ARCHIV 2012
Karl Hugo Schmölz – Architekturchronist
Kühle Eleganz über dem Nierentisch
Karl Hugo Schmölz: Apollo-Theater, Düsseldorf, 1950
Karl Hugo Schmölz: Drahthaus, Düsseldorf, 1952 |
Seine Architektur- und Designfotos aus den frühen 1950er Jahren sind Meisterwerke in der Tradition der Neuen Sachlichkeit. Sie dokumentieren eindrucksvoll und in höchster fotografischer Präzision den Wiederaufbau des zerstörten Rheinlands. Das umfassende Schaffen von Karl Hugo Schmölz war bislang eher nur eingeweihten Fotografie-Zirkeln vertraut. Ein Bildband und eine Ausstellung erinnern an den Chronisten. Eine Entdeckung!
BUTTERCREMETORTE und Fräuleinwunder, Sammeltasse, Tempo-Dreirad und Pettycoat – die Nachkriegszeit in Deutschland ist mit allerlei Begriffen im kollektiven Gedächtnis verankert. Makellose Rundungen, gleißendes Licht, harte Schatten und verführerische Oberflächen sind Design-Elemente dieser Zeit. Dass Design und Architektur der Aufbruch- und Wirtschaftswunderjahre aber weit mehr war als Nierentischkultur und schneller Wohnungsbau, uniform und fantasielos, ruft der großartige Bildband aus dem Verlag Schirmer/Mosel in Erinnerung. „Karl Hugo Schmölz: Köln – Architekturfotografie der Fünfziger Jahre“ titelt das Werk mit über 120 Schwarz-Weiß-Fotografien aus der frühen Adenauer-Ära.
Nachkriegs-Ästhetik
In den ersten Monaten nach Kriegsende lichtete Schmölz mit seiner Plattenkamera die bizarren Ruinenlandschaften seiner zerbombten Heimatstadt Köln ab. In den Jahren des Wiederaufbaus war er gefragter Fotograf, der im Auftrag der großen Baumeister seiner Zeit mit formaler Strenge und technischer Perfektion deren Bauten ablichtete. Dabei schuf er über die Dokumentation hinaus ästhetisch hyperreale Bilder, die wie nur wenige Fotos aus jenen Jahren den Zeit–Geist vermitteln. Zu seinen Auftraggebern zählten unter anderen die führenden rheinischen Architekten wie Dominikus Böhm, Wilhelm Riphahn, Rudolf Schwarz und Hans Schilling, die alle erheblichen Einfluss auf die städtebauliche Nachkriegsentwicklung im Rheinland ausübten. Die analogen Aufnahmen zeigen Fassaden, Schaufenster, Möbel- und Modehäuser, Autosalons und Tankstellen, Büros, Theater und Kinopaläste. Daneben auch Interieurs von Privathäusern, Sitzungssäle, und immer wieder elegant geschwungene Treppenaufgänge.
Inneres Leuchten
Schmölz´ technisch perfekte Fotografien belegen einen zeitgenössischen Stilwillen, der sich buchstäblich aus den Trümmermeeren der zerstörten Städte erhob. In Tag- und Nachtaufnahmen, ausschließlich in Schwarz-Weiß, erfasste Schmölz mit einem unpathetischen Blick den ästhetischen Reiz funktionaler Architektur – ohne dabei auf eine gewisse anheimelnde Bildatmosphäre zu verzichten. Es sind Fotografien, die noch heute faszinieren. Schmölz´ Beleuchtungstechnik, die durch großartige innere Leuchteffekte und überwiegend ohne erkennbare Lichtquellen besticht, war weit über Deutschland hinaus bekannt.
