Archiv 2019
KULTURGUT MUNDART
Dem „echten“ Kölsch auf der Spur
Bis zur Niederlegung der Stadtmauern ab 1881 war für Kölner und Nicht-Kölner die Sache klar: Wer innerhalb der Umwallung beheimatet war, der sprach echtes Kölsch.
Abbildung Titel Kölsch. Porträt einer Sprache Foto © Greven Verlag
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Und je nachdem, wo man in der Stadt wohnte – ob am Eigelstein, am Altermarkt, rund um St. Severin oder an der Hahnenpforte – pflegte man sein Kölsch sogar in feinen Nuancen. Außerhalb jedoch, wo die Kappesbauern lebten und ihre Felder bestellten, herrschte ein derberer Zungenschlag – aus Kölner Sicht „Platt“. So weit, so gut.
Und heute? Der Bonner Sprachwissenschaftler Georg Cornelissen vom Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte im LVR Landschaftsverband Rheinland, ist ein profunder Kenner der Dialektvielfalt des Rheinlands. Mit dem im Greven Verlag neu erschienenen Buch „Kölsch. Porträt einer Sprache“ geht er der Frage auf den Grund, wie sich Kölsch entwickelt hat und wie es im 21. Jahrhundert um das Kölsche bestellt ist.
Warum ausgerechnet jetzt? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass das aktuelle Sessionsmotto „Uns Sproch es Heimat“ die Projektidee möglicherweise beflügelt haben könnte. Doch sinnvoll ist es allemal, dass passend zum Motto eine Publikation erschienen ist, die bei aller wissenschaftlichen Distanz der Kölner Seele und dem Kölschen Idiom schmeichelt.
Köln als Sprachlandschaft Bei näherer Betrachtung des Themas wird einem schnell klar, dass durch die ab Ende des 19. Jahrhunderts einsetzende Ausdehnung der Stadt nach Nord und Süd, nach West und Ost die einst so einfache Abgrenzung des Kölschen vom Rest der rheinischen Sprachwelt nicht mehr funktionieren kann.
Die Eingemeindungsrunden haben eine ganz eigene sprachliche Gemengelage erzeugt, weshalb sich die Pauschalbezeichnung „Das ist Kölsch!“ eigentlich von vornherein verbietet. Viele Kölner Stadtteile liegen vom einstigen Nukleus des Kölschen kilometerweit entfernt und tendieren geographisch in Richtung Niederrhein oder ins Vorgebirge beziehungsweise rechtsrheinisch ins Bergische Land. Aus ehemaligem Platt wurde dadurch (auch) Kölsch. Insofern ist Köln inzwischen eine Sprachlandschaft für sich, was Cornelissen anhand vieler Beispiele („Wortgeschichten“) gut nachvollziehbar dokumentiert.
Unverändert aber liegt Köln im Herzen des ripuarischen Dialektgebiets, das zwischen dem Niederfränkischen und dem Moselfränkischen verortet wird. Begrenzt wird es durch die Benrather Linie und die Dorp-Dorf-Linie. Bis ins 16. Jahrhundert bediente man sich in Köln neben dem Lateinischen einer „rheinländischen Schriftsprache“, wovon die Koelhoff’sche Chronik, 1499 in Köln gedruckt, beredtes Zeugnis ablegt. Mit der Einführung des Hochdeutschen im Schriftverkehr entstand dann ein Nebeneinander, das die Situation bis heute prägt – und was im Prinzip für ganz Deutschland in ähnlicher Weise gilt.
Kölsch als „die“ Alltagssprache breiter Schichten der Bevölkerung funktionierte bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ganz selbstverständlich, einer Abwertung traten dann ab den 1970er Jahren nicht zuletzt Bands wie „Bläck Fööss“ und „BAP“ entgegen. Mit der „Akademie för uns Kölsche Sproch“ wurde 1983 sogar eine Gralshüterin geschaffen, die ihresgleichen sucht. Insofern verwundert es nicht, dass die Zahl der Kölsch-Sprecher nach wie vor im sechsstelligen Bereich anzusiedeln ist. Eine gravierende sprachliche Erosion, wie sie andernorts zu beobachten war und ist, blieb in Köln somit aus.
Dem Kulturgut Kölsch droht nach Darlegung Cornelissens also keine unmittelbare Gefahr. Hinzu kommt: Innerhalb der deutschen Mundarten zeichnet sich Kölsch unzweifelhaft durch eine überregionale Bekannt- und Beliebtheit aus. Dies kommt nicht von ungefähr. Erinnert sei an Konrad Adenauer und Willy Millowitsch. Der eine prägte als erster Bundeskanzler die Geschicke der jungen Bundesrepublik, der andere eroberte mit rheinischem Klamauk die Fernsehbildschirme. „Eine Besonderheit des kölschen Dialekts ist seine Medienpräsenz“, betont Cornelissen. Das dürfte gerade in diesen Wochen, die auf den Höhepunkt der Session zusteuern, kaum zu widerlegen sein. In diesem Sinne: Alaaf!
Simon Hopf
KÖLSCH
PORTRÄT EINER SPRACHE
Georg Cornelissen
Greven Verlag
184 Seiten mit 28 farbigen Karten und Abbildungen
Klappenbroschur ǀ 13 x 21 cm
11 Euro
ISBN 978-3-7743-0901-2