Archiv 2022
GRABKULTUR
De kölsche Siel
hat ein Sehnsuchtsziel
Von Simon Hopf
Der Greven Verlag hat mit „Mein Melaten“ aus der Feder von Barbara Schock-Werner dem berühmten Kölner Friedhof erneut ein Buch gewidmet.
Ruhestätte mit auffälligem Charakter. Das Grab des Kölner Schauspielers, Moderators und Komikers Dirk Bach (1961–2012) Bild © Greven Verlag Köln, Nina Gschlößl |
Ob kunsthistorisch bedeutsam, gestalterisch bemerkenswert, stadt- und familiengeschichtlich wichtig oder einfach nur skurril: Die vorgestellten Gräber sind alle einer eigenen Betrachtung wert. Wer das Buch zur Hand nimmt, sollte sich nach oder noch während der Lektüre selbst einmal auf den Weg machen, um die Besonderheiten Melatens zu erkunden.
Buchtitel „Mein Melaten“. Bild © Greven Verlag Köln
Grabstein der „Königin des Mottolieds“ Marie-Louise Nikuta (1938-2020). Die Mundartsängerin und -komponistin war eine feste Größe im Kölner Karneval. Bild © Greven Verlag Köln, Nina Gschlößl
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Kann es etwas Schöneres geben, als über einen Friedhof zu flanieren? Es kommt – wie so oft im Leben – ganz darauf an. Für Barbara Schock-Werner jedenfalls waren diese Spaziergänge, wie sie in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger bekannte, absolute Stimmungsaufheller in den dunklen Zeiten der Corona-Pandemie.
Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin hat diese Besuche in einem Buch verewigt, „Mein Melaten“, das jetzt im Greven Verlag erschienen ist und als persönliche Annäherung an ein Phänomen zu verstehen ist. Denn nichts anderes ist Melaten: ein Phänomen. Wie so vieles in Köln.
Der Riesenfriedhof westlich der Innenstadt mit seiner etwas mehr als 210-jährigen Geschichte gehört sicher zu den Top-Sehenswürdigkeiten der rheinischen Metropole, ist aber wohl trotz aller Bekanntheit bis heute vor allem eine kölnische Angelegenheit geblieben (mehr).
Generationen ehrbarer, mitunter auch nur scheinbar ehrbarer (Kölner) Bürger haben ihren physischen Lebensweg als „schöne Leich“, wie es in Wien heißt, auf Melaten vollendet.
Der Gottesacker ist dadurch zu einem Geschichtsort geworden, der seinesgleichen sucht. Dies hat er, zugegeben, mit vielen Friedhöfen auf der Welt gemein. Das kölsche Kolorit hingegen gibt diesem Ort etwas Unverwechselbares.
Grabanlage der Kölner Bankiersfamilie Herstatt. Seit Friedrich Peter Herstatt (1775-1801) werden alle Nachkommen bis zum heutigen Tage auf Melaten beerdigt. Bild © Greven Verlag Köln, Nina Gschlößl
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Nun ist „Mein Melaten“ kein Buch, in dem zuverlässig nur jene „Promis“ und ihre Mausoleen, Grüfte oder Grablegen in den Blick genommen werden, die einem als Kölner oder Köln-Interessierter vielleicht sofort in den Sinn kommen.
Barbara Schock-Werner, die in Köln bei vielem mitmischt, was Stadthistorie und Denkmalschutz betrifft, hat sich Melaten auf ihre Art angenähert. Nicht aus dem Bauch heraus, sondern inspiriert von der Grabmalgestaltung und/oder den Lebensgeschichten der dort Beigesetzten hat sie sich ans Werk gemacht.
Sektion für Sektion hat sie Gräber in den Blick genommen, insgesamt 170 an der Zahl. Und so begegnen einem im Laufe des fotografisch-literarischen Streifzugs ein Theaterschuhmacher ebenso wie – siehe oben – die Königin des Kölner Motto-Lieds, Ikonen des deutschen (Nachkriegs-) Films und die Schwiegertochter des Dichterfürsten Friedrich Schiller. Auch der bis heute besungene „Lehrer Welsch“ wird gewürdigt, ebenso wie „Toi & Moi“ und ein passionierter Kneipengänger, dessen Leidenschaft in Stein gemeißelt wurde.
Barbara Schock-Werner (Text) / Nina Gschlößl (Fotografien)
Mein Melaten. Greven Verlag, Köln,
448 Seiten, 318 Abbildungen, mit detailliertem Lageplan
aller 170 Gräber auf der Rückseite des Buchumschlags.
ISBN 978-3-7743-0943-2. Preis: 32,00 Euro