Archiv 2014
HEINER ALTMEPPEN
Wirklicher als die Wirklichkeit
Die Fragen sind alt: Ist das ein Foto oder ein Gemälde? Ist es Tatsache oder Täuschung? Derartige Unsicherheiten - und die Antworten darauf - kann man derzeit im Museum Zitadelle Jülich erfahren. Landschaften in Bewegung titelt eine Ausstellung, die dem Schaffen des deutschen Malers Heiner Altmeppen gewidmet ist und eine aktuelle Werkgruppe zum Thema Landschaftswandel im Rheinischen Braunkohlerevier präsentiert.
Die Schau ermöglicht die Begegnung mit einem Künstler, der seit langem zu den markantesten Vertretern eines neuen Realismus (mehr) gehört. Es sind vor allem seine extrem detailliert ausgearbeiteten idealisierten Landschaften und wuchtigen Wolkenhorden, die auf den Betrachter eine nahezu magische Wirkung haben. Es ist eine Darstellungsform, die Altmeppen selbst in die Tradition der Malerei der Romantik stellt.
Kennern werden sogleich einige der Großformate vor das innere Auge treten, mit denen Heiner Altmeppen (*1951) in den letzten Jahrzehnten von sich und den dargestellten Gegenden reden machte: Die Norddeutsche Landschaft (1980/81) etwa mit ihren zwei mal anderthalb Metern, die Landschaft an der Emscher (1998/2008) oder die Deutsche Landschaft (1994/1998), die auf 190 zu 320 Zentimetern mit derselben Suggestivkraft einen realistisch-fantastischen Blick auf eine Szenerie gewährt, die ebensowenig „real“ existiert wie der Vulkankegel inmitten des Gemäldes.
Altmeppen setzt sich in seinen Werken vorrangig mit den von Menschen veränderten Landschaften auseinander. Dies geschieht nicht anklagend; eher fordert die motivische Verdichtung die Wahrnehmung des Betrachters heraus und regt zum Nachdenken an. Der eingefrorene Augenblick soll „wirklicher als die Wirklichkeit“ erscheinen, realistisch eben.
Rheinisches Revier Die Braunkohletagebaue im Städtedreieck Köln, Aachen und Düsseldorf stellen bekanntlich eine extreme Form der „anthropogenen Landschaftsveränderung“ dar. Dies zu dokumentieren und künstlerisch zu verarbeiten hat sich Altmeppen in den letzten Jahren als Aufgabe gestellt. Die großflächigen Tagebaue der Energieunternehmen stellen tiefe Eingriffe in die Umwelt und die Lebenswirklichkeit der dortigen Menschen dar. Orte werden umgesiedelt, Straßen verlegt, Flüsse umgebettet. Die bis zu 400 Meter tiefen Tagebaue schaffen ein neues Landschaftsbild. Jahrmillionen alte Erdschichten kommen zum Vorschein und bilden für kurze Zeit Sedimentstrukturen, die eine eigenständige Ästhetik ausstrahlen. Der gebürtige Emsländer Altmeppen ist von diesen „Landschaften in Bewegung“ fasziniert. Er legt großen Wert darauf, dass seine bisher entstandenen Gemälde Tagesanbruch bei Weisweiler (2013), Kleines Rasenstück bei Inden (2013) und Sternwarte in Pier (2014) keinen Beitrag zur Diskussion um das Für und Wider des „Braunen Goldes“ darstellen.
Romantik Die beiden erstgenannten Gemälde sind in Jülich ausgestellt und damit an dem Ort, aus dem mit Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863), einer der ersten bedeutenden Landschaftsmaler der Romantik, stammt. Heiner Altmeppen sieht sich bei seiner Arbeit in der Tradition dieser Landschaftsmalerei. Und in der Tat hat Schirmers (mehr) künstlerische Welt-Ansicht in Altmeppens Œuvre ihre Spur hinterlassen: Überall schwingt eine Beziehung zu den „Alten Meistern“ mit, die einen eigenen leisen Schauer auslöst. Ob der „Plaidter Hummerich“, ein von dem Künstler als Vorlage verwendeter, längst abgetragener Basalthügel im Neuwieder Becken, inmitten der Deutschen Landschaft den Turmbau zu Babel reflektiert, wie ihn Pieter Brueghel sah, oder ob in den Romantischen Variationen die fotografisch-realistischen Naturstudien des frühen 19. Jahrhunderts nachklingen – überall wirken die Einblicke ins Mikro- und Makrokosmische weiter, bewegen den Betrachter Details und Landschaften gleichermaßen.
Buchtitel Landschaften in Bewegung, Originalbild: Heiner Altmeppen, Die Wolke, 1986-88, Öl auf Leinwand, 150 x 125 cm, Privatbesitz
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Daneben zeigt das Museum Arbeiten auf Papier, vielfach aus früheren Jahren, sowie Zeichnungen und fotografische Studien, die bislang noch nicht öffentlich zu sehen waren. Die Schau verdeutlicht darüber hinaus die arbeits- und zeitintensiven Stufen, die bei der Entstehung der Gemälde durchlaufen werden, von der fotografischen Einzelvorlage über Skizzen und Vorzeichnungen bis zum komponierten und durchkonstruierten Atelierbild. Die Vielfalt der Exponat und ihr Entstehungsweg sind ausführlich in einem Begleitbuch illustriert und beschrieben.
avdh
Die Ausstellung „Heiner Altmeppen: Landschaften in Bewegung – Arbeiten auf Papier“ wird bis 17. August 2014 in der Schlosskapelle, Museum Zitadelle Jülich, gezeigt.
Schlosskapelle
Museum Zitadelle Jülich
Schloßstraße
52428 Jülich
Museumsbüro
Kleine Rurstraße 20
52428 Jülich
Tel. +49-(0)2461-93 768 0
Öffnungszeiten
MO - Fr 14 - 17 Uhr
SA, SO 11 - 18 Uhr
► Begleitbuch:
Marcell Perse (Hg.)
Heiner Altmeppen - Landschaften in Bewegung
160 Seiten (160 farbige und s/w Abbildungen)
Hardcover, 24 x 28 cm
€ [D] 29,95 € [A] 30,80
ISBN 978-3-86502-335-3
Verlag E.A. Seemann, Leipzig 2014