Archiv 2010: aus Kultur + Wirtschaft
Kunstmarkt auf Höhenflug
2010: Ein gigantisches Jahr
Versteigerung bei Christie`s: Das Bild an der Wand ist das berühmte Werk "Nude, Green Leaves and Bust" von Picasso, auf welchem der Künstler seine Geliebte Marie-Thérèse Walter malte. Versteigert wurde das Gemälde für 106,5 Mio US-Dollar Foto: Christie`s
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Kunst schafft es eher selten auf die Titelseiten der großen Tageszeitungen. Und wenn, dann - wie jüngst - mit schlagzeilenträchtigen Skandalen um gefälschte Sammlungen wie der angeblichen Kollektion Werner Jägers, die den internationalen Kunsthandel erschütterte. Deutschlands Wirtschafts- und Finanzzeitung HANDELSBLATT erhebt dagegen in ihrer Ausgabe Nr. 248 das Jahr 2010 auf Seite 1 zum „Jahr der Krise Kunst“. Das Wortspiel suggeriert: Überall Krise, nur nicht in der Kunst, denn nie zuvor wurden derart hohe Preise erzielt!
DER GLOBALE Kunstmarkt produzierte 2010 für Einzelwerke Rekordpreise wie am Fließband und hob auch die Gesamtumsätze der Auktions- und Handelshäuser in atemberaubende Höhen. Spitzenreiter bei den Verkaufspreisen war das 1932 von Pablo Picasso geschaffene Gemälde „Nackte, grüne Blätter und Büste“ (Nude, Green Leaves and Bust), das im Mai für 106,5 Millionen Dollar bei Christie´s in New York versteigert wurde und als teuerstes Kunstwerk des Jahres in die Annalen einging. Der Erwerber ist bis dato unbekannt. Picasso erreichte noch eine weitere Top-Platzierung: Die Londoner TIMES hatte ihre Leser aufgefordert, die 200 wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts zu benennen. Der gebürtige Spanier Picasso wurde nach dem Leservotum unangefochten als bedeutendster Kunstschaffender des Jahrhunderts gekrönt, vor Cezanne, Klimt, Monet und Duchamp.
Giacometti, Modigliani und andere Highlights
Bei Lempertz zum Rekordpreis versteigert: Pablo Picasso
Boom bei asiatischer Kunst: Fu Baoshi (1904 – 1965) 63,7 x 36,3 cm |
Rekordversteigerungen gab es auch mit Werken anderer Künstler. Die Bronzeskulptur „Der Schreitende“ (L´homme qui marché I) des Schweizers Alberto Giacometti übersprang ebenfalls die magische Preisgrenze. Die Skulptur, jahrelang in Besitz der Frankfurter Commerzbank-Zentrale, brachte es auf sensationelle 104,3 Millionen Dollar und damit im Jahres-Ranking auf Position zwei. Für immerhin 69 Millionen Dollar wechselte Amedeo Modiglianis „Nackte auf dem Divan“ (Nu Assis sur un Divan) den Besitzer, erzielt beim Auktionshaus Sotheby´s in New York. In der Londoner Niederlassung von Sotheby´s brachte das letzte Werk des großen englischen Landschaftsmalers William Turner, „Modern Rome, Campo Vaccino“, fast 45 Millionen Dollar.
Auktionatoren ohne Krise
Überhaupt die Auktionshäuser. Während Unternehmungen des Sekundär- und Tertiärsektors unter der Wirtschafts- und Finanzkrise ächzten, ging die ökonomische Talfahrt an den Versteigerern vorbei. Der Londoner Branchenprimus Christie´s, eines der ältesten Auktionshäuser der Welt, verkaufte im laufenden Wirtschaftsjahr weltweit Kunst für umgerechnet fast 5 Milliarden Dollar und übertraf damit sein bisheriges Spitzenjahr 2007 deutlich. Wettbewerber Sotheby´s meldete Umsätze von rund 4,2 Milliarden Dollar, was einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr gleichkommt.
Auch die deutschen Kunst-Auktionatoren können auf erfolgreiche Versteigerungen verweisen. Zu einem Rekordpreis von über 1,1 Million Euro ging beim Auktionshaus Lempertz in Köln nach einem hartnäckigen Bietergefecht Picassos „Femme et jeune garçon nus, mardi 3 juin 1969“ (Schätzpreis 0,6 Mio. Euro) an französische Bieter. Von einer regelrechten Preisexplosion für asiatische Kunst, speziell chinesische Malerei, spricht man bei Lempertz; das Auktionshaus nimmt nach eigenen Angaben in diesem Marktsegment in Europa eine Sonderstellung ein. Eine 88 Objekte umfassende Offerte chinesischer Malerei wurde nach Meldung von Lempertz im Dezember 2010 zu einem Vielfachen der Taxen abgesetzt, die Käufer waren fast ausschließlich Chinesen. Beim lokalen Wettbewerber Van Ham stieg der Jahresumsatz um 15 Prozent auf 23 Millionen Euro, dies vor allem durch hohe Zuschläge bei moderner und zeitgenössischer Kunst. Spitzenpreise erzielten die Kölner etwa mit Andy Warhols "Holstentor" (Zuschlag bei 0,61 Mio Euro) und mit dem Rudolf Bauer-Gemälde "Pink Circle", das für den Rekordpreis von 0,54 Mio. Euro ersteigert wurde.
