rheinische ART
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rheinische ART 12/2011

 

Archiv 2011: aus "Kultur und Geschichte

Wiedergeburt einer archäologischen Sammlung

 

Entdeckung der monumentalen Grabfigur am 12. März 1912
© Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung, Köln

Max von Oppenheim neben seiner „thronenden Göttin“, einer 3000 Jahre alten Grabfigur
Tell Halaf-Museum, Juli 1930
© Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung, Köln

Der Messjunge Holasch vor einem der beiden Skorpionenvogelmänner, Tell Halaf 1912/13
© Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung, Köln

Oppenheims

 

Götter vom

 

Halaf-Hügel

 

Sie war vor über 80 Jahren bei ihrer ersten Museumspräsentation in Berlin eine Sensation und ist es heute erneut: die archäologische Sammlung des rheinischen Ausgräbers und leidenschaftlichen Orientalisten Max Freiherr von Oppenheim. Über 3000 Jahre alte aramäische Skulpturen und Reliefs aus dem Fürstenpalast von Tell Halaf im ehemaligen Mesopotamien, sämtlich im Zweiten Weltkrieg in Berlin zerstört und als „totaler Kriegsverlust“ verbucht, sind nach neunjähriger Restaurierung erstmals wieder zu sehen. Das Berliner Pergamonmuseum zeigt die Schätze in einer bemerkenswerten Schau.

 

WÄHREND einer Orientexpedition 1899 entdeckt der Kölner Bankierssohn und Diplomat Max Freiherr von Oppenheim (1860-1946) am Siedlungshügel Tell Halaf im heutigen Nordost-Syrien einen aramäischen Fürstensitz mit Grabgrüften aus dem frühen 1. Jahrtausend v.Chr. Die Artefakte, einzigartige monumentale Götterstatuen, wundersame Wesen wie die Skorpionenvogelmänner, rund 200 Reliefplatten (Orthostaten) mit Jagd- und Tierkampfszenen sowie Goldschmuck, legen Zeugnis ab von einer beinahe vergessenen Kultur und Lebensweise im Land zwischen Euphrat und Tigris.

 

Jurist und Grabungsautodidakt

 

Wer war der Mann, dessen archäologischer Fund nahe der Grenze zur heutigen Türkei einst in einem Atemzug mit Schliemanns Troja-Grabungen genannt und als Weltsensation gefeiert wurde? Max von Oppenheim, 1860 in Köln geboren, entstammt einer einflussreichen rheinischen Bankiersfamilie.

   Nach Schuljahren in der Domstadt studiert er Jura in Straßburg und Berlin, kann sich jedoch nicht entschließen, das familieneigene Bankhaus zu übernehmen und weiterzuführen. Eine Reise nach Vorderasien, die er 1883/1884 mit einem Onkel unternimmt, bringt ihn mit dem Orient in engen Kontakt und vertieft seine Leidenschaft für alles Arabische. Als späterer Legationsrat am Kaiserlichen Generalkonsulat in Kairo kann er seine Passion für das Morgenland ausleben und die Kulturgeschichte und die arabische Welt studieren.

   Bei Planungs- und Trassierungsarbeiten für die im Bau befindliche Bagdad-Bahn geben Beduinen dem Abenteurer von Oppenheim 1899 Hinweise auf die Siedlungsanlage. Bei ersten gezielten Grabungen stößt von Oppenheim auf die aramäisch-assyrische Residenz Tell Halaf. Es handelt sich um eine Zitadelle mit zwei monumentalen Palästen sowie mehreren Grüften, die bislang nie gekannte bildliche Darstellungen enthalten. Der archäologische Autodidakt vom Rhein wird zum Ausgräber, Forscher, Entdeckungsreisenden, Wissenschaftler und letztlich auch Museumsgründer. Doch die tatsächliche Bergung und archäologische Erfassung der Fundstücke erfolgt, bedingt durch fehlende Genehmigungen, erst ab 1912. Und die Ausfuhrgenehmigung für die einzigartigen Skulpturen wird von Oppenheim durch die Wirren des Ersten Weltkriegs gar erst um 1927 erteilt.

