Archiv 2021
KIPPENBERGER
Bad Guy x zwei
Dieser Mann machte einfach alles, konnte alles, ein kreatives Multitalent. Ob gut oder schlecht – wer wollte das schon beurteilen? Vor allem aber: vielen war seine Kunst oft unverständlich und/oder lächerlich! Vermutlich hatte das alles Methode!
Riesen-Installation: Martin Kippenberger The Happy End of Franz Kafka’s ’Amerika’, 1994. Installationsansicht Museum Folkwang, Essen 2021 © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne Foto: Simon Vogel |
Vor 24 Jahren ist er verstorben. Martin Kippenberger (1953–1997) gehörte ohne Zweifel zu den talentiertesten, scharfsinnigsten, produktivsten und einflussreichsten deutschen Künstler seiner Zeit. Das waren die 1980er und 1990er Jahre.
Martin Kippenberger 1994 Foto: Wubbo de Jong / MAI (Maria Austria Instituut), Bildquelle © Museum Folkwang
|
Da posierte, schauspielerte, fotografierte, malte, musizierte das enfant terrible der deutschen Kunstszene ohne Rücksicht auf Verluste, riss Witze, schrieb auch noch Bücher und gestaltete Plakate.
Er arbeite daran, so wird er oft zitiert, „...dass die Leute sagen können: Kippenberger war gute Laune!“
In Essen sind ihm gleich zwei Ausstellungen gewidmet. Eine überaus raumgreifende ist im Museum Folkwang zu sehen. Da wird mit The Happy End of Franz Kafka’s ‘Amerika‘ sein nur selten gezeigtes, gleichnamiges „Opus magnum“ präsentiert. Eine Riesen-Installation in der beeindruckenden, Sportplatz-ähnlichen Dimension seiner „Urfassung“ von 1994, die im Rotterdamer Museum Boijmans Van Beuningen aufgebaut war. Und die macht in der Tat Laune.
Martin Kippenberger The Happy End of Franz Kafka’s ’Amerika’, 1994
|
Kippenberger, in Dortmund geboren und in Essen als Sohn eines Direktors der Zeche Katharina aufgewachsen, verbrachte mehrere Jahre mit den Vorbereitungen, Recherchen und Produktionsmaßnahmen für dieses letzte und größte Werk.
Auf einem 20 x 23 Meter großen Fußballfeld – flankiert von zwei Besuchertribünen – arrangierte er fünfzig Tisch-Stuhl-Ensembles zu einem kafkaesken Kommunikationsraum für eine aberwitzige Personal-Rekrutierung. Es ist ein improvisiertes Großraumbüro, das „als Schauplatz von massenhaften, gleichzeitig stattfindenden Einstellungsgesprächen“ dient. Das darin verborgene Thema Kippenbergers? Die Erfahrung „des Einzelnen, einer fremden und befremdenden Gesellschaft gegenüberzustehen und sich behaupten zu müssen.“
Martin Kippenberger Nicht wegwerfen! (Kann man noch für Nudelauflauf gebrauchen) Deutschland, Berlin,1980,
Martin Kippenberger Durch die Pubertät zum Erfolg, 1981
|
Neben Ikonen des Möbeldesigns und einfachen Fundstücken von Trödelmärkten integrierte er auf der grünen Spielfläche spezifische Anfertigungen und Objekte aus früheren Ausstellungen sowie Skulpturen, Videoinstallationen und Malereien zahlreicher befreundeter Kreativer.
Vielleicht ist es die mit Humor gepaarte Kompromisslosigkeit, so schrieb das Handelsblatt anlässlich einer Retrospektive in der Bundeskunsthalle, „die den´bad guy`des Kunstbetriebs zu einem der gefragtesten deutschen Gegenwartskünstler auf dem Markt gemacht“ habe.
Parallel zeigt die Kulturstiftung Ruhr in der Villa Hügel mit Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel rund 120 Künstlerbücher und 100 Plakate Martin Kippenbergers aus der Sammlung des Museum Folkwang.
Der Titel ist einer Schau Kippenbergers entlehnt, die 1996 in der Villa Merkel in Esslingen zu sehen war. Kippenbergers Künstlerbücher sind in der historischen Bibliothek, die Plakate in den ehemaligen Wohnräumen der Villa Hügel zu Gast.
Die experimentellen, höchst individuellen und mitunter provokativen Bücher des Multitalents stehen in wirkungsvollem Kontrast zu den klassischen Buchbeständen der Familie Krupp.
Die Präsentation der Plakate richtet den Blick vor allem auf die unterschiedlichen Formen der Selbstinszenierung des Performance-Akteurs, aber auch auf seine Stellung im Netzwerk mit befreundeten Kreativen aller Couleur. Für ihn waren Bücher und Plakate nicht nur eine Form der Dokumentation seiner Ausstellungen, sondern vielmehr ein demokratisches und leicht erschwingliches Mittel zur Verbreitung und Vervielfältigung seiner künstlerischen Ideen.
K2M
Die Ausstellungen The Happy End of Franz Kafka’s ‘Amerika‘ und Vergessene Einrichtungsprobleme in der Villa Hügel sind bis zum 16. Mai 2021 zu sehen.
Museum Folkwang
Museumsplatz 1
45128 Essen
Navigationsinformation: Bismarckstraße 60
Tel. 0201 / 8845 000
Öffnungszeiten (Bitte pandemiebedingt aktuell erfragen.)
DI, MI 10 – 18 Uhr
DO, FR 10 – 20 Uhr
SA, SO 10 – 18 Uhr
Villa Hügel
Hügel 1
45133 Essen
Navigationsinformation: Haraldstraße, 45133 Essen
Tel. 0201 / 61 62 90
Öffnungszeiten (Bitte pandemiebedingt aktuell erfragen.)
DI–SO 10 – 18 Uhr