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rheinische ART 02/2018

Archiv 2018
ESSENS NOFRETETE
„Die Schöne ist gekommen“
 

Folkwang-Gründer Karl Ernst Osthaus war ein weitsichtiger Sammler und der Kunst in vielschichtiger Weise zugetan. Das Essener Museum Folkwang zeigt aktuell Exponate, die Osthaus einst als „Ägyptische Sammlung“ zusammenstellte.

 

Kopf der Nofretete Amenophis IV./Echnaton, ca. 1377–1358 v. Chr., Künstler unbekannt, von einer Grenzstele aus Tell el-Amarna, Kalkstein, 19,5 x 33,7 x 23,5 cm. Erworben 1961 © Museum Folkwang, Essen, Foto: Jens Nober

 

Die sehenswerte Ausstellung titelt „Nofretete, Ramses und Osiris. Die Ägyptische Sammlung“ und enthält mehrere eher selten präsentierte Spitzenstücke.

     Allen voran den 31 Zentimeter großen Kopf der Pharaonin Nofretete. Diese Hauptattraktion der Schau ist eine edle Kalksteinbüste, die trotz beträchtlicher Beschädigungen Anmut und Schönheit ausstrahlt und als ein Meisterwerk ägyptischer Bildhauerkunst gilt. Sie wird gerne in Abgrenzung zu der weitaus berühmteren Plastik im Ägyptischen Museum in Berlin als „Essener Nofretete“ bezeichnet.

     Der fast lebensgroße Kopf der „Gebieterin von Ober- und Unterägypten“, der „großen Königlichen Gemahlin“ schmückte vermutlich eine der vierzehn Grenzstelen der Residenz des Pharaos Amenophis IV. im heutigen Tell el-Amarna.

 

Doppelstatue des Vorstehers der Goldbergwerke des Amun, Wersu, und seiner Gemahlin Sat-Ra, 18. Dynastie, Amenophis II., 1426–1400 v. Chr. Reiner Kalkstein, 48,5 x 25 x 20,3 cm, Schenkung Frau Kommerzienrat Hirschland 1926 © Museum Folkwang, Essen, Foto: Hans Hansen, Hamburg 2009

 

Noch rund ein Jahrhundert älter ist die ebenfalls ausgestellte elegante Kalkstein-Doppelstatue des Vorstehers der Goldbergwerke des Amun, Wersu, und seiner Gemahlin Sat-Ra. Das Kunstwerk stammt aus archäologischen Grabungsfeldern der südlich von Tell el-Amarna am Nil liegenden Goldminen von Koptos (Qift).

     Die jahrtausendealte Nofretete-Skulptur aus dem mittelägyptischen Tell el-Amarna ist damit jenem Ort zuzuordnen, der als Zentrum der „Amarnakunst“ bekannt wurde und in der Malerei, Bildhauerei und Reliefkunst in Form lebendiger, oft karikierender Alltagsszenen zu höchster Blüte geführt wurden.
     Der Name Nofretete wird oft mit „Die Schöne ist gekommen“ übersetzt; als Pharaonin gehört Nofretete kunstgeschichtlich in die letzte Phase der ägyptischen Hochkultur unter Echnaton (1377-1358), dessen Hauptgemahlin sie war.

     Der Herrscher selbst galt als „Ketzerpharao“, als ungewöhnlicher König, da er die Priesterkaste entmachtete, seinen Geburtsnamen Amenophis IV. in Echnaton änderte und auf künstlerischer Ebene revolutionäre neue Wege einschlug. Die Essener Nofretete-Plastik gelangte nicht zu Lebzeiten des Kunstmäzens Osthaus in die Sammlung, sondern wurde 1961 im Kunsthandel für das Museum erworben.

    

Reliefbruchstück aus dem heute verschollenen Grab des Generalissimus Ameneminet Ende der 18. Dynastie, Haremhab, 1305–1292 v. Chr., Künstler unbekannt, Kalkstein, 37,5 x 63,5 x 5,3 cm. Erworben 1915 © Museum Folkwang, Essen, Foto: Hans Hansen, Hamburg 2009

 

Als weiteres Highlight der Ausstellung gilt das 64 Zentimeter hohe Reliefbruchstück aus dem heute verschollenen Grab des Generalissimus Ameneminet.

