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rheinische ART 07/2022

Archiv 2022

ZEITGESCHICHTE

Zeigen wie es war

 

Hat Luxemburg eine koloniale Vergangenheit? Diese Frage beschäftigt neuerdings nicht nur die Bewohner des kleinen Großherzogtums. Auch über seine Grenzen hinaus weckt das Thema Interesse.

 

Ein luxemburgischer Kolonialverwalter in einem Boot, das in den 1930er Jahren von kongolesischen Paddlern gesteuert wird. Bildquelle © MNHA Foto Tom Lucas © Privatsammlung

 

Der luxemburgische Staat war nie eine Kolonialmacht. Dennoch zogen Hunderte Männer und Frauen des Landes während des 19. und 20. Jahrhunderts in die Kolonien anderer europäischer Staaten, um dort zu leben und zu arbeiten. Besonders bevorzugt: Belgisch-Kongo.

 

Plakat für die Ausstellung über koloniale und exotische Kunst, die 1933 vom Cercle colonial du Luxembourg im Stadt-Palais organisiert wurde. Bildquelle © MNHA Foto © Les 2 Musées de la Ville de Luxembourg

 

Das Nationalmuseum für Geschichte und Kunst (MNHA) in Luxemburg Stadt zeigt aktuell in einer Sonderschau die Verstrickungen des Landes in der Kolonialzeit und legt dar, was luxemburgische Staatsangehörige dazu trieb, in auswärtige Territorien zu wechseln.
     Eines verdeutlich die Schau: Die Luxemburger waren keine Statisten, sondern verdingten sich als Soldaten, Ingenieure, Wissenschaftler, Geschäftsleute, Missionare und Missionarinnen. Und damit sie dies taten, wurde aktiv in der Heimat für den Kolonialdienst in Afrika geworben und angeworben.

 

Ein Status war besonders begehrt, nämlich der eines Kolonialbeamten in Belgisch-Kongo. Denn mit der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion ab 1922 wurden, wie es in der Ausstellung heißt, luxemburgische Staatsangehörige hinsichtlich des kolonialen öffentlichen Dienstes in Belgisch-Kongo den belgischen Staatsbürgern gleichgestellt.   

     Den Staatsdienst für das benachbarte Belgien konnten somit auch Luxemburger in der zentralafrikanischen Kolonie ausüben. Das hatte zur Folge, dass kurz vor der Unabhängigkeit der heutigen Demokratischen Republik Congo im Jahr 1960 fast 600 Luxemburger und Luxemburgerinnen in dieser Kolonie lebten. 

 

Blick in die Ausstellung. Exponat in der Vitrine: Spardose von Missionaren in Form eines afrikanischen Kindes, das mit dem Kopf nickt, wenn eine Münze eingeworfen wird. Bildquelle © MNHA, Tom Lucas

 

Werbebroschüre für Unternehmen, die in den Belgisch-Kongo exportieren wollten: Im Dienste des Kongo (Au service du Congo), 1955. Bildquelle © MNHA Foto Tom Lucas – MNHA Sammlung

 

Notre Congo Unser Kongo, Album von  Chromolithographien der belgischen Schokoladenfabrik Chocolat Jacques, 1948 (mehr), mit der Abbildung von Leopold II, Bildquelle © MNHA Foto © Collection priveé

 

Die Sonderausstellung gibt einen erstaunlich detaillierten Überblick über die wenig bekannte koloniale Vergangenheit des Großherzogtums.

     Die Beteiligung luxemburgischer Siedler bei Landnahmen, das Verdingen als Söldner in fremden Kolonialtruppen, die Eroberung von Territorien und die wissenschaftliche Erforschung außereuropäischer Gebiete unter Mitwirkung luxemburgischer Gelehrter werden genauso thematisiert wie die handfesten wirtschaftlichen Interessen Luxemburger Unternehmen.

 

Die ökonomische Ausbeutung von Belgisch-Kongo und die grausame Unterdrückung ihrer Bevölkerung unter dem royalen Terror-Regime des belgischen Königs Leopold II. (1885-1908) sind als „Kongogräuel“ in die Geschichte eingegangen (mehr).

     Der Brüsseler Monarch beherrschte als Privatbesitz den Kongo fast ein Vierteljahrhundert lang und war verantwortlichen für den Tod von bis zu 10 Millionen Afrikanern. Leopolds menschenverachtende Herrschaft wird heute zu den größten Verbrechen der modernen Kolonialgeschichte gerechnet. Als diese verheerenden Zustände schließlich öffentlich wurden, war das weltweite Entsetzen groß.

     Der Staat Belgien übernahm 1908, ein Jahr vor des Regenten Tod, die Regie über die Kolonie und nannte sie bis zur Unabhängigkeit 1960 Belgisch-Kongo. Seine Fläche überstieg die von Belgien um das 80-fache.


Die Ausstellung zeigt zahlreiche Zeugnisse aus privaten und institutionellen Sammlungen in Form von Objekten, Kunstwerken und Fotos, bunten Werbebroschüren und Presseartikeln.

     Durch die Erinnerung an geschichtliche Fakten und die Präsentation von diversen Lebensläufen Luxemburger Akteure während der Kolonialzeit verdeutlicht das MNHA die Komplexität der kolonialen Beziehungen und stellt fest, „dass auch Luxemburg eine koloniale Vergangenheit hat“. Es ist nicht nur ein kritischer Blick auf die eigene Geschichte, sondern auch eine auf die unrühmliche europäische Vergangenheit.
rART/K2M


Die Ausstellung „Luxemburgs koloniale Vergangenheit“ (Le passé colonial du Luxembourg) wird bis zum 6. November 2022 gezeigt
Musée national d'histoire et d'art (MNHA)
Marché-aux-Poissons
L-2345 LUXEMBOURG
Tel +352 47 93 30 – 1
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr
DO 10 – 20 Uhr freier Eintritt

 

 

 

 

 

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