Archiv 2010: aus "Besuchenswert"
Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg
Ein (fast) vergessenes Kapitel
In der hiesigen eurozentrischen Geschichtsbetrachtung ist über die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg nur wenig zu erfahren. Dabei haben Millionen Soldaten aus Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika bis 1945 einen hohen Blutzoll – keinesfalls immer freiwillig - geleistet, um die Welt von Faschismus und Naziterror zu befreien. Im Kölner NS-Dokumentationszentrum EL-DE-Haus erinnert Recherche International e.V. jetzt in einer bemerkenswerten Ausstellung an die Rolle der Kolonien und der Dritte-Welt-Länder dieser Epoche.
Männer und Frauen von allen Kontinenten leisteten freiwillig und aus antifaschistischem Bewusstsein, aber auch zwangsrekrutiert für die Krieg führenden Kolonialmächte, Militär- und Arbeitsdienste. Dazu gehörten Inder, Chinesen, Afrikaner, Lateinamerikaner, Filipinos und Pazifikinsulaner. Ob freiwillig oder zwangsverpflichtet: Rekruten aus der Dritten Welt mussten sich mit weniger Sold, schlechteren Unterkünften und geringeren Kriegsrenten als ihre „weißen Kameraden“ abfinden. Allein Indien stellte mit seiner „Royal Indian Army“ 2,5 Millionen Soldaten, die noch durch 120.000 Gurkhas aus dem Königsreich Nepal verstärkt wurden. Sie bildeten die größte Kolonialarmee aller Zeiten und kämpften sowohl auf europäischen wie auf asiatischen Kriegsschauplätzen. Auch ruft die Ausstellung in Erinnerung, dass der Zweite Weltkrieg in China mehr Kriegsopfer forderte, als die Staaten Deutschland, Italien und Japan zusammen zu beklagen hatten. Die Dokumentation zeigt ferner die kriegswichtigen Wirtschaftsverflechtungen auf. Die Kolonien der Krieg führenden Mächte hatten neben Kampftruppen auch Nahrungsmittel und Rohstoffe für die Rüstungsproduktion zu liefern. Auch das NS-Regime bezog kriegswichtiges Material aus jenen französischen Kolonien in Afrika und Indochina, die unter Regie der Kollaborationsregierung in Vichy standen. ► Weitere Sachthemen der Ausstellung sind u.a. die Judenverfolgungen außerhalb Europas, etwa am Beispiel des jüdischen Ghettos von Shanghai und die Zwangsprostitution in asiatischen Kriegsgebieten. Die Sonderausstellung ist nicht groß, doch sehr beeindruckend und sehenswert. Präsentiert werden Fotos und Texte, Video- und Hör-Stationen sowie Stimmen von Zeitzeugen und Historikern, zusammengetragen bei Recherchen in 30 Ländern.
NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln Öffnungszeiten: Bibliothek: Der Eintrittspreis schließt den Besuch der Gedenkstätte und der Dauerausstellung ein.
Ein umfangreiches Begleitprogramm folgt den geographischen und thematischen Kapiteln der Ausstellung: Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika im Zweiten Weltkrieg, Judenverfolgung außerhalb Europas und Kollaboration. Veranstaltungen in der „Langen Nacht der Kölner Museen“ (Samstag, 6. November 2010 ab 19 Uhr) und am Tag der Menschenrechte (Freitag, 10. Dezember 2010) ergänzen das Programm.
► Gedenkstätte „Gestapogefängnis“
Das EL-DE-Haus, nach den Initialen seines Bauherrn, des Kölner Kaufmannes Leopold Dahmen, bezeichnet, war von Dezember 1935 bis März 1945 Sitz und Hausgefängnis der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) Köln. Sie war zuständig für die Regierungsbezirke Köln und Aachen sowie für die besetzten belgischen Gebiete Eupen und Malmedy. In ihre Verantwortung fielen die Deportation und Ermordung von Tausenden Menschen. Die Gedenkstätte, 1988 von der Stadt Köln eingerichtet, stellt eine der am besten in Deutschland erhaltenen Haftstätten aus der NS-Zeit dar. Mit seinen im Keller gelegenen Häftlingszellen und den Wandinschriften der Gefangenen erinnert sie unmittelbar und sehr eindringlich an die mit dem EL-DE-Haus verbundenen Schrecken. Die rund 1800 restaurierten Inschriften und Zeichnungen dokumentieren Leid und Trauer, aber auch Selbstbehauptung und Aufbegehren der Gefangenen. Die Gedenkstätte „Gestapogefängnis“ bildet den Mittelpunkt des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln. |