Archiv 2015
ZEITGENÖSSISCHES AFRIKA
Eine grandiose Bilderparty
Es gibt Ausstellungen, die alles in einem bieten. Sie faszinieren durch Vitalität, ungezügelte Energie, Kreativität, Jugendlichkeit, Farb- und Fröhlichkeit, und bringen auch noch das Elend unter. Ungestüm und bezaubernd kommt derzeit eine Schau daher, die wie ein Farbfeuerwerk in der Pariser Fondation Cartier explodiert ist.
JP Mika Kiese na kiese, 2014, Oil and acrylic on fabric, 168.5 x 119 cm, (Ausschnitt aus dem Ausstellungsplakat), Collection Pas-Chaudoir, Belgique, © JP Mika, Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris 2015 |
Die bunte Bilder- und Fotosammlung mit dem Kurztitel „Beauté Congo", was in etwa mit ´Schönheit Kongo´übersetzt werden kann, präsentiert Afrikas große Künstler.
Zu Recht wird diese Kollektion als d i e Ausstellung des Spätsommers in der französischen Kapitale gefeiert. Sie erlaubt einen Blick auf einen Teil Afrikas, auf die zeitgenössische Kunst der heutigen Demokratischen Republik Kongo.
Zeitgenössische Kunst aus Afrika? Speziell aus der Mitte des Riesenkontinents – was soll das sein? Traditionelle Masken, Fetische, Holz- oder Elfenbeinschnitzereien – neu interpretiert, oder Kalebassen und Krüge als Gebrauchskunst? Weit gefehlt. Wer es bislang nicht bemerkt hat: Kunst in und aus Afrika ist im Kommen und wird Expertenmeinungen zu Folge in den nächsten Jahren einen Hype erleben.
Chéri Samba La Vraie Carte du monde (Die reale Weltkarte) 2011, Acryl und Glitter auf Leinwand, 200 x 300 cm, © Chéri Samba Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris 2015 |
JP Mika La SAPE, 2014, Acrylic, oil and glitters on canvas, 160 × 140 cm, collection privée, © JP Mika, Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, André Morin, Paris 2015
Chéri Samba Amour & Pastèque, 1984, Oil on canvas, 79 x 89 cm, collection privée, © Chéri Samba, Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris 2015
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Bilderparty Einen Vorgeschmack davon, was einen da erwarten könnte, zeigt nun die farbenfrohe, manchmal schrille und laute Exposition „Beauté Congo – 1926-2015 – Congo Kitoko“.
Eine Retrospektive über eine Kunst, die wie ein Potpourri aus in allen Farben ins Bild gesetzte Lebensfreude wirkt. Ein Riesenspektakel wie eine gelungene Sommerparty am Strand mit Barbeque, exotischen Cocktails und jubelnd-feiernden Gästen in bunten Trendklamotten: ungewöhnlich, unerwartet und von aufregender Direktheit. Dabei ist es ein Streifzug durch fast einhundert Jahre Kunst aus dem Kongo.
André Mangin, Kurator der Spitzen-Show, prophezeit, dass es in zwei bis drei Jahren nicht mehr erforderlich sei, spezielle Ausstellungen für zeitgenössische afrikanische Kunst zu organisieren. Die besten Werke werden nämlich in allen wichtigen Messen und Biennalen vertreten sein, und „...das wird sehr schnell gehen“.
In Weil am Rhein manifestiert sich bereits die Entwicklung. Gerade zeigt das dortige Vitra Design Museum zeitgenössisches afrikanisches Design von über 120 Künstlern und Designern. Die große Schau „Making Africa – A Continent of Contemporary Design“ rückt das kreative Potential des Kontinents in ein neues Licht.
Albert Lubaki Sans titre, c. 1929 Watercolor on paper, 52 x 65 cm, collection privée et courtesy Galerie Loevenbruck, Paris © Albert Lubaki Photo Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris 2015
Mode Muntu Le Calendrier lunaire Luba, 1979, Watercolour on paper, 55 x 43 cm, Collection Meir Levy, Bruxelles, Foto © Mode Muntu, Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, Michael De Plaen, Paris 2015
Jean Depara Sans titre ca. 1955-1965, Collection Revue Noire, Paris Foto © Jean Depara, Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, Paris 2015
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Beauté Congo Das Besondere an der großartigen "Beauté Congo"-Ausstellung in Paris ist - neben der ungezügelten Farbfreudigkeit - die enorme Vielfalt der ausgestellten Arbeiten.