     Es zeigt in künstlerisch eigenwilligem Stil eine Dame in plissiertem Gewand mit einem Lotosstrauß in der Hand. Das Relief wurde bereits 1922 vom damaligen Museum Folkwang in Hagen erworben und ging mit anderen Originalen der Ägyptischen Sammlung im selben Jahr in das Eigentum des neugegründeten Museum Folkwang in Essen über.

 

Die Sammlung bietet einen breiten Überblick über die künstlerische und kunsthandwerkliche Produktion des alten Ägypten – von den Anfängen der ägyptischen Geschichte über verschiedene Dynastien bis in die römische Phase.

     Sie offenbart damit anschaulich Osthaus´ Programmatik: Es ging dem Kunstmäzen und Museumsgründer nämlich nicht um ein gezielt enzyklopädisches Sammeln. Vielmehr stand für ihn neben der Faszination für das Objekt vor allem dessen ästhetische Wirkung im Vordergrund – ganz im Sinne seines progressiven Ansatzes, die Gesellschaft ästhetisch zu schulen, zu reformieren und umzugestalten, wie sich dies im weiteren Sinne im „Hagener Impuls“ manifestierte (mehr).

 

Mumienmaske eines jungen Mannes, um 50 n. Chr., Künstler unbekannt, Stuck auf Sandunterlage, polychrom bemalt 15 x 24,6 x 9,3 cm. Erworben 1906 © Museum Folkwang, Essen, Foto: Hans Hansen, Hamburg 2009

 

Insgesamt hat das Museum 150 altägyptische Sammlungsstücke im Bestand. Fast alle Objekte, so betont das Haus, stammen aus Gräbern oder aus dem Bereich der Totenverehrung. Ein Teil der Gefäße, etwa für Öle, Salben und Schminke, sind aus buntem, dauerhaftem Hartgestein – wie Diorit, Brekzie, Gabbro, Serpentinit, Basalt oder Kalkstein, Alabaster und Anhydrit – in unübertroffener Perfektion gefertigt.

 

Ein Blick auf die Sammlungsgeschichte des Museum Folkwang zeigt in toto das vielseitige kulturelle Interesse des Museumsgründers Karl Ernst Osthaus (1874 – 1921) zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
     In Malerei und Bildhauerei konzentrierte er sich vorwiegend auf Zeitgenössisches aus Frankreich und Deutschland sowie auf das Kunstgewerbliche weltweit. Schon vor der Museumseröffnung in Hagen 1902 stand Osthaus mit dem Direktor des Hamburger Kunstgewerbemuseums, Julius Brinkmann, in engem Kontakt und erwarb etwa japanische Keramik für seine Sammlung.

     Osthaus nutzte ein dichtes Netzwerk von Kunstfachleuten, Händlern und befreundeten Beratern, um Ankäufe auch aus Übersee zu tätigen oder über Auktionen, bevorzugt in Paris, bedeutende Stücke seiner Kollektion zuzuführen.
     So gelang es ihm, für seine Ägyptische Sammlung neben Gefäßen und zahlreichen Amuletten jene besonderen, einzigartigen Skulpturen und Reliefs zu erwerben, die eher nur Kunstkennern vertraut sind, aber heute zu den Glanzstücken der altägyptischen Kollektion in Essen gerechnet werden.
cpw

 

Die Ausstellung ist die Abschiedsveranstaltung des Kurators Mario-Andreas von Lüttichau (*1952), der in den Ruhestand tritt. Von Lüttichau war seit 1991 als Kustos für die Sammlung 18. bis 21. Jahrhundert am Folkwang Museum Essen tätig.

 

Die Ausstellung „Nofretete, Ramses und Osiris. Die Ägyptische Sammlung“ wird bis zum 2. April 2018 gezeigt.
Museum Folkwang-
Museumsplatz 1
45128 Essen
Tel. 0201 / 8845 444
Öffnungszeiten 
DI, MI, SA, SO 10 – 18 Uhr
DO, FR 10 – 20 Uhr

 

 

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