rheinische ART
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rheinische ART 06/2017

Archiv 2017

NIKI DE SAINT PHALLE
Tanz der Nanas


Die Kunstszene ist unerschöpflich, denn es gibt immer wieder etwas zu entdecken. Zum Beispiel: Was hatte die Mutter der weltberühmten drallen, wohlgerundeten und schrill-bunten Nanas mit dem Theater zu tun? Das Hoesch-Museum in Düren klärt auf!

 

Ausstellungsansicht „Niki de Saint Phalle und das Theater – At Last I Found the Treasure”, © Niki Charitable Art Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Fotos: Peter Hinschläger, Leopold-Hoesch-Museum Düren

 

Ihre fantasievollen, an naive Kunst erinnernden Figuren zählen zum Populärsten, was Museen und Ausstellungshäuser an zeitgenössischen Werken zur Schau stellen können. Nanas, die mit ebenso merkwürdigem wie heftigem erotischen Touch ausgestatteten Polyester-Ladies, sind viel geliebt und in unzähligen großen und kleinen Varianten produziert oder imitiert worden.


Theater Dass die französisch-amerikanische Malerin und Bildhauerin Niki de Saint Phalles (1930-2002) auch eine enge Beziehung zum Theater hatte, war bislang wohl nur intimen Kennern ihrer Kunst bekannt. Eine Ausstellung im Dürener Leopold-Hoesch-Museum zeigt diese Leidenschaft der adligen Künstlerin unter dem Titel „Niki de Saint Phalle und das Theater – At Last I Found the Treasure“. Präsentiert werden Skulpturen, Papierarbeiten und Filme der Künstlerin, die zwischen 1961 und 1974 entstanden sind.

 

Niki de Saint Phalle vor dem Plakat zu Lysistrata sitzend, 1966. © 2016 Niki Charitable Art Foundation/ Adagp, Paris

 

Niki de Saint Phalle Nana rouge jambes en l’air, ca. 1968, Polyester und Farbe auf Eisendraht, Leopold-Hoesch-Museum & Papiermuseum Düren. © Niki Charitable Art Foundation / VG Bild-Kunst, Bonn 2017 Fotos: Peter Hinschläger

 

Die große Schöpferin der üppigen, kurvigen Kunststoff-Figuren war offenbar vom Theater derart fasziniert, dass ihre farbfrohen Werke in Ausdruck und Thematik davon beeinflusst wurden – die Arbeiten aber gleichzeitig auch das Medium Bühne der Sechzigerjahre (mit)prägten.

     Die frühfeministische Künstlerin gilt daher heute als „signifikante Kraft für die performative Kunst und das Theater“ jener Jahre, wie es in der Ausstellung heißt.


Die Zusammensetzung der Werke eröffne letztlich, so das Dürener Museum, eine neue Perspektive auf das Gesamtwerk und insbesondere auf den großen Zyklus, den Niki de Saint Phalle (mehr) zum Thema Liebe entwickelt hatte.

     Hinter der bemerkenswerten Hinwendung zur Bühnenkunst standen die Bestrebungen der Künstlerin wie auch einer Reihe Kunstschaffender der New Yorker Avantgarde, der Nouveaux-Réalistes in Paris und der Theaterpioniere der Kasseler documenta in den 1960er-Jahren, der Kunst mannigfaltige Möglichkeiten zu eröffnen.

     Gleichwohl: Die damals 36-Jährige war von Jugend an theateraffin gewesen und hatte sich bereits in der Schule mit ersten eigenen Stücken hervorgetan. Später in Paris nahm sie Schauspielunterricht, allerdings ohne Erfolg.


Konkret und ohne Schulträumerei begann ihre künstlerische Arbeit für das Theater 1966 in Paris. Da wirkte Niki de Saint Phalle erstmals bei der Ausstattung für das Ballettstück „L´Éloge de la folie“ mit, schrieb einen Teil des Libretto und entwarf zwei Akte, natürlich mit ihren Nana-Paradefiguren in Form tragbarer Pappfigurinen.