Stilistisch reichen sie von naiv bis archaisch, wie die Zeitung Le Monde Afrique befand. Mehr als 350 Exponate gibt es zu bestaunen, geschaffen von über 40 Künstlern.
Darunter wunderbar feinstrichige Aquarelle von Albert Lubaki aus den Zwanzigerjahren, ein halbes Jahrhundert alte Schwarz-Weiß-Fotos von Jean Depara aus dem Bar- und Cafémilieu der Hauptstadt Kinshasa, die damals noch unter belgischer Konlonialherrschaft stand und als Léopoldville die Kapitale von Belgisch-Kongo war.
Wirkungsmächtig die politisch subtilen Gemälde des kongolesischen Malerstars Chéri Samba. Eine seiner großformatigen Arbeiten brachte in New York 2010 beachtliche 80.000 Dollar in einer Auktion. Damals das höchste je für einen Künstler des Landes erreichte Gebot. Sehr beeindruckend auch die Motive und Portraits von JP Mika und die Arbeiten des im März 2015 verstorbenen Body Isek Kingelez. Dessen utopische Pappbauten waren bereits drei Mal in rheinischen Ausstellungen zu sehen.
Tendenzen Und zwischen Kairo und Kapstadt selbst zeichnet sich eine spannende Entwicklung ab. Zwar nur bislang wenige Häuser zeigen Zeitgenössisches, wie die National Art Gallery in Rwanda oder das Kairoer Gezira Center for Modern Art.
Aber der deutsche Sammler Jochen Zeitz, ehemals Chef des Sportartikelproduzenten Puma, baut gerade ein Riesenmuseum in einem alten Silo in Kapstadts Hafen, und zwar nur für Gegenwartskunst. Zeitz will sein MOCAA (Museum of Contemporary Art Africa) 2016 eröffnen und auf einer Augenhöhe mit dem MoMA New York, der Londoner Tate und dem Pariser Kulturtempel Centre Pompidou agieren.
Blick in die Ausstellung Beauté Congo - 1926-2015 - Congo Kitoko, Foto © Fondation Cartier pour l´art contemporain, Luc Boegly, Paris 2015 |
Wenn auch Kunstkenner noch längst keinen „African Art Boom“ auf dem Markt sehen, so wird sehr wohl von einer höchst interessanten Design- und Kunstdynamik mit viel Potential für die Zukunft gesprochen. Und von einem neuen Selbstbewußtsein der Künstler, die eine oft schmerzliche koloniale Vergangenheit auch in der Kunst verarbeiten.
In Frankreich werden sich noch im laufenden Jahr zwei weitere Ausstellungen mit African Art befassen. In Bordeaux ist die Schau „Folk Art africain?“ (Oktober bis Dezember) zu sehen und in Paris im Palais de Chaillot „Lumière d´Afrique“ (November).
cpw
► Der Künstler Body Isek Kingelez (1948-2015) ist bekannt für seine sperrigen Modelle von fantastischen utopischen Städten, die er farben- und detailreich in Szene setzte. Rheinischen Kunstfreunden ist er durch drei heimische Expositionen bekannt. 2004 zeigten der Kunstpalast Düsseldorf und der Bonner Kunstverein Kingelez´"Unbuilt Cities". Eine Jahr später war er im Museum Ludwig in Köln zu sehen. Sein Werk "Cologne", eine Papp-Skyline der Domstadt, befindet sich in der Sammlung des Museum Ludwig.
Die Ausstellung „Beauté Congo – 1926-2015 – Congo Kitoko“ wird bis zum 15. November 2015 gezeigt.
Fondation Cartier pour l’art contemporain
261, Boulevard Raspail
75014 Paris
Tel. +33 (0)1 42 18 56 50
Öffnungszeiten
DI-SO 11 – 20 Uhr
DI abends bis 22 Uhr