rheinische ART
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rheinische ART 04/2011

Archiv 2011: aus "Architektur"


Die Stadt als Erfolgsgeschichte

 

 

 

Von

 

Wohnmaschinen

 

und

 

Altstadtidyllen

 

 

 

Die Zukunft ist urban! Soviel ist gewiss. Aber wie sehen unsere Städte in Zukunft aus, welche Entwicklungen werden sie durchlaufen? Werden sie lebens- und liebenswert bleiben und ihre Bewohner sich mit ihnen identifizieren können? „Wir müssen lernen, was Stadt ist und bedeutet“ - diese These vertritt ein Herausgeber-Quartett in der jüngst erschienen Fachpublikation „Perspektive Stadt“.

 

Kreative und Medien statt Kaiumschlag und Massengut. Neue Lebens- und Arbeitsräume am Strom: Der Medienhafen in Düsseldorf

 

Innenstädte als Kulturmagnet: Kölner Dom und Museum Ludwig

 

SEIT JEHER verbinden die Menschen mit dem Begriff der Stadt die Hoffnung, in dieser Ansammlung von Gebäuden, Plätzen, Straßen und Gassen als „Städter“ ein sicheres und besseres Leben führen zu können: befreit von ökonomischen, politischen und sozialen Einengungen. Zuwanderung war bereits immer der Motor von Stadtwerdung und Stadterhaltung. Und es ist schon beim großen Nationalökonom Max Weber nachzulesen, wie stark der mittelalterliche Rechtsgrundsatz „Stadtluft macht frei“ als Transmissionsriemen für die Städte wirkte. Bot der Grundsatz doch dem Unfreien, dem Leibeigenen, die Chance, sich von seinem Herrn und damit von Leibeigenschaft und Frondiensten zu lösen, wenn er „Jahr und Tag“, d.h. ein Jahr und einen Tag, in einer freien Reichsstadt gelebt hatte.

 

Stadt im Wandel der Zeit

 

Was bieten unsere Städte, was kennzeichnet sie und - vor allem - wie ist ihr Zustand? Sind es reine Horte der Anonymität, verarmt, überschuldet, durch Lärm, Staus und Abgase im Inneren schwer umweltbelastet und bar jeder Lebensqualität? Sind sie jene die Vereinsamung fördernden Häusermoloche mit Wohnmaschinen im Sinne des berühmten Architekten Le Corbusier, der vor sechs Jahrzehnten angesichts neuer Lebensweisen eine radikale Änderung der Architektur und des Städtebaus forderte, sein Credo: alle Altstädte einreißen und die Menschen in funktionale Wohnmaschinen – sprich Hochhäuser – umsiedeln. Oder sind es eher reiche, faszinierende, architektonisch bestechende multikulturelle Schmelztiegel; attraktive Job- und Kulturmaschinen mit hohen sozialen und physischen Umweltstandards? Irgendwie trifft von allem etwas zu. Man kann sich auch einfach nur die Frage stellen: Macht es Spaß in ihnen zu wohnen?

   In „Perspektive Stadt“ greifen zahlreiche namhafte Autoren derartige Fragen auf. Unter ihnen renommierte Fachleute wie der Zukunftswissenschaftler Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Geograph Prof. Dr. Claus-C. Wiegandt, der Stadtbauhistoriker Prof. Dr. Helmut Böhme und der ehemalige nordrhein-westfälische Familien- und Integrationsminister Armin Laschet.

Alt und Neu: bürgerliche Gründerzeithäuser in der Bonner Südstadt und moderne Verwaltungsarchitektur, Beispiel Post-Tower

 

Pitoreske Altstadtidylle oder Sanierungsfall?

 

   Die 30 Fachartikel des Buches behandeln Themen wie bürgerliches Wohnen, demographischer Wandel, Globalisierung, die Entwicklung der Innenstädte sowie auch Klimaschutz, Assimilation und Integration. Es mangelt dabei nicht an kritischen und glasklaren Analysen städtischer Konfliktpunkte. Ob aktuelle Probleme des Einzelhandel in verödeten Innenstadtlagen, gesündere Mobilität durch weniger Verkehr, Stadtmarketing, Nutzungsmischung, Stadtumbau und -entwicklung, randstädtische Trabantensiedlungen, Finanzschwäche und Immobilienmärkte: die Publikation deckt eine enorme Breite an urbanen Problemkreisen ab. Den Herausgebern ist es gelungen, nicht nur eine interessante aktuelle Bestandsaufnahme mit zahlreichen praktischen Beispielen zu liefern, sondern auch Entwicklungsperspektiven, Zukunftsprojekte und Visionen darzustellen. Ein detail- und bildreiches Fachbuch, das nicht nur für Stadt- und Raumplaner ein Gewinn ist, sondern auch für den fachinteressierten Städter oder den, der es werden will.

 

Aktive Bürger

 

Bemerkenswert sind die einleitenden Gedanken der Herausgeber. So heißt es im Vorwort: „Unter dem Eindruck, globalen Bedrohungen ohnmächtig ausgeliefert zu sein, schwindet die Bereitschaft, sich als Gemeinde den Herausforderungen von heute und der Zukunft zu stellen.“ Dieser Erkenntnis folgt die Forderung nach dem aktiven emanzipierten Bürger, nach solidarischem Handeln. Daher gilt als Strategie für das künftige Leben in einer verstädterten Welt nach Ansicht der Verfasser die Devise: „Der Stadt die Fähigkeit zu erhalten und sie immer wieder zu erneuern, die Kräfte ihrer Menschen, ihrer Unternehmen und Institutionen zu bündeln, muss Aufgabe aller werden.“

   Und trotz aller erkennbarer Unvollkommenheit unserer Städte heute wird zu recht die Frage gestellt: „Gibt es ein besseres Organisationsmodell als die Stadt, die ein Gerüst für die Aktivierung aller Kräfte zur Erlangung einer guten Zukunft bereit hält?“ So gesehen ist das 300 Seiten starke Werk ein Plädoyer für ein Leben in der Stadt und für aktive Bürger, die (mit)gestalten sollen, wie und wo sie in ihr leben möchten.

Claus P. Woitschützke

 

 

Die Herausgeber:
Prof. Dr. Rainer Danielzyk, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) und Lehrstuhlinhaber an der Universität Oldenburg
Prof. Dr.-Ing. Franz Pesch, Professor für Stadtplanung und Entwerfen am Städtebauinstitut (SI) der Universität Stuttgart.
Heinz Sahnen, NRW-Landtagsabgeordneter a.D. für die Stadt Neuss; von 2001 bis 2004 Mitglied in der Enquete-Kommission des Landtags NRW „Zukunft der Städte“.
Dipl.-Ing. Sigurd Trommer, von 1990 bis 2006 Stadtbaurat in Bonn; Geschäftsführer der Sientro GmbH und Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung.

 

Rainer Danielzyk, Franz Pesch, Heinz Sahnen, Sigurd Trommer (Hrsg.)
Perspektive Stadt
1. Auflage, 300 Seiten
Klartext Verlag Essen 2010

ISBN 978-3-8375-0256-5

 

 

 

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