rheinische ART
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rheinische ART 01/2025

VERFOLGTE KÜNSTE
Spurensuche


In Solingen, einer Hochburg der Arbeiterbewegung, wurden kurz nach dem Berliner Reichstagsbrand im Februar 1933 NS-Gegner verhaftet und ein halbes Jahr später in die ersten Konzentrationslager deportiert.

 

Paul Ern Junge Amsel/Franziskus, Holzschnitt, Sammlung Heinz-Willi Müller © Foto: Dirk Rose/Zentrum für verfolgte Künste

 

Es waren Sozialdemokraten, Kommunisten und andere Regimegegner, die wegen ihrer politischen Überzeugungen von der Gestapo verfolgt, verhaftet und in die Straflager in den Moorgebieten des Emslandes gebracht wurden. Am 27. August 1933 kam es im Konzentrationslager Börgermoor bei Papenburg zur Uraufführung des Liedes „Die Moorsoldaten“

     Es wurde unter Beteiligung von ehemaligen Mitgliedern der zerschlagenen Solinger Arbeiterchöre vorgetragen. In den Folgejahren avanciertes es zu einer internationalen Hymne der Solidarität und des Widerstands gegen das NS-Regime.

 

Ernst Walsken Drei Gehängte, Aquarell und Tusche, 1933 © Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else-Lasker-Schüler-Zentrum – Kunstsammlung Gerhard Schneider

 

Wolfgang Langhoff Die Moorsoldaten, 1935 © Bürgerstiftung für verfolgte Künste – Else-Lasker-Schüler-Zentrum – Kunstsammlung Gerhard Schneider.

 

Geschrieben und vertont wurde „Die Moorsoldaten“ von den Häftlingen Johann Esser, Wolfgang Langhoff und Rudolf (Rudi) Goguel. Langhoff, aus Berlin stammender Schauspieler und Autor, spielte von 1928 bis 1932 am Schauspielhaus Düsseldorf bei Louise Dumont und Gustav Lindemann (mehr).

     Er engagierte sich für die KPD und war ferner künstlerischer Leiter der Agitprop-Gruppe „Nordwest-ran“. Nach seiner Verhaftung im Februar 1933 wurde er im Düsseldorfer Polizeigefängnis inhaftiert. Später verlegte man ihn in das Zuchthaus Ulmer Höh und danach in das KZ Börgermoor.

 

Wolfgang Langhoff (1901–1966) überarbeitete während der Lagerhaft im Emsland den Moorlied-Text von Esser. Nach einer Amnestie und der unmittelbaren Flucht in die Schweiz veröffentlichte er 1935 das Buch Die Moorsoldaten – 13 Monate Konzentrationslager.

     Er machte damit das Lied und das Leid in den frühen NS-Konzentrationslagern weltweit bekannt. Der autobiografische Tatsachenbericht über den Widerstand der kommunistischen und sozialdemokratischen Häftlinge im KZ Börgermoor gilt als Klassiker der antifaschistischen Weltliteratur.


Das Solinger Zentrum für verfolgte Künste erinnert mit der Ausstellung Solinger Künstler in der Kunstregion Rheinland 1933-1945 und den Untertiteln „Moorsoldaten? Ein Spurensuche“ an diese Vorgänge vor 80 Jahren.

     Die Ausstellung führt in die Bedeutung des Liedes bis heute ein, präsentiert Kunstwerke von Georg Paul Heyduck aus der Sammlung der Bürgerstiftung für verfolgte Künste und von Hanns Kralik, der ebenfalls Häftling in Börgermoor war und Wolfgang Langhoffs Buch mit zwei Illustrationen bereicherte.

 


Willi Deutzmann (1897–1958) Kapelle im Frühling (Chicago), Öl auf Leinen, 1947, Sammlung Heinz-Willi Müller © Foto: Dirk Rose/Zentrum für verfolgte Künste. Der Solinger Künstler war Mitglied der Nachkriegsgruppe „Junger Westen“.

 

Der Hauptteil der Ausstellung widmet sich den örtlichen Künstlern  und zeigt, wie das NS-Regime Anreize zur Integration in die Volksgemeinschaft schuf oder wie Ausgrenzung und Verfolgung stattfanden.

     So wurde etwa der als „entartet“ geschmähte Bildhauer Ludwig Gies (1887–1966), Schöpfer des Bundestagsadlers 1953, der bereits in der Weimarer Republik erfolgreich war,  einerseits diffamiert, erhielt aber andererseits Aufträge für Kunstwerke im Sinne der NS-Ideologie. Der junge Kunststudent Paul Ern (1900–1972) wurde von seinem Lehrer an der Akademie in Düsseldorf nach Berlin entsandt, wo er 1936 Wandmalereien im Olympischen Dorf realisierte. Der Solinger Maler Ernst Walsken (1909–1993), aufgrund politischen Widerstands 1935 inhaftiert, war Häftling in Papenburg-Esterwegen und zählte zu den „Moorsoldaten“. Als ehemaliger Student der Kunstakademie Düsseldorf dokumentierte er dort die grausamen Lebensbedingungen und die täglichen Demütigungen in einer Reihe eindrucksvoller kleiner Zeichnungen.


Vor der NS-Zeit galt Solingen als Stadt mit einer lebhaften Kunstszene, die sich an den rheinischen Kunstmetropolen orientierte. Trotz der großen Nachbarn Düsseldorf und Köln entwickelte sich in der Klingenstadt während der Weimarer Republik eine vielfältige Szene, die weit über das Provinzielle hinausging.

     Über 100 Kunstwerke aus der Sammlung von Heinz-Willi Müller und Solinger Privatbesitz dokumentieren – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit, wie es heißt – die örtliche Kunstszene in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Historische Zeitungsartikel von 1933 bis 1945 begleiten die ausgestellten Kunstwerke und beleuchten nicht nur das damalige Kunstgeschehen, sondern gewähren auch tiefere Einblicke in das kulturelle und politische Klima der NS-Zeit.
cpw

 

Langhoffs Publikation „Die Moorsoldaten" trug maßgeblich dazu bei, die Wahrheit über die Gräuel in den faschistischen KZ weltweit zu verbreiten. Der Autor beschreibt die Solidarität der meist politischen Gefangenen, die selbst unter unmenschlichen Bedingungen ihren aktiven Widerstand fortführten. Bleibender Ausdruck davon ist das Lied Die Moorsoldaten, dessen Geschichte Langhoff erzählte. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und gilt als eines der meistgelesenen Zeugnisse des Widerstands.


Die Ausstellung Solinger Künstler in der Kunstregion Rheinland 1933-1945. Moorsoldaten? Eine Spurensuche wird bis zum 9. Februar 2025 gezeigt.

Zentrum für verfolgte Künste
Kunstmuseum Solingen

Wuppertaler Str. 160
42653 Solingen
Öffnungszeiten
DI – SO 10 -17 Uhr

 

Literaturhinweis: Wolfgang Langhoff (Autor), Willi Dickhut (Illustrator, Vorwort) Die Moorsoldaten: 13 Monate Konzentrationslager. 321 Seiten. Verlag Mediengruppe Neuer Weg, 2017.