COMICS
Frauen-Power
Zahlreiche Comics und Graphic Novels widmen sich der Frauenbewegung, dem Geschlechterkampf und der Gleichberechtigung. In Oberhausens Ludwiggalerie werden Arbeiten aus weiblicher Sicht präsentiert.
Paulina Stulin Freibad 2022 © Paulina Stulin. Bildquelle Ludwiggalerie Oberhausen. Szene aus dem gleichnamigen Comicbuch. Wem gehört das Bad und wer bestimmt die Regeln? Reibereien, eine überforderte Bademeisterin, dazu noch eine Gruppe komplett verhüllter Frauen, die das Frauenbad begeistert für sich entdeckt. Da fliegen buchstäblich die Fetzen. |
Die Ausstellung Aus der Rolle gefallen zeigt ausschließlich Comic-Werke von fünf deutschen Zeichnerinnen.
Anhand individueller Stile und Formate visualisieren sie aus dem Leben gegriffene Geschichten aus der weiblichen Perspektive. Mit nicht selten entwaffnender Klarheit!
Lisa Frühbeis Busengewunder, 2020 © Lisa Frühbeis / Carlsen Comics. Bildquelle Ludwiggalerie Oberhausen
Julia Bernhard Wie gut, dass wir darüber geredet haben, 2019 © Julia Bernhard. Bildquelle Ludwiggalerie Oberhausen
|
Die Comic- und Cartoonkunst, daran sei erinnert, ist sehr viel mehr als Zeichnerei! Sie ist vielfältiges Ausdrucksmittel, mit dem in mehrteiligen Bildergeschichten (Comic), in einzelnen humoristischen Illustrationen (Cartoon) oder in der Buchform der Graphic Novel, Lebenssituationen aus dem familiären, gesellschaftlichen oder politischen Alltag kritisch auf den Leib gerückt werden kann.
Es gehört schon fast zum Programm der Ludwiggalerie, hin und wieder Ausstellungen mit derartigen Exponaten zu bespielen (mehr). Nun also einmal eine rein weibliche Comic-, Cartoon- und Graphic Novel-Schau.
Die fünf Schöpferinnen der Zeichnungen heißen Franziska Becker, Julia Bernhard, Lisa Frühbeis, Mia Oberländer und Paulina Stulin.
Sie nähern sich den Sujets in ihren Bilderzählungen auf einzigartige Weise: Farbenfroh und voluminös, karg oder mit aufwendiger Koloration, mit kräftigen oder weichen Linien und markanter ausdruckstarker Mimik. Alles ist vertreten.
Die Schau stellt eindeutig klar: Schönheitsideale, Sexualität und das Verhältnis zum eigenen Körper, soziale Tabus, Geschlechterklischees, Identität, Gleichberechtigung, Generationskonflikte und Beziehungen, das Empfinden von (Ohn-)Macht, Scham und Entscheidungsfreiheit – nach mehr als hundert Jahren Frauenbewegung sind diese Themen (leider) immer noch hochaktuell.
Franziska Becker Ohne Titel Bildquelle © Ludwiggalerie Oberhausen |
Die Protagonistinnen in den Bildgeschichten und Zeichnungen brechen aus den tradierten Rollenmustern aus und hinterfragen damit gesellschaftliche Erwartungshaltungen an die Frau. Mit scharfem Blick und beeindruckender Leichtigkeit setzen die Zeichnerinnen Alltagsprobleme ins Bild und treiben das Spiel mit Geschlechterrollen humorvoll auf die Spitze, wie die Galerie betont.
Paulina Stulin Bei mir zuhause, 2020 © Paulina Stulin. Bildquelle Ludwiggalerie Oberhausen
Mia Oberländer Anna 2021. © Edition Moderne. Bildquelle Ludwiggalerie Oberhausen
|
Paulina Stulin etwa widmet sich unter anderem dem Mikrokosmos „Freibad“ und verhandelt darin Themen der sozio-kulturell sehr vielfältigen Gesellschaft (siehe Bild oben). Die Frage, wie Frauenrechte verteidigt und weiter erstritten werden, stehen dabei ebenso im Vordergrund wie Generationskonflikte oder kulturelle und religiöse Unterschiede.
Im „Freibad“ badet frau oben ohne, manche im Bikini, andere in Badeanzug oder Burkini. Jede folgt dabei anderen Regeln.
Stulins Zeichnung stammt aus der Graphic Novel „Freibad“ und erzählt humorvoll von gesellschaftlichen Konflikten an einem Ort, wo man derartiges wohl am Wenigsten erwartet. In einem Freibad nur für Frauen! Es ist die Steigerung des eher bekannten Frauenschwimmens in der Frühe.
Also ein Sehnsuchtsort für Jung wie Alt, der Abkühlung, Spaß und ein Stück weit Freiheit bietet. Doch dem ist nicht so. Denn auch in einem Freibad lassen sich die Dynamiken der Gesellschaft und des Zusammenlebens nicht einfach ausknipsen.
Eine bemerkenswerte Ausstellung, die verdeutlicht, dass die weibliche deutsche Comic-Szene großartige Künstlerinnen aufweist und auch international längst ihre Leser- und Seherschaft hat.
bra
► Ein Freibad ohne Männer? Das gibt es in Deutschland nur einmal und heißt Lorettobad, lokalisiert im badischen Freiburg. In dem über 100 Jahre alte „Damen-Freibad“ sollen sich auch heute noch viele Frauen von der entspannten Atmosphäre angezogen fühlen, abgeschirmt von den Blicken der Herren der Schöpfung. Der Graphic Novel von Paulina Stulin wiederum liegt das Skript zu dem gleichnamigen Film von Doris Dörrie zugrunde.
Die Ausstellung Aus der Rolle gefallen Deutsche Comiczeichnerinnen im Blick kann bis zum 2. Februar 2025 besucht werden.
Ludwiggalerie
Schloss Oberhausen
Konrad-Adenauer-Allee 46,
46049 Oberhausen
Tel. 0208 / 4124928
Öffnungszeiten
DI - SO 11 - 18 Uhr
Literaturhinweis
Paulina Stulin. Freibad. Nach dem gleichnamigen Film von Doris Dörrie. Drehbuch von Doris Dörrie, Karin Kaçi, Madeleine Fricke. Jaja Verlag 2022. Hardcover, 296 Seiten in Farbe. ISBN 978-3-948904-38-8. Preis 29 Euro
Filmhinweis
Freibad von der Regisseurin Doris Dörrie ist eine deutsche Filmkomödie. Der Film feierte am 25. Juni 2022 im Rahmen des Filmfests München seine Premiere. Der Kinostart war am 1. September 2022. Der Film thematisiert kulturelle Akzeptanz und gesellschaftliches Miteinander.
Folgende Comics oder Graphic Novels könnten Sie auch interessieren:
► Graphic Novel Columbusstraße Düsseldorf hier
► Graphic Novel Mies van der Rohe. Die Mies-Story hier
► Hokusai Japans Seele entdecken hier
► Le Corbusier im Comic hier
► Polit Comic Bonn vor dem Deutschen Herbst hier