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rheinische ART 03/2017

Archiv 2017

KULTURPOLITIK
Landeskulturbericht 2017

 

Die Kultur in Nordrhein-Westfalen einmal nicht in schönen Bildern, sondern nüchtern in Daten, Fakten und Analysen gepackt: das ist der Landeskulturbericht 2017.

 

Mit der Veröffentlichung des 238 Seiten starken Kompendiums kommt das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport einem Auftrag des Kulturfördergesetzes, das 2014 in Kraft getreten ist, nach. Das Ziel dieser Datenerhebung: mehr Transparenz, mehr Zielorientierung und mehr Beteiligung aller Akteure.

 

Der Bericht ist ein Novum und wird als „Beginn einer kulturpolitischen Forschung des Landes“ vom Ministerium beschrieben, dass die „kulturpolitische Praxis im Land zielführend begleitet“. Erstellt werden soll der Landeskulturbericht jeweils zum Ende einer Legislaturperiode, so dass seine Ergebnisse mit einfließen in einen Kulturförderplan, der die Perspektiven, Schwerpunkte und Ziele für die nächsten fünf Jahre formulieren soll.

 

Es geht also um nichts anderes, als um die Planung der kulturpolitischen Aktivitäten des Kulturministeriums auf der Basis eines umfassenden, gesicherten Datenmaterials.

 

Der Mammutaufgabe, der sich das Ministerium mit der Erstellung dieses Berichts gestellt hat, ist schon daran zu erkennen, dass sich die Kultur aus vielen Töpfen speist – und das Ministerium ist nur einer davon. So haben im Jahr 2014 die Kommunen mit 1,2 Milliarden Euro zum Kulturbetrieb in NRW beigetragen, das Land investierte 526 Millionen Euro.
     

Kulturministerin Christina Kampmann überreicht den ersten Landeskulturbericht 2017 Landtagspräsidentin Carina Gödecke (Mitte) und dem Ausschussvorsitzenden Karl Schultheis

 

Hinzu kommt, dass das, was unter Kultur verstanden wird, nicht immer gleich ist. Natürlich ist es die Kunst im Museum, die Musik in der Philharmonie, das Schauspiel am Theater – aber Kultur ist auch die Gemeinde-Bibliothek, das Kino um die Ecke oder der Park, der mit seiner Gartenlandschaft zum Verweilen und Spazieren einlädt. Zudem hat sich das Kulturministerium die kulturelle Bildung auf die Fahne geschrieben und meint damit die Ausbildung in Sachen Kultur nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder und Jugendliche. Kulturelle Bildung gehört zur Allgemeinbildung. Für Kinder sei man dem Ziel mit dem Projekt „Kulturrucksack“ (mehr), so die Ministerin Christina Kampmann, einen Schritt näher gekommen, aber, wie die Studie zeige, gäbe es einen Mangel beim Angebot für Jugendliche.

 

Die Analyse der kulturellen Infrastruktur in NRW lässt auch das Kulturpublikum und dessen Veränderungen durch den demografischen Wandel sowie die Produktionsbedingungen in Kunst und Kultur nicht außen vor. Ein erfreuliches Fazit: Das Interesse der Menschen an Kultur ist ungebrochen. Etwa jeder Dritte besucht mindestens einmal im Jahr ein Theater, 37 Prozent mindestens einmal jährlich ein Museum und 31 Prozent mindestens eine Opern-, Ballett oder Tanzaufführung. Die Zahl der Schüler an öffentlichen Musikschulen stieg seit 2010 um knapp 46 Prozent auf 327.000 in 2014 und die Jugendkunstschulen konnten 2014 mit 75.000 Kindern und Jugendlichen 9.000 mehr als 2011 erreichen. Auch das Publikum in öffentlichen Theatern stieg in diesem Zeitraum von 3,2 auf 3,4 Millionen Menschen an und noch stärker an privaten Theatern, nämlich von 1,4 Millionen Menschen (Spielzeit 2009/2010) auf 1,9 Millionen Theatergängern 2013/2014. Frauen zeigen sich dem Bericht nach meist kulturinteressierter als Männer – trotz zeitlicher Doppelbelastung durch Familie und Beruf. Und auf einen weiteren Aspekt macht die Studie gesondert aufmerksam: Menschen mit Migrationshintergrund sind im Publikum öffentlicher Kultureinrichtungen unterrepräsentiert.

 

Dass Kunst und Kultur auch ein Wirtschaftsfaktor sind, bemerkt der Landeskulturbericht nicht. Allerdings vermeldet er, dass zwei Prozent aller Erwerbstätigen in NRW in Kunst- und Kulturberufen arbeiten. Allein die Zahl lässt aber keine Rückschlüsse auf die Bedeutung zu. Zudem erfasst der Bericht die gesteigerte Attraktivität einer Region oder Stadt durch ein vielfältiges kulturelles Angebot ebenfalls nicht. (Weshalb wir hier dem interessierten Leser das Städte-Ranking Kultur des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut /HWWI und der Privatbank Berenberg (mehr) empfehlen.)

Wer produziert Kultur? Auch diese Frage wurde anlässlich der Präsentation des Kulturberichts so schlicht wie wahr mit - Letztendlich ist es der Künstler - beantwortet. Natürlich bewegt sich das Ministerium mit seinen übergeordneten Zielen sehr weit weg von dessen Lebenswelt, aber dass es ihn gerne besser kennen lernen würde, wird mit der Studie schon deutlich, da diese die wirtschaftlichen und sozialen Umstände der Kreativen sehr detailliert untersucht. Hier bestätigt sich der Spruch: „Wo Licht ist, ist auch Schatten.“ Insbesondere die übliche Soloselbständigkeit der Kreativen lässt die Studie von „prekären Verhältnissen“ sprechen.

     Der Landeskulturbericht bietet aufgrund seines Detailreichtums der Kulturpolitik ein breites Handlungsspektrum. Wie die Umsetzung in eine positive Kulturentwicklung sein wird, wird die Zukunft zeigen. Sie ist aber grundsätzlich zu begrüßen, denn Kunst und Kultur sind ein Nährboden, aus dem sich eine Gesellschaft speist, und in der leben letztendlich wir alle.
Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Auf der Webseite des Ministeriums stehen der Landeskulturbericht und weitere Informationen zum Download bereit:
www.mfkjks.nrw/landeskulturbericht