERO-Künstlern Piene, Mack und Uecker (mehr) realisiert wurde. Die Künstler lieferten mehrere Werke, darunter auch kinetische Objekte, die teilweise bis heute noch an ihren Plätzen sind. Allerdings stießen nach Fertigstellung einige Arbeiten, namentlich die liegende Teakholzfigur von Joseph Beuys, auf "Sicherheitsbedenken" bei der Düsseldorfer Stadtverwaltung und wurden verändert oder entfernt.
Rolandschule Düsseldorf in der Tradition von Ludwig Mies van der Rohe (1957-1962). Schneider-Esleben übernahm das strenge Modul-System des Bauhaus-Meisters und strebte eine „Einheit von bildender Kunst und Architektur“ an. Foto © Architekturmuseum TUM, Inge Goertz-Bauer |
Zwischen Aufbau und Abriss: das ARAG-Stufengebäude in den Siebzigerjahren. Foto © Architekturmuseum TUM, Günter Abend
Der „Künstlerarchitekt“ am Schreibtisch mit einem Modell des Köln-Bonner „Regierungsflughafen“. Foto © Architekturmuseum TUM
Paul Schneider-Esleben Vater und Sohn, Karikatur, 1947. Die humorvolle Zeichnung ist ein Beispiel für das breite Talent des rheinischen Baumeisters, der sich auch auf Kunst außerhalb der technischen Zeichentische verstand. Foto © Architektenkammer Nordrhein-Westfalen M:AI 2015
Paul Schneider-Esleben Marokko, Aquarell, 1981, Foto © Architektenkammer Nordrhein-Westfalen M:AI 2015 |
ARAG-Stufenhaus Zu den markanten PSE-Gebäuden zählte über drei Jahrzehnte ferner das Stufengebäude der ARAG-Versicherung, das vom PSE-Reißbrett stammte. Es wurde, obwohl es unter Denkmalschutz stand, 1991 wegen vermeintlicher Asbestbelastung abgerissen.
Der Kunsthistoriker und Architekturtheoretiker Heinrich Klotz (1935-1999) sah in dem abgetreppten Baukörper eine Art Grundcharakter des Architekten. Schneider-Esleben habe „…immer wieder nach umstandslosen Antworten gesucht, seine Lösungen sind oft schlagend und kompromißlos direkt ausgefallen, was die Originalität und Frische der Entwürfe nur befördert hat.“
Stilwechsel Schneider-Esleben plante 188 Bauwerke, von denen nicht alle realisiert wurden. In den Boomjahren der Fünfziger und frühen Sechsziger setzte er unter anderem in München, Wuppertal, Hamburg und Berlin Projekte um. Im Rahmen der "Interbau"-Ausstellung 1957 in Berlin baute er im Hansa-Viertel in der Klopstockstr. 25-27 eine Wohneinheit vom Typ "Zeilen"-Hochhaus.
Ab 1970 änderte sich sein Baustil, er favorisierte den Sichtbeton, der als „béton-brut“ vor allem von Le Corbusier verwendet wurde und zu radikal klaren, schnörkellosen, fast kalt-funktionalen Gebäudestilen führte. In diese Phase fiel erkennbar die Planung des Köln/Bonner-Flughafens.
Damit ist das Leistungsspektrum längst nicht erschöpft. Schneider-Esleben widmete sich der Restauration von Landhäusern, übte Lehrtätigkeiten in Hamburg und Wien aus und entwarf, in diesem Sinne als Designer, jahrelang Büromöbel und Schmuck. Er war, schon von Jugend an, ein rastloser Zeichner und Grafiker, der mit Humor und Tiefsinn bemerkenswerte Karikaturen und bis ins hohe Alter auch bestechende Aquarelle fertigte.
► Die Düsseldorfer Exposition des Museums für Architektur und Ingenieurkunst (M:AI) wird an zwei Orten gezeigt: im Mannesmann-Hochhaus, das dadurch selbst zum größten Exponat der Ausstellung wird, sowie im Haus der Architekten im Medienhafen. Hier zeigt die Architektenkammer NRW nicht nur die Architektur, sondern lässt Paul Schneider-Esleben auch selbst zu Wort kommen: Als genialer Zeichner und Aquarellist, scharfsinniger Karikaturist, passionierter Segler und Bon Vivant. Kurzinterviews mit Kollegen und Zeitgenossen fangen die Facetten seiner vielschichtigen Persönlichkeit ein.
► Die Schau im Architekturmuseum der Technischen Universität München (TUM) zeigt Bauprojekte aus den Jahren 1950 bis 1993. Die Exponate - Modelle, Pläne und historische Fotografien - stammen aus dem umfangreichen Nachlass Schneider-Eslebens, den die TUM 2006 übernommen hatte.
Claus P. Woitschützke
Die Ausstellung „Das Mannesmannhochhaus – Architekturikone des Wirtschaftswunders“ wird bis zum 25. September 2015 gezeigt.
Mannesmann-Hochhaus/Wirtschaftsministerium
Berger Allee 25
40213 Düsseldorf
Die Ausstellung „Die Marke PSE - Architektur zwischen Erhalt und Abriss“ kann bis zum 23. September 2015 besucht werden.
Haus der Architekten
Zollhof 1
40221 Düsseldorf
Öffnungszeiten für beide Schauen
MO-DO 9-18 Uhr,
FR 9-17 Uhr
Sonderöffnung SO13. und 20. Sept. 2015 10 – 18 Uhr
Eintritt frei
Die Ausstellung „Paul Schneider von Esleben. Architekt“ läuft bis zum 18. Oktober 2015
Pinakothek der Moderne
München
Öffnungszeiten
DI-SO 10-18 Uhr
DO 10-20 Uhr
Literaturhinweis und Zitatenquelle:
Paul Schneide- Esleben, Entwürfe und Bauten 1949-1987. Hrsg. von Heinrich Klotz, Wiesbaden 1987 . Neuere Ausgabe mit Ergänzungen Verlag Gerd Hatje, Ostfildern bei Stuttgart 1996.