rheinische ART
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rheinische ART 04/2012

 

ARCHIV 2012
Köstlich! Stillleben am Rolandseck



Bewahrte Augenblicke 

 

 

Henri Horace Roland de la Porte
Stillleben mit Pastete und Schinken, 1768/1769, Sammlung Rau für UNICEF
Foto: Mick Vincenz

 

Cornelis de Heem, Früchtestillleben, um 1665/72
Sammlung Rau für UNICEF, Foto: Mick Vincenz

Die Bildgattung des Stilllebens war in der Kunst lange mit Vorurteilen belegt und wurde erst spät als vollwertig und als eigenständig anerkannt. Kritiker sahen sie als inhaltsleer, banal, bedeutungsarm – als eine lediglich dekorative Malerei lebloser Dinge! Dabei hatte das Stillleben längst seinen Platz in der Kunstwelt, noch bevor der niederländische Begriff "stil leven" dafür verwendet wurde. Das Arp Museum bietet jetzt einen sehenswerten Überblick der Stilllebenmalerei vom 17. Jahrhundert bis zur Moderne. Der Titel „Köstlich!“ lässt erahnen, auf was sich der Besucher einlässt – auf die Alltagskultur des Essens und Trinkens - ein Augenschmaus.

 

ES SIND gedeckte Tische mit üppigen Auslagen und reichhaltig sich auftürmenden Speisen, Leckereien garniert mit dem einen oder anderen Bouquets, mit edlem Geschirr und kostbaren Gläsern, die das Auge des Betrachters fesseln. Die Werke gehören der Untergattung Früchte-, Blumen-, Prunk- oder Jagdstillleben an und lassen, so das Museum, die „Architektur der Dinge“ wie unter einer Lupe erkennen. Darunter befindet sich durchaus das eine oder andere symbolschwere und rätselhafte Bild mit breitem Interpretationsspielraum, mit versteckten Botschaften oder moralischen Anspielungen. Die zum Teil perspektivisch komponierten Arrangements aus erlesenen Früchten, Blumen oder Wildbret erfüllen die höchsten ästhetischen Ansprüche.

 

Spiegel der Genusskultur

 

Kein Wunder, denn das Arp Museum Bahnhof Rolandseck hat aus seinen Beständen 45 wahre Meisterwerke ausgewählt, die es wert sind, gesehen zu werden. Museumsdirektor Dr. Oliver Kornhoff: „Die reiche Schatzkammer der `Sammlung Rau für UNICEF` mit ihren illusionistischen Bravourstücken gibt uns einen faszinierenden Einblick in die Genusskultur vom 17. bis in das 20. Jahrhundert. Diese Bilder halten das Leben in all seiner Fülle unvergänglich fest.“

   Mit Beginn des 17. Jahrhunderts erfuhr das Stillleben, die „natura morta“, jene Wertschätzung und Verbreitung, die ihm eine regelrechte Blütezeit - insbesondere in den wichtigen Kunstregionen Holland, Flandern, Lombardei und Deutschland - bescherte. Gerade im reformierten Holland gelangten wegen des Verbotes religiöser Darstellungen die Stillleben-Maler zu besonderer Meisterschaft, da diese spezielle Form der profanen Malerei eine ihrer wenigen Ausdrucksmöglichkeiten darstellte.

 

Giuseppe Recco (1634-1695), bereits zu Lebzeiten für seine klaren Kompositionen und naturalistischen Tafel- und Küchenszenen gefeiert, offenbart in bestechender Manier mit der detailreichen neapolitanischen Tafel „Stillleben mit Fischen, Früchten und Blumen“ den ganzen maritimen Reichtums des mediterranen Raumes.

Bild: Stillleben mit Fischen, Früchten und Blumen, 2. Hälfte 17. Jahrhundert, Sammlung Rau für UNICEF, Foto: Horst Bernhard

 

Aus dem anfänglichen Beiwerk von Figurenbildern entwickelt, bestach diese Kunst dadurch, dass sie quasi die Zeit anhielt und die sichtbare Welt in ihrer materiellen Beschaffenheit, ihrem Überfluss und in all ihren Erscheinungsformen bewahrte. Neben der meisterhaften naturalistischen Wiedergabe der den Menschen umgebenden Dinge, Pflanzen und Tiere kam ein trügerisches Moment hinzu. So wurden Blumen und Früchte verschiedener Jahreszeiten gemeinsam dargestellt oder Erlesenes wie Kristall, Geschirr, Besteck und Kunst, von deren Besitz die Betrachter nur träumen konnten, im Bild versammelt.

 

Meister der Tafelfreuden

 

Die Ausstellung gliedert sich in fünf Themenbereiche: Früchte- und Blumenstillleben, gedeckte Tische, Tier- und Jagdstillleben, „Augentäuscher“ (Trompe l´œil) und Vanitas-Stillleben. Bei den Blumenstillleben werden unter anderem Werke wie die des bedeutenden holländischen Malers Willem van Aelst (1627-1683) gezeigt, der für seine „hyper-realistischen“ Wiedergaben von Vogelfedern und Metallen berühmt ist.
   Aus der Werkstatt des Flamen Frans Snyders (1579-1657) stammt „Jagdstillleben mit Früchten“ von 1630. Snyders, ein Zeitgenosse und Mitarbeiter im Atelier von Peter Paul Rubens und wie dieser mit dem Ehrentitel und Salär eines „Hofmalers“ beim spanischen Statthalter der Niederlande versehen, ist zwar als herausragender Maler von Jagdstücken und üppiger flandrischer Tafelfreuden bekannt. Er wird heute jedoch nicht allein als Hauptvertreter dieser Themen gesehen sondern als einer der vielseitigsten Maler in der Stillleben-Blütezeit des 17. Jahrhundert.

 

Moderne Zeiten

 

Moderne Zeiten: Giorgio Morandi, Stillleben mit Flasche und Gläsern, 1945/1955
Sammlung Rau für UNICEF, Foto: UNICEF

Eine kleine aber exquisite Gemälde-Gruppe beleuchtet die weitere Entwicklung der Stilllebenmalerei seit dem 18. Jahrhundert. Schlicht und modern wirken die klaren Früchtebilder der französischen Portraitistin Anne Vallayer-Coster (1744-1818). Sie leiten über zu den jüngeren Küchenimpressionen Carl Schuchs, den farbenstarken Atelier-Stillleben des Symbolisten Édouard Vuillard und zu den abstrahierten Kompositionen des berühmten Stillleben-Malers Giorgio Morandi. Als zeitgenössischen Kontrapunkt stellt das Museum zwei „gedeckte Tische“ des Bildhauers Daniel Spoerri aus.

K2M

 

Die Ausstellung „Kunstkammer Rau: Köstlich! Stillleben von Frans Snyders bis Giorgio Morandi“ kann bis zum 14. Oktober 2012 besucht werden.

Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Hans-Arp-Allee 1
53424 Remagen

Tel. 02228 / 94 25 0
Fax 02228 / 94 25 21

Öffnungszeiten:
DI – SO 11.00 – 18.00 Uhr