Archiv 2018
AENNE BIERMANN
Von Goch nach Gera
Sie wurde nur 34 Jahre alt, war in Sachen Lichtbild Autodidaktin und prägte dennoch die fotografische Moderne. Der gebürtigen Rheinländerin ist jetzt eine kleine Kabinett-Ausstellung gewidmet.
Nuancierte Schwarz-Weiß-Studie: Aenne Biermann Cocosnuss, um 1929 © Museum Ludwig, Köln |
Kleine Ausstellung muss es leider heißen, denn der Ausrichter, das für seine Foto-Sammlung berühmte Kölner Museum Ludwig, hat in seinem Bestand nicht mehr als 24 Arbeiten, 11 Negative und 17 kleinformatige Archivabzüge von Aenne Biermann, die es nun erstmals vollständig präsentiert.
Aenne Biermann Porträt, um 1929, © Museum Ludwig, Köln. Repro: Rheinisches Bildarchiv Köln
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Der Expositionstitel „Name der Fotografin: Aenne Biermann“ lässt erahnen, dass diese Foto-Avantgardistin bis heute eine nahezu Unbekannte ist, deren Ruhm nur historisch-interessierten Fachkreisen bekannt ist.
Das umfangreiche Bildarchiv von Aenne Biermann (1898–1933), das rund 3000 Negative umfasst haben soll, wurde während des Zweiten Weltkriegs auf dem Wege nach Palästina in Triest beschlagnahmt, nach Deutschland rückgeführt und gilt seither als verschollen.
Wer war die Frau, die in der Niederrhein-Kleinstadt Goch als Anna Sibylla Sternefeld, drittes Kind einer jüdischen Fabrikantenfamilie, geboren wurde? Aenne Biermann, wie sich die Zweiundzwanzigjährige nach ihrer Heirat mit dem Kaufhausbesitzer Max Biermann in Gera nannte, begann in ihrer neuen thüringischen Heimat hobbymäßig mit dem Fotografieren des familiären Umfelds.
Aenne Biermann Kaktus, um 1929, © Museum Ludwig
Aenne Biermann Gerd 7 Jahre alt, 1930, © Museum Ludwig, Köln. Repro: Rheinisches Bildarchiv Köln
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Erst mit präzisen und scharfen Ablichtungen von Graptolithen-Platten und Gesteinen für den Geraer Laien-Geologen und Heimatforscher Rudolf Hundt (1889–1961) setzte eine Form professioneller Arbeit ein, die stilistisch der Neuen Sachlichkeit entsprach.
Innerhalb weniger Jahre verstand es Biermann, mit derartigen Sachaufnahmen sowie Portraits, Landschaftsbildern und Stillleben auf sich aufmerksam zu machen.
Biermann war auf der wegweisenden Werkbund-Ausstellung „Film und Foto“ 1929 in Stuttgart vertreten. Eine eigene Ausstellung wurde ihr erstmals in Jena 1930 ausgerichtet. Danach wurde sie mit namhaften Größen der Branche wie der Bauhaus-Fotografin Lucia Moholy, der Amerikanerin und Albers-Schülerin Florence Henri und der deutsch-niederländischen Werbefotografin Germaine Krull international gezeigt. Sie hatte sich von einer Foto-Autodidaktin zu einer Avantgardefotografin ersten Ranges entwickelt, wie dass Museum Ludwig hervorhebt.
Im Jahre 1930 erschien ein Bildband mit 60 ihrer Werke, er liegt in der Schau aus. Die Künstlerin fotografierte, wie zeitgleich Albert Renger-Patzsch, Pflanzen aus nächster Nähe oder verwandelte etwa eine aufgeschnittene Kokosnuss auf einem weißen Teller zur nuancierten Schwarz-Weiß-Studie. Auch ihre zwei Kinder, so heißt es in Köln, wurden immer wieder zum Motiv eindringlicher Portraits. Gegen Ende der 1920er Jahre gehörte Aenne Biermann zu den innovativsten Lichtbildnerinnen Deutschlands. Sie verstarb 1933 an den Folgen einer Lebererkrankung.
Anlass für die informative Schau sind jüngst aufgetauchte Negative und Aufnahmen der Künstlerin. Das Museum Ludwig besitzt mit der Sammlung Agfa nicht nur eine umfangreiche Fotografie-Sammlung des 19. und 20. Jahrhunderts, sondern auch – kaum bekannt und noch nicht vollständig aufgearbeitet – die Archive der Foto-Unternehmen Leonar-Werke und Perutz. In diesen Beständen waren Arbeiten Aenne Biermanns gefunden worden.
cpw
► Das Museum für Angewandte Kunst in Gera, das für die Fotokünstlerin vom Niederrhein einen eigenen Raum mit einer Dauerausstellung unterhält, vergibt seit 1992 alle zwei Jahre den Aenne-Biermann-Preis für deutsche Gegenwartsfotografie.
Die Ausstellung „Name der Fotografin: Aenne Biermann“ wird bis zum 30. September 2018 gezeigt.
Museum Ludwig
Fotoraum, 2. OG
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
Tel. 0221 / 221 26165
Öffnungszeiten
DI – SO 10-18 Uhr
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