Karl Hugo Schmölz „Rheinpreussen, Tankstelle Köln-Ehrenfeld, Ecke Oskar Jägerstraße bei Nacht“, 1952 |
„Herold der Nachkriegsmoderne“
Bereits 1937, in jungen Jahren, übernahm Karl Hugo Schmölz kurz vor dem Tode seines Vaters Hugo Schmölz (1879-1938) dessen Foto-Atelier in Köln. Seine Spezialität, die Architekturfotografie, übte er über rund 20 Jahre aus. Schmölz wurde in diesem Metier zu einem Chronisten, vor allem seiner Geburtsstadt. Er dokumentierte deren bauliche Entwicklung zunächst in der NS-Zeit, danach als ein visueller „Herold der Nachkriegsmoderne“ in den Fünfzigern, wie ihn der Schriftsteller und Architekturexperte Ulf Erdmann Ziegler in der Neuen Zürcher Zeitung charakterisierte. Die archivierten Arbeiten des Meisterfotografen gingen 1971 in das Eigentum des ehemaligen Schmölz-Fotoassistenten Wim Cox über, darunter zahlreiche Glasplattennegative. Der mittlerweile digitalisierte Fundus bildete als „Archiv Wim Cox“ die Basis für den Bildband und eine nun zu sehende Ausstellung in Bonn. Schmölz´ Rolle erschöpft sich aber bei weitem nicht allein in seiner Bau- und Designfotografie. Fotogeschichtlich werden der Kölner Chronist und seine Arbeiten als mögliches Bindeglied zwischen der Fotografenlegende August Sander (mehr), der Neuen Sachlichkeit und deren Fortsetzung als konzeptuell aufgefasste Fotografie durch die Düsseldorfer Fotoschule Bernd und Hilla Bechers (mehr) angesehen.
Claus P. Woitschützke
Buchcover mit dem Titelbild Ford-Pavillon, Messegelände Köln, 1950 |
► Der Fotoband „Karl Hugo Schmölz - Köln Architekturfotografie der Fünfziger Jahre“ stellt erstmals gesammelt die Architekturfotografien des Meisters vor. Der Rheinlandkenner Ulf Erdmann Ziegler schrieb den einführenden Essay. Weitere Texte verfaßten der Kurator der Bonner Schau, Thomas Linden, und Franz van der Grinten. Dieses „Geschichtsbuch“ über das visuelle Erscheinungsbild der jungen deutschen Bundesrepublik ist nicht nur für Rheinländer ein Gewinn, auch für Architektur- und Fotofans und alle Kunst- und Kulturinteressierten, die hochästhetische Bilder schätzen.
Buch:
Karl Hugo Schmölz - Köln
Architekturfotografien der Fünfziger Jahre
Hrsg. v. Franz van der Grinten und Thomas Linden
Verlag Schirmer/ Mosel, München 2012
Hardcover, 176 Seiten, 127 Duotone-Tafeln
ISBN 978-3-8296-0539-7
49,80 Euro
► In Bonn zeigt das LVR.LandesMuseum in der Schau „Wie sich Deutschland neu erfand“ einen repräsentativen Querschnitt mit 65 teils großformatige Schmölz-Fotografien. Motive sind die moderne Nachkriegsarchitektur und das zeitgenössische Design – vorzugsweise aus der Domstadt. Sie konfrontieren die Besucher - so das Museum - durch die teils extremen Vergrößerungen massiv und zugleich detailgenau mit der Realität der Zerstörung und den Visionen des Neuaufbaus. Die Bilder von Karl Hugo Schmölz entfalten jene urbane Kulisse, aus der die Lebenswelt der Gegenwart entstand. In weiten Teilen besitzt die Ausstellung durch diese Art der Präsentation installativen Charakter.
Ausstellung:
Wie sich Deutschland neu erfand. Fotografien von Karl Hugo Schmölz kann bis zum 28. Oktober 2012 besucht werden.
LVR-LandesMuseum Bonn
Colmantstr. 14-16
53115 Bonn
Tel. 0228 – 2070-0
Öffnungszeiten
DI - FR, SO 11 – 18 Uhr
SA 13 – 18 Uhr
► Das Zitat von Ulf Erdmann Ziegler wurden der NZZ Nr. 221 vom 22. September 2012 S. 25 entnommen.
Fotos: © Wim Cox, Köln, 2012/ courtesy Schirmer/ Mosel