rheinische ART
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rheinische ART 06/2013

 

ARCHIV 2013

Dialog von Architektur und Landschaft als Inszenierung

 

Mies am Green

 

Wenn eine Stadt mit Kulturgrößen wuchern kann, dann sollte sie es tun. Krefeld, wo so viele Bauten des Stararchitekten Ludwig Mies van der Rohe stehen wie in keiner anderen deutschen Stadt, macht es. Dort ist - wenn auch nur temporär und als begehbares Modell - ein Architektur-Highlight realisiert worden, dass sein Schöpfer mangels Finanziers vor 83 Jahren nur als Entwurf auf das Reißbrett brachte: Mies van der Rohes Vereinshaus für den Krefelder Golfclub.

 

Animation nach Entwürfen aus dem Jahre 1930: Das Clubhaus des Golfvereins Krefeld von Mies van der Rohe ©Robbrecht en Daem architecten, Gent/Belgien

 

DER GEBÜRTIGE Aachener und später in die USA übergesiedelte Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe (1886-1969) hatte am nördlichen Stadtrand von Krefeld, auf einer Endmoräne am Egelsberg, eine kreuzförmige Anlage von circa 80 mal 80 Metern für das Clubhaus geplant. Klassisch in der ihm eigenen stilistischen „Weißen Moderne“: spektakulär, elegant, minimal, flach, kühl, schön, in das Grün der Umgebung integriert. Ein Bauwerk, dass die großbürgerliche, weltoffene und sportorientierte Lebensweise seiner Nutzer schon auf dem Papier ausstrahlte. Es wurde nie gebaut.

 

Während der Bauphase. Das Clubhaus aus der Vogelperspektive © F. Werthebach

 

Ein Haus in Stahlskelettbauweise. Die Säulen sind mit Chromblech ummantelt. ©Robbrecht en Daem architecten

 

Die Verzahnung von Innen und Außen wurde von Mies van der Rohe früh gedacht ©Robbrecht en Daem architecten

 

Pläne aus dem Nachlass

 

Jetzt gibt es ein 1:1-Modell an Fairway und Green. Initiator dieses ungewöhnlichen wie einzigartigen Projektes ist der Verein „Mies van der Rohe in Krefeld“ (MIK). Als Grundlage für das Golfclub-Modell dienen nach Angaben des Vereins die von Mies als „endgültiger Entwurf“ bezeichneten Pläne, die sich in seinem Nachlass im Museum of Modern Art (MoMA) in New York befinden. Mies konzipierte für den seinerzeit neu gegründeten Golfverein ein Clubhaus in Stahlskelettbauweise ohne tragende Wände. Durch pointiert mit Chromblech ummantelte kreuzförmige Säulen machte er in einem Teil des Gebäudes das Raster der Stahlstützen sichtbar – ähnlich wie bei seinen berühmten Entwürfen für die Villa Tugendhat 1930 in Brünn (Tschechien) und für den deutschen Barcelona-Pavillon auf der Weltausstellung 1929. Einige der architektonischen Elemente, die Mies van der Rohe berühmt machen sollten, sind bereits in dem frühen Entwurf gedacht: dazu gehören die Öffnung zur Landschaft hin, die Aufhebung der strikten räumlichen Abgrenzung und damit die Begegnung von Innen und Außen.


Modell 1:1


Das begehbare Architekturmodell, das offiziell als Skulptur angesehen wird, hat wie das nie realisierte Original eine Grundfläche von rund 1800 Quadratmetern, besteht aus Stahlträgern und Sperrholzwänden, hat keine verglasten Fenster und keine Türen, keinen durchgängigen Betonboden und so gut wie keine Innenausstattung. Er steht unweit des ursprünglich von Mies 1930 ausgewählten Standorts am Golfareal. Interessierte können das Modell, das den Ausstellungstitel „Mies 1:1 – Das Golfclub-Projekt“ trägt, besuchen. Nach der Ausstellung wird die Konstruktion abgebaut und das recycelte Material kann, so sehen es Planungen vor, von Design- und Architekturstudenten für eigene Bauprojekte verwendet werden.

