rheinische ART
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rheinische ART 07/2022

Archiv 2022

KULTURORT
Das Häuser-Knäuel


Kunst im öffentlichen Raum ist für zahlreiche Kommunen ein interessantes Thema. Auch für kleinere, die sich im Schatten der Großstädte behaupten wollen. Zum Beispiel das rund 43.000 Einwohner zählende Monheim am Rhein.

 

Timm Ulrichs Im Duett (2022), Skulptur auf dem Kreisverkehr an der Kreuzung Sandstraße/ Monheimer Straße im Ortsteil Baumberg. Foto © rheinische ART 2022

 

Die Mittelstadt, eingeklemmt zwischen Leverkusen im Süden und Düsseldorf im Norden, verfolgt seit 2017 ein neu entwickeltes Konzept zum Ausbau von Öffentlichkeitskunst. Initiator und unermüdlicher Arrangeur ist der seit 2009 residierende Bürgermeister Daniel Zimmermann (*1982), Mitbegründer der Jugendpartei PETO.

     Der Lokalpolitiker wurde durch seine Steuerpolitik bundesweit bekannt. Das HANDELSBLATT schrieb schon vor sechs Jahren, bei Monheim handele es sich um „Deutschlands dreisteste Steueroase“. Aus deutscher Sicht also eher ein Sündenfall, weil die Europäische Union gleichzeitig hart gegen Steuerschlupflöcher in Irland oder Luxemburg zu kämpfen versuche. Aber die Sache mit den niedrigen Gewerbesteuern ist ein anderes Thema.

 

Timm Ulrichs Im Duett, im Duell, im Debakel? Spaßskulptur oder Mahnung? Mehrdeutiger Ausweis für Monheims dynamische Entwicklung und Kunstaffinität. Foto © rheinische ART 2022

 

Gleichwohl hat es mit Kultur zu tun, denn die Politik mit den Briefkastenfirmen hat viel Geld in den Stadtsäckel des Bürgermeisters gespült, und das investiert er unter anderem auch in Kreatives.

     Neulich wurde für rund 140.000 Euro ein weiteres „wesentliches Element der Monheimer Stadtkultur“ – wie die Stadtverwaltung verlautbarte – eingeweiht. Es handelt sich um die auffällig rot strahlende, anfangs als die „Tanzenden Häuser“ bezeichnete Installation des Künstlers Timm Ulrichs (*1940). Die raumgreifende Stahlkonstruktion im Ortsteil Baumberg trägt die offizielle Bezeichnung Im Duett, wurde in einer Stahlschmiede in Hannover geschaffen und vor Ort verschweißt und lackiert.

 

Ihr Schöpfer, der emeritierte Kunstprofessor Ulrichs, beschreibt sich selbst als „Totalkünstler“, der sowohl mit Grafik, Fotografie, Skulptur als auch Performences diverser Art auftritt.

     Seine Inspirationen setzt er gerne „in vorwiegend humorvolle Kunstwerke“ um, betonen die Monheimer Auftraggeber. „Kunst ist Leben, Leben ist Kunst“ ist einer der Wahlsprüche des zu Ironie neigenden Konzeptkünstler, der durchaus polarisieren kann und will.

 

Markus Lüpertz Leda, Bronzeskulptur (2019). Inspiriert wurde der Künstler von zwei Motiven, der Gänseliesel aus dem Monheimer Stadtwappen und -logo sowie der Frauengestalt Leda aus der griechischen Mythologie. Foto © rheinische ART 2022

 

So ist auch seine Interpretation der roten Häuser auf dem Rondell eher eigenwillig. Im Duett sei auch eine sexuelle Anspielung, wird er zitiert. „Es sind zwei Häuser, die einander beiwohnen.“ Ineinander verschlungen stünden sie schließlich auf einem Kreisverkehr, „verkehren also miteinander“. Und von jeder Seite hätte der Betrachter eine „interessante neue Ansicht“.

     Mit Blick auf die topografische Lage, die sich nahe zum Rheinstrom und der Baumberger Stadtbebauung befindet, erkennt der Künstler: „Gerade diese Umgebung der Eigenheimideologen ist gut als Kontrast geeignet.“

 

Das sehen nicht alle so. Ungewollt kann Ulrichs Im Duett andere Assoziationen und Deutungen heraufbeschwören. Im Duett, im Duell, im Debakel, im Desaster – der massiv-stählerne Häuser-Knäuel mit den schiefen Satteldächern so nahe am Rhein  erinnert manchen Kunstfreund derzeit eher an die Flutkatastrophe vor einem Jahr an Ahr, Erft und Swist.

     Damit an Zerstörungen, Leid und Tod in Altenahr, Mayschoß, Schuld, Insul oder Rheinbach. Eine Mahnung an den Bürger, die da lauten könnte: Gedenke, dass du eine Elementarversicherung brauchst und dass der Rheinstrom sich holen kann, was er will. Da werden Ulrichs „Tanzende Häuser“ zur Metapher eines Totentanzes.

 

Thomas Stricker Monheimer Geysir (2020). Ein künstliches Naturphänomen, dem es gelingt, den fließenden Autoverkehr zum Erliegen zu bringen. Bürgermeister Zimmermann bei der Eröffnung: „Sie haben es geschafft, Herr Stricker, ein Stück anderer Landschaft wie mit der Bastelschere ausgeschnitten in Monheim am Rhein einzukleben. Und das macht Ihre Arbeit dann tatsächlich zur Kunst.“ Foto © Lars Berwanger, Bildquelle © Stadtverwaltung Monheim am Rhein

 

Inges Idee (Künstlerquartett) Haste Töne (2019) im Kreisverkehr Berliner Ring und Bleer Straße. Bildquelle © Stadtverwaltung Monheim am Rhein

 

Abgesehen davon: Als Sinnbilder für Monheims dynamische ökonomische Entwicklung, die das Finanzfundament für hochrangige Kunstwerke im öffentlichen Raum liefert, fallen mehrere Arbeiten ins Auge.

     Vor zwei Jahren ging zum Beispiel der Monheimer Geysir in Betrieb. Eine über zwölf Meter hohe pulsierende Wassersäule auf dem Kreisverkehr Krischer-/Kapellenstraße, einen Steinwurf vom Rhein entfernt. Das Werk des Künstlers Thomas Stricker ist eine künstliche Fontäne, mit Wasserauswürfen, die nicht heiß, sondern kalt sind.

     Auffällig auch Markus Lüpertz´ Leda an der Rheinfront von Monheim (siehe oben). Eine markante Landmarke, die einschließlich Sockel elf Meter misst und dem Rat der Stadt 0,7 Millionen Euro wert war. Da ist das Häuser-Duett vergleichsweise preiswert.

     Die Ausstaffierung von Kreisverkehren zu Kunstinstallationen hat in Monheim System und lässt so manchen dortigen Verkehrsknotenpunkt mit Mittelinsel neu erleben. Zu sehen etwa auch in Form eines überdimensionierten großen Plattenspielers, inszeniert von der Künstlergruppe Inges Idee mit dem Titel Haste Töne. An Fantasie, soviel ist sicher und auch erfreulich, herrscht hier kein Mangel.
rART/cpw

 

Zitierquelle: HANDELSBLATT: Konrad Fischer „Deutschlands dreisteste Steueroase“ vom 2. November 2016

 

 

 

 

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