     Das war mutig, aufmüpfig und neu, schrill und schräg, man könnte - mit Blick auf die am Horizont aufleuchtenden gesellschaftlichen Unruhen - sagen: es war zeitgerecht revolutionär und daher ein Riesenerfolg. Paris hatte, wie überliefert ist, damals einen neuen Star.

 

Niki de Saint Phalle Plakat Lysistrata, Staatstheater Kassel, 1966. © 2016 Niki Charitable Art Foundation/ VG Bild-Kunst, Bonn 2017

 

Niki de Saint Phalle Erstentwurf der Phalli für Lysistrata, 1966. © 2016 Niki Charitable Art Foundation/ VG Bild-Kunst, Bonn 2017

 

 

Niki de Saint Phalle und Jean Tinguely bei der Vorbereitung der Bühnenbilder des Theaterstücks ICH, Kassel, 1968, Foto: unbekannt

 

In dieser Rolle sorgte die Bankierstochter auch anderenorts für Wirbel. Noch im selben Jahr installierte de Saint Phalle im Moderna Museet in Stockholm ihr erstes Großprojekt, ein etwa 27 Meter langes, hohles und buntes „Kolossalweib“ (DER SPIEGEL) mit dem schlichten Namen „Hon“ - für schwedisch „sie“ -, liegend und durch die Vagina als Zugang zu betreten, was in drei Monaten Ausstellungsdauer 100.000 Besucher auch taten.

     Im monströsen Bauch der provokanten Frauenfigur, an der ferner ihr Lebensgefährte Jean Tinguely (mehr) und der finnischen Bildhauer Per-Olof Ultvedt mitgewerkelt hatten, gab´s was für die Unterhaltung der Neugierigen, darunter ein Café, ein Kino und einen Imbissautomaten.

     Für Catherine Marie-Agnès Comtesse Fal de Saint Phalle, so ihr amtlicher Name, war die Skulptur „die begehrteste Hure der Welt“. Ihre Theaterarbeit nahm nunmehr für das nächste Jahrzehnt richtig Fahrt auf.


Das Kasseler Staatstheater
unter Regisseur Rainer von Diez, seinerzeit gerade 26 Jahre alt, lud sie in jenem Jahr umgehend ein, für die Inszenierung der Lysistrata von Aristophanes ein Bühnenbild und Kostüme zu entwerfen. Zwei Jahre später gab es gar ein eigenes Theaterstück von ihr, es titelte ICH und wurde auf der Kassler documenta 4 unter der Regie von Diez uraufgeführt.


Mit der Inszenierung des humorvollen, erotischen, aber auch grausamen ICH-Stücks wurde beabsichtigt, Fantasie und Kritik des Publikums gleichermaßen anzuregen. Niki de Saint Phalle entfaltete ihre Kreativität in den optischen und bildnerischen Formen wie auch in den Sprach- und Bewegungsabläufen. Kaskadenhaft – bunt und auch schrill wie für sie typisch – breiteten sich die verschiedenen Beiträge in Farben, Formen und Tönen auf der Bühne aus. Mit ihrem Stück ICH gelang es ihr, Kunst und Theater zu durchdringen.

K2M

 
Die Ausstellung ist eine Kooperation der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim, der Kunstsammlung Jena und der Niki Charitable Art Foundation in Santee, Kalifornien, sowie zahlreichen privaten und öffentlichen Leihgebern.


Die Ausstellung „Niki de Saint Phalle und das Theater – At Last I Found the Treasure“ läuft bis zum 2. Juli 2017.
Leopold-Hoesch-Museum
& Papiermuseum Düren

Hoeschplatz 1
52349 Düren
Tel. 02421 / 25 25 61
Öffnungszeiten
DI - SO 10 - 17 Uhr
DO 10 - 19 Uhr