Nach einhelliger Meinung von Kunstexperten ist die Boom-Phase nicht vorbei. Für das Jahr 2011 werden weltweit Umsätze auf dem Kunstmarkt von mehr als 45 Milliarden Dollar erwartet.
Kunst gefragt als Wertanlage
Der turbulente Kunsthandel und die neue Begeisterung für alte und neue Meisterwerke beruht nach Ansicht von Fachleuten im Wesentlichen auf zwei Ursachen. Zum einen ist in Zeiten ökonomischer Unsicherheit die Suche nach neuen Geldanlagen ein entscheidendes Moment. Zwar schlägt Kunst nicht unbedingt Aktien - doch werden Wertentwicklung und Werterhalt von Moderner Kunst, Antiquitäten, Contemporary Art, Alten Meistern und ebensolchen Möbeln sowie Porzellan von zahlreichen Investoren höher eingeschätzt als konventionelle Staatsanleihen oder Industriebeteiligungen.
Zum anderen tritt eine rasant gestiegene Zahl von Millionären und Milliardären aus China, Russland, Brasilien und anderen, vorzugsweise asiatischen Schwellenländern, in Erscheinung. Für sie ist Kunstbesitz oft eine Sache des Prestiges und als Bieter treiben sie die Preise in ungeahnte Höhen. Einzigartiges Beispiel dieses Trends ist die derzeit wohl teuerste Vase der Welt. Das Töpferprodukt aus der Qianlong-Dynastie (1736-1795) wurde im November des Jahres für 83,5 Millionen Dollar (62 Mio. Euro) im kleinen Londoner Auktionshaus Bainbridge´s von einem chinesischen Sammler ersteigert.
Wird der künftige Kunstmarkt eine Domäne chinesischer Sammler? Hat der Rück-Kauf chinesischer Antiquariate durch finanzstarke Anonyme bereits begonnen? Auf jeden Fall rückt eine weitere bemerkenswerte Änderung in den Blickpunkt der Kunstkenner: die schleichende Verlagerung der großen Kunsthandelszentren. Nicht mehr Großbritannien und die USA als bislang führende Kunstmärkte dominieren, vielmehr wird Hongkong als bisher weltweit drittgrößtes Zentrum des Kunstmarktes immer bedeutender. Logische Folge für die Kunsthändler und Auktionshäuser: Sie präsentieren sich dort, wo das Geld steckt und gründen in den aufstrebenden Metropolen, zu denen mittlerweile auch Peking oder Moskau zählen, Dependancen.
Klaus M. Martinetz
Auktionen 2010: Die zehn teuersten Kunstobjekte
Quelle: Auktionsberichte
Rang |
Künstler |
Kunstobjekt |
Verkaufspreis in Mio US $ |
Auktionshaus/ Datum |
1 |
Pablo Picasso |
Gemälde “Nude, Green Leaves and Bust” von 1932 |
106,5 |
Christie´s New York 04. Mai 2010 |
2 |
Alberto Giacometti |
Bronzeskulptur “L´homme qui marche” I von 1961 |
104,3 |
Sotheby´s London 03. Feb. 2010
|
3 |
- |
Vase aus der Qianlong-Dynastie (1736-1795) |
83,5 |
Bainbridge´s London 11. Dez. 2010 |
4 |
Amedeo Modigliani |
Gemälde „Nu assis sur un divan“ ( la belle romaine) von 1917 |
69,0 |
Sotheby´s New York 02. Nov. 2010 |
5 |
Alberto Giacometti |
Bronzeskulptur „Grande Tête mince“ von 1954 |
53,3 |
Christie´s New York 04. Mai 2010
|
6 |
Amedeo Modigliani |
Skulptur „Tête de Caryatide“ von 1911 |
52,6 |
Christie´s Paris 14. Juni 2010
|
7 |
Pablo Picasso |
Gemälde „Portrait d´Angel Fernández de Soto“ von 1903 |
51,6 |
Christie´s London 23. Juni 2010 |
8 |
Henri Matisse |
Bronzerelief „Nu de dos, 4 état (Back IV)“ |
48,8 |
Christie´s New York 03. Nov. 2010
|
9 |
- |
Diamant Exceptionally Important and Exquisite Fancy Intense Pink |
46,2 |
Sotheby´s Genf 16. Nov. 2010 |
10 |
William Turner |
Gemälde “Modern Rome, Campo Vaccino” von 1838 |
44,9 |
Sotheby´s London 07. Juli 2010 |