ARCHIV 2013
Martin Kuttner in der Langen Foundation
Kinetische Malerei?
Während in der Düsseldorfer Kunsthalle unter dem Titel „Leben mit Pop“ eine rekonstruierende Ausstellung zum „Kapitalistischen Realismus“ (mehr) gezeigt wird, die man auch als „Pop Art Reloaded“ bezeichnen könnte, ist - nur über den Rhein hinweg - einer dieser deutschen Pop Art- Protagonisten, der Maler Manfred Kuttner (1937 - 2007), in der Langen Foundation auf der Raketenstation in Neuss zu bewundern.
Manfred Kuttner vor dem verschollenen Werk Weibermühle, 1963, Nachlass Manfred Kuttner |
Manfred Kuttner hatte nur wenige intensive Schaffensjahre, von 1961 bis 1964. Galt sein Künstlerfreund Gerd Richter als Bild-Dramatiker, so war er der Bild-Lyriker. Er widmete sich in seinem Œuvre den Farbrhythmen, der Farbe an sich und fand sich bei seinen experimentellen Studien schnell wieder bei Reihung und Rotation, Verzerrung und Schichtung. Etwas musterhaftes ist seinen großformatigen wie großartigen Malereien eigen.
Manfred Kuttner, Pair-Impair, 1963, Tempera, fluoreszierende Leuchtfarbe auf Dekostoff, 180 x 115 cm, Privatsammlung London, Courtesy Johann König, Berlin und Nachlass Manfred Kuttner
Manfred Kuttner, Heiliger Stuhl, 1962, Stuhl, Tempera, fluoreszierende Leuchtfarbe, Nägel, 90 x 40 x 45 cm, Hall Collection, Courtesy Johann König, Berlin und Nachlass Manfred Kuttner
Manfred Kuttner, Gewinde, 1962, Tempera, fluoreszierende Leuchtfarbe auf Dekostoff, 145 x 114,5 cm, Hall Collection, Courtesy J. König, Berlin und Nachlass Manfred Kuttner |
In den wenigen Jahren, die er als Künstler tätig war, entstand naturgemäß ein überschaubares Werk und der Langen Foundation ist es gelungen, rund 30 Originalwerke zusammen zu tragen. Darunter sind geometrisch strukturierte, auch mit Leuchtfarben ausgeführte Gemälde und höchst farbig präsente Wandskulpturen wie eine Schreibmaschine oder ein Bett-Sprungrahmen.
Denn es war Kuttner, der die Leuchtfarbe, eher unter der Bezeichnung Neonfarbe bekannt, für die Kunst entdeckte. Vielleicht ist dies dem Umstand geschuldet, dass Kuttner aus der Werbegrafik, der Plakatmalerei, kam und allein mit dieser Ausbildung schon nicht klein sondern groß(artig) dachte. Seine Leuchtfarben wirken wie das Tüpfelchen auf dem i und in den 1960er Jahren waren sie der Augenfixierpunkt mit Magnetwirkung.
Sein einfacher Stuhl in grellem Pink, ins Schaufenster oder auf die Straße gestellt, war unübersehbar für Passanten und signalisierte Kunst. Neue Kunst, andere Kunst. Ein plakativer Auftritt, der seine Wirkung nicht verfehlte und als Legende bis heute erhalten blieb. Nun ist dieser "Heilige Stuhl" in der Langen Foundation zu sehen (und die Geschichte dazu in der Düsseldorfer Kunsthalle zu erfahren).
Kuttners präzises Vorgehen lässt dem Experimentellen viel Raum. Da tränt eine Farbe schon einmal das Bild herunter, da werden unterschiedlichste Materialien zu einem Bild geschichtet, da kreist die Farbe wie in der Arbeit Dual um sich selbst oder fährt wie bei Walzen im Gemälde Pair-Impair zusammen.
Als wollte er der Farbe in seinen Bildern das Laufen lehren
Bewegung ist ein wichtiges Moment in Kuttners Arbeit. Besonders gut nachzuvollziehen in einer Serie von Fotografien, in denen der Künstler einen weiblichen Körper mit Rauten übermalte. Die Bewegungen des Körpers wurden im Bild festgehalten und zeigen das Strecken, Dehnen und Zusammenziehen, aber auch die Begegnung dieser Rauten, wenn Arm auf Bauch trifft. Ein überraschendes wie faszinierendes Spiel.
Manfred Kuttner beendete seine Künstlerkarriere, bevor sie wirklich beginnen konnte. 1964 zog er sich aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Kunstbetrieb zurück.
► Manfred Kuttner, geb. 1937 in Greiz, Thüringen, gestorben 2007 in Erkrath bei Düsseldorf. 1956-1961 Studium an der Kunstakademie Dresden, 1961-1964 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse K.O. Götz. 1962 Galerie Junge Kunst, Fulda (m. Gerhard Richter); 1963 Demonstrative Ausstellung (m. Konrad Lueg, Sigmar Polke, Gerhard Richter), Kaiserstrasse 31 A, Düsseldorf, IV. Biennale Internazionale D'Arte, San Marino; 1964 Neodada, Pop, Decollage, Kapitalistischer Realismus, Galerie René Block; 1995 Kuttner, Lueg, Polke, Richter, Galerie M.+ R. Fricke, Düsseldorf, 1996 Farbe flieg, Galerie M.+ R. Fricke, Düsseldorf, 2005, 2008, 2010 Galerie Johann König, Berlin; 2007 The Artist's Dining Room (m. Thomas