 

Ikonen Neuen Bauens

 

Ludwig Mies van der Rohe © Bauhaus-Archiv Berlin / Museum für Gestaltung

 

Der Verein MIK kümmert sich auch um die anderen Mies-Objekte der Stadt. Sie entstanden zwischen 1930 und 1937 aus einer Auftragsserie für die Krefelder Seidenfabrikanten und Kunstmäzene Hermann Lange und Josef Esters. Es sind die beiden benachbarten Unternehmervillen Haus Lange und Haus Esters, die heute als Ausstellungsräume für zeitgenössische Kunst dienen (mehr). Ferner das Industriegebäude der Vereinigten Seidenwebereien AG (Verseidag) und das extravagante moderne Haus Heusgen, von dem unklar ist, ob es auf Pläne von Mies zurückgeht. Haus Lange und Haus Esters gehören neben dem berühmten Barcelona-Pavillon, einem Wohnkomplex in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung und der Villa Tugendhat zum Frühwerk des deutsch-amerikanischen Architekten.
In Krefeld war Mies in den 1930er Jahren besonders engagiert tätig. Neben dem Golfclub gab es dort zwei weitere nicht realisierte Bau-Entwürfe von ihm: das Privathaus des Unternehmersohns Ulrich Lange und das Verwaltungsgebäude der Verseidag von 1937. Insgesamt sind nur wenige Gebäude dieses überragenden Architekten der Moderne in Europa erhalten.
   Ergänzend zu den Bauentwürfen lieferte Mies für die Krefelder Seidenproduzenten Messestände und -ausstattungen; er entwarf Möbel (Barcelona-Sessel) und gestaltete gemeinsam mit der Innenarchitektin Lilly Reich für die Modemesse Die Mode der Dame 1927 in Berlin das berühmte „Café Samt und Seide“, ein Messetreffpunkt und Repräsentationsraum des Krefelder Seiden-Industrieverbandes. Überhaupt war die niederrheinische Stadt in jenen Jahren ein Hort kunstsinniger und der architektonischen Avantgarde aufgeschlossener Industrieller, wie die erhaltene Villa des Expressionismus-Baumeisters Hans Poelzig (mehr) für den Krefelder Textilfabrikanten und Kunstsammler Fritz Steinert belegt.
   Für die Ausführung der nun erlebbaren „temporären Architektur“ konnte der Verein das international bekannte belgische Architektenbüro Robbrecht en Daem, Gent, gewinnen. Das mit zahlreichen internationalen Auszeichnungen bedachte Büro hatte bereits für die Documenta IX in Kassel (1992) die Ausstellungspavillons entworfen.


Das Clubhaus-Modell dient bis zum September zeitweise als Plattform für Symposien, Workshops und Kulturveranstaltungen. Das Symposium Erinnerung und Identität (14. Juli 2013) beschäftigt sich mit der Bedeutung von Erinnerung für die Entstehung urbaner und kultureller Identität. Die Veranstaltung Das Modell (15. September 2013) setzt sich mit dem Modell als künstlerische Strategie auseinander.
Claus P. Woitschützke

 

LUDWIG MIES VAN DER ROHE
MIES 1:1 Das Golfclub Projekt
EIN BEGEHBARES ARCHITEKTURMODELL
AUSSTELLUNG IN KREFELD, EGELSBERG

26. MAI - 27. OKTOBER 2013


Kuratorin: Christiane Lange, Krefeld
Künstlerische Leitung:
Robbrecht en Daem architecten, Gent

Veranstalter: Projekt MIK e.V.

 

Finanziert wird das außergewöhnliche Architektur-Projekt durch die Förderung der Kulturstiftung des Bundes, der Kulturstiftung der Sparkasse Krefeld sowie durch private Spenden. Das Begleitprogramm wird gefördert von der Gerda-Henkel-Stiftung, dem Goethe Institut Chicago, der Chicago Architecture Foundation, der Mies van der Rohe Society und dem M:AI, Museum für Architektur und Ingenieurkunst.