rheinische ART
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rheinische ART 01/2015

Archiv 2015

MODERNE ARCHÄOLOGIE
Rettung aus Ruinen

 

Kann die „Altertümerkunde“ auch anders als klassisch sein, also etwa Zeitgeschichtliches erfassen und erforschen? Kann sie. Die heutige Archäologie beschäftigt sich nicht nur mit Relikten aus Antike oder Mittelalter, sondern kümmert sich intensiv auch um die jüngere Vergangenheit.

 

Naum Slutzky Weibliche Büste, vor 1931, Zustand nach Reinigung 10/ 2010, Bronze, Höhe: 15,5 cm, © Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Achim Kleuker, Berlin

 

Eine Doppel-Ausstellung im Kölner Römisch-Germanischen Museum (RGM) zeigt Ergebnisse dieses mehr oder weniger jungen, wichtigen Forschungsgebietes. Die präsentierten Exponate wurden im Rahmen städtischer Infrastrukturmaßnahmen in Köln und Berlin geborgen und stammen im Wesentlichen aus dem ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

 

Kölner Fundstück: Munitionskisten aus dem Zweiten Weltkrieg. In ihnen wurden 1943 Kunstwerke aus dem Wallraf-Richartz-Museum in sichere Außendepots transportiert. © Römisch-Germanisches Museum/ Rheinisches Bildarchiv Köln

 

Kölner Funde „Archäologie der Moderne in Köln“ - so der Titel der auf die Domstadt bezogenen Ausstellung - zeigt Objekte, die bei Ausgrabungen aus schuttverfüllten Kellern kriegszerstörter Häuser ans Tageslicht kamen. Die archäologischen Funde gewähren Einblicke in das Alltagsleben ihrer Zeit, ergänzen so schriftliche und bildliche Quellen. Beispielhaft zeigen das ein Steinguttopf mit einem Dutzend wie durch ein Wunder unzerstörten Soleiern, eine Medizinflasche, die eine Arznei mit einer gefährlichen Droge enthielt, und ein größeres Konvolut an Karnevalsorden aus den Jahren 1899 bis 1933.
     Zu sehen sind auch ergänzend 21 großformatige Fotografien der Kölner Architektur- und Dokumentarfotografen Hugo und Karl Hugo Schmölz (mehr) aus den Jahren 1926 bis 1953. Sie berichten von den dramatischen Auswirkungen der Kriegshandlungen in Köln und verdeutlichen zugleich, unter welchen Umständen viele der ausgestellten Funde in den Boden gelangt sind. Grabungsarbeiten, Bergungen und Ausstellung wurden in großem Umfang vom wissenschaftliche Team der Archäologischen Zone (mehr) unterstützt.

 

Will Lammert Sitzendes Mädchen, 1913, Bronze, Sammlung Osthaus Museum Hagen, Fotografie: Tobias Roch

 

Marg Moll Tänzerin, um 1930, Zustand nach Reinigung 10/2010, Messing, Höhe: 65 cm, © Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Achim Kleuker 

 

Emy Roeder Schwangere,1918, Zustand nach Reinigung und Anfügung einiger Fragmente 10/2010, Terrakotta, Fragment, ursprüngliche Höhe: 80,5 cm, © Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Achim Kleuker, Berlin
 

Ruinen der Berliner Königstraße 1946. Die Fundstücke überdauerten die Jahrzehnte im Bombenschutt des Wohnhauses Königstraße 50. © Staatliche Museen zu Berlin

Berliner Funde „Der Berliner Skulpturenfund. ‚Entartete Kunst‘ im Bombenschutt“ ist die andere zeitgleiche Ausstellung; sie wird vom Museum für Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin im Rahmen einer Wanderausstellung auch in Köln präsentiert. Als im Jahr 2010 bei einer archäologischen Grabung im Vorfeld von U-Bahn-Arbeiten vor dem ´Roten Rathaus´ Skulpturen der klassischen Moderne gefunden wurden, sorgte dies für gewaltiges Aufsehen in der nationalen wie internationalen Presse.
     Nachdem feststand, dass es sich bei den 16 Stücken um von den Nationalsozialisten als „Entartete Kunst“ diffamierte, aus deutschen Museen entfernte und seitdem vermisste Kunstwerke renommierter Bildhauer handelte, wurde aus dem Fund eine international beachtete „Sensation“. Das NS-Regime hatte die Skulpturen beschlagnahmt und unter dem Schmähtitel „Entartete Kunst“ ab 1937 in verschiedenen Präsentationen propagandistisch öffentlich zur Schau gestellt und verhöhnt. Für die spektakulären Objekte etablierte sich nach ihrer Ausgrabung schnell der Begriff "Berliner Skulpturenfund". Selten, so hieß es in Museums- und Fachkreisen, ließe sich „zeitgenössische“ Archäologie so aufregend und gegenwartsnah erleben.
     Die Kunstwerke wurden zwischen 1918 und den frühen 1930er Jahren geschaffen und gehörten in die bedeutendsten deutschen Kunstsammlungen, wo sie nur wenige Jahre ausgestellt worden waren. Ihre Entdeckung und Ausgrabung an einem nicht bekannten und nicht vermuteten Aufbewahrungsort hat auch der Archäologie des 20. Jahrhunderts neue Aufmerksamkeit verschafft. Vor allem ist damit die Kunstgattung Skulptur im Rahmen der "Entarteten Kunst" in den Blickpunkt geraten, in dem bislang stets die Malerei stand.

 

 Die Werke waren unterschiedlich stark beschädigt, was auf Brände nach der Bombardierung 1944 zurückzuführen ist. Die Bronzeskulpturen stammen unter anderen von Edwin Scharff (Anni Mewes 1917/21), Gustav Heinrich Wolff (weiblicher Akt 1925) und Fritz Wrampe (Reiter 1933/34); die Terrakotten von Emy Roeder (Schwangere 1918) und Otto Freundlich (Kopf 1925), die Steingussfiguren von der Niederrheinerin Milly Steger (Kniende, vor 1915) und Karel Niestrath (Die Einfältigen und Frommer Mann 1924).

bra/K2M

 

Die Ausstellungen "Archäologie der Moderne in Köln" und "Berliner Skulpturenfund `Entartete Kunst im Bombenschutt´" werden bis zum 26. April 2015 gezeigt.
Römisch-Germanisches Museum (RGM)
Roncalliplatz 4
50667 Köln
Tel. 0221 / 22124438
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 17 Uhr
MO geschlossen

 

 

 

 

 

 

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