ARCHIV 2013
OTTO PANKOK, DER EXPRESSIVE REALIST
In Kohle und Kreide
Die Arbeiten sind bestechend und einzigartig zugleich. Ihr Schöpfer, der Zeichner, Holzschneider, Maler und Bildhauer Otto Pankok, wird in diesem Jahr anlässlich seines 120. Geburtstags mit mehreren Ausstellungen bundesweit geehrt. Seine Geburtsstadt Mülheim erinnert mit einer Einzelausstellung im städtischen Kunstmuseum an den großen Sohn.
Otto Pankok, Landschaft in Südfrankreich, o.T., Kohle auf Papier, 116 x 98 cm, Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr © 2013 Eva Pankok
Otto Pankok, Blumenbeet, 1913, Kohle auf Papier, 41 x 46 cm, Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr © 2013 Eva Pankok |
Es fällt nicht schwer, in den für Otto Pankok (1893-1966) charakteristischen künstlerischen Werken formale Elemente zu finden, die an einen Großen der Malerei erinnern, an Vincent van Gogh. In der Tat war der holländische Meister, der 1890, also drei Jahre vor der Geburt Pankoks, verstorben war, das große Vorbild des Niederrheiners. Und zwar sowohl in jungen Jahren als suchender Kreativer wie im Alter als gereifter Künstler. Doch gibt es einen markanten Unterschied, der die Besonderheit, völlige Eigenständigkeit und Großartigkeit von Pankoks überaus reichem Œuvre kennzeichnet: Die kontrastreichen Farben spielten bei seinen Arbeiten keine überragende Rolle.
Farbe, so wird er gerne zitiert, sei für ihn Radau. Eine radikale Aussage. Er schuf zwar unter anderem auch Gemälde in Farbe, aber seine Kunst war der Holzschnitt und die der Schwarz-Weiß-Malerei in Kohle und Kreide, und er beherrschte die dazwischen liegenden Grautöne technisch in allen erdenklichen Varianten wie kaum ein anderer. In einem Brief an Rainer Zimmermann 1963 formulierte er: "Mir schwebten bestimmte Landschaften und Menschen vor ... dazu brauche ich nur meine Schwärzen und Graus; und daran hat sich nichts geändert." Neben dieser Perfektion sind es die Bildformate, die als ungewöhnlich angesehen werden und die zu Kunstwerken führten, deren Ausdrucksstärke, Eindringlichkeit und Dichte ihresgleichen suchen und den Betrachter in den Bann ziehen.
Otto Pankok ist einer der bedeutendsten deutschen bildenden Künstler. Als einer der wichtigsten Vertreter des „expressiven Realismus“ gehörte er zu den führenden Kreativen seiner Zeit. Er wird wegen der Reduktion auf Schwarz und Weiß und der eindringlichen Motive in einem Atemzug mit Ernst Barlach oder Käthe Kollwitz genannt. Die Kunstgeschichte hat für sie einmal den Begriff der "schwarzen Magier" geprägt. Pankoks vielseitige Auseinandersetzung mit der Literatur (mehr), etwa in Portraits von Dostojewski oder Tolstois, zeigen des Weiteren eine eher selten angesprochene Verbindung zur internationalen Literatur.
Otto Pankok, Kind in Korbsessel ( Saam), 1911, Kohle auf Papier, 65 x 47 cm, Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr © 2013 Eva Pankok
Otto Pankok, Selbstbildnis, 1909, Kohle auf Papier, 47 x 37 cm, Kunstmuseum Mülheim an der Ruhr © 2013 Eva Pankok
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In Mülheim präsentiert das Kunstmuseum Kohlebilder und Grafiken aus der umfangreichen eigenen Sammlung, die rund 220 Arbeiten vor allem aus dem Frühwerk Pankoks umfasst. Der erste Ausstellungsraum widmet sich chronologisch zunächst diesen frühen Jahren des Künstlers. Bereits als Schüler in Mülheim hatte Otto Pankok mit der Malerei in Kohle und Kreide begonnen. Das Museum zeigt Selbstbildnisse des jungen Pankok aus den Jahren 1911/12 und frühe Zeichnungen mit Darstellungen Mülheimer Bürger und Kinder sowie Landschaftsszenen der Region an Rhein und Ruhr. Mit 19 Jahren verließ Pankok die Stadt am Ruhrfluss und nahm ab 1912 kurzzeitig ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Hochschule für bildende Kunst in Weimar auf. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er zum Militär einberufen, erlebte den Krieg an der Westfront in Nordfrankreich und wurde wegen einer Kriegsverletzung 1917 aus dem Dienst entlassen.
Der zweite Ausstellungsraum thematisiert die künstlerische Entwicklung Pankoks nach Ende des Ersten Weltkriegs bis hin zum Nationalsozialismus. Ein Themenbereich ist dabei die späte Wendung des Mülheimers zum Expressionismus während seines Engagements im Kreis des „Jungen Rheinland“ und im Düsseldorfer „Aktivistenbund“ bis zum Jahre 1924. Mit einer Reihe anderer Künstler wie unter anderen Arthur Kaufmann, Otto Dix, Max Ernst gehörte er zum Kreis der namhaften Düsseldorfer Kunsthändlerin und -mäzenin Johanna Ey („Mutter Ey“, 1864-1947). Die Ausstellung zeigt einige der repräsentativen großformatigen Kohlegemälde von Landschaften und gesellschaftlichen Außenseitern und Minderheiten, die zu den Hauptmotiven Pankoks gehören. Den Abschluss der Schau bilden Arbeiten aus der Zeit, in der Otto Pankoks Verfemung und Ausgrenzung durch das nationalsozialistische Regime ausgesetzt war.
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► In den frühen 30er Jahren lebte Pankok als Maler mit Sinti im Düsseldorfer Armenviertel Heinefeld. Für diese ethnische Minderheit, die verfolgt und an den gesellschaftlichen Rand gedrängt war, hatte er ein großes Herz und fertigte zahlreiche Kohlezeichnungen an, die später von den Nationalsozialisten als „entartete Kunst“ beschlagnahmt wurden. Pankok selbst erhielt Arbeits- und Ausstellungsverbot. Er lebte während der NS-Zeit mit seiner Frau Hulda jahrelang abgeschieden in der Eifel. Dort versteckte er den verfolgten Maler-Freund Mathias Barz und dessen jüdische Frau, die Düsseldorfer Schauspielerin Brunhilde Stein, monatelang. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ehrte das Ehepaar Pankok als „Gerechte unter den Völkern“. Ab 1947 war er als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf tätig. Einer seiner Schüler war der spätere Literaturnobelpreisträger Günter Grass.
Die Ausstellung „Otto Pankok zum 120. Geburtstag“ wird bis zum 12. Januar 2014 gezeigt.
KUNSTMUSEUM MÜLHEIM AN DER RUHR
Synagogenplatz 1
45468 Mülheim an der Ruhr
Tel. 0208 / 4 55 41 38
Öffnungszeiten
DI – SO 11 - 18 Uhr