 

Die kleine Sortierhalle in Berlin-Friedrichshagen, März 2003 © Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Olaf M. Teßmer

Oppenheims „thronende Göttin“: Grabfigur nach der Zusammensetzung aus über 1000 Bruchstücken, 2010
© Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Olaf M. Teßmer

Große Reliefplatte vom Eingang des Westpalastes
© Staatliche Museen zu Berlin, Foto: Olaf M. Teßmer

Museumsgründer

 

Zu seinem 70. Geburtstag am 15. Juli 1930 kann der rheinische Freiherr die Schätze aus dem Fürstenpalast schließlich in dem von ihm privat gegründeten „Tell-Halaf-Museum“ in Berlin-Charlottenburg ausstellen. Das Haus erlangt schnell nationale und internationale Beachtung. Zahlreiche prominente Zeitgenossen sind in jener Zeit Gäste, unter ihnen der irakische König Faisal I., der irische Literat Samuel Barclay Beckett und die englische Schriftstellerin Agatha Christie. Während des Zweiten Weltkriegs wird die Oppenheim-Kollektion bei Bombenangriffen 1943 völlig zerstört. Große Teile verbrennen, eine Restaurierung der Basaltskulpturen wird als undenkbar angesehen. Erst 2002 kann mit der Aufarbeitung von 27.000 erhaltenen Einzelteilen begonnen werden, die letztendlich nach neun Jahren zur Wiederherstellung sämtlicher Bildwerke sowie einer umfangreichen Sammlung von Architektur- und Werksteinen führt. Die Arbeiten galten weltweit als das größte archäologische Restaurierungsprojekt der vergangenen Jahrzehnte.

   Unter dem Titel „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf“ ist die großartige Oppenheim-Sammlung nun im Vorderasiatischen Museum im Nordflügel des Pergamonmuseums in Szene gesetzt worden. Durch ein besonderes Lichtkonzept kommen die Monumentalstatuen und Reliefplatten in ihrer ursprünglichen Pracht zur Geltung. Es sind Werke von großer Schönheit und Ausstrahlung. Persönliche Gegenstände Max von Oppenheims sowie Film- und Fotodokumente erinnern an den Museumsgründer und Orientalisten.

Klaus M. Martinetz

 

Erst nach dem Fall der Mauer und der deutschen Wiedervereinigung konnte die in Köln ansässige Max Freiherr von Oppenheim-Stiftung die im Keller des Pergamonmuseums aufgefundenen Trümmerteile vom Tell Halaf sichten. Die Restaurierungschance der zerstörten Statuen und Reliefs war ausschlaggebend für die Verhandlungen zwischen der Oppenheim-Stiftung als Eigentümer der Fragmente und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Verwahrer. Mit Fördermitteln der Sal. Oppenheim-Stiftung, der Alfred Freiherr von Oppenheim-Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Auswärtigen Amtes und der Staatlichen Museen zu Berlin konnten die als unwiederbringlich verloren geglaubten Bildwerke wieder hergestellt werden.

Die restaurierte Fassade des aramäischen Fürstenpalastes von Herrscher Kapara (ca. 9. Jh. v.Chr.) wird nach den Plänen des Kölner Star-Architekten Oswald Mathias Ungers (1926-2007) den neuen Eingang zum Vorderasiatischen Museum im Pergamonmuseum bilden. Dies entspricht dem Wunsch Max von Oppenheims nach einer ständigen Präsenz seiner Funde auf der Museumsinsel.

Neben dem Restaurierungsprojekt stellt das Pergamonmuseum auch die seit 2006 laufenden neuen Ausgrabungen am Tell Halaf vor. Im Rahmen interdisziplinärer Arbeiten von Archäologen und Naturwissenschaftlern sollen bislang nicht hinreichend beantwortete Fragen zur Siedlungschronologie und -struktur und zur Rolle des Tell Halaf in der kunsthistorischen Entwicklung Vorderasiens beantwortet werden. Die neuen Grabungen führen die Staatlichen Museen zu Berlin und die Direction Générale des Antiquités et des Museés Damaskus in Kooperation mit den Universitäten Halle und Tübingen durch.

 

 

Ausstellungsdauer: 28. Januar bis 14. August 2011

Pergamonmuseum
Staatliche Museen zu Berlin

Museumsinsel Berlin
Am Kupfergraben 5
10117 Berlin
Tel. 030 / 2090-5577

 

Öffnungszeiten:
Täglich : 10 – 18 Uhr
Außer Donnerstag 10 bis 22 Uhr

 

Führungen, Informationen und Tickets:
Besucher-Dienste der Staatlichen Museen zu Berlin
Genthiner Straße 38
19785 Berlin
MO- FR 9.00 bis 16.00 Uhr
Tel. +49 030 / 26642-4242

 

 

 

 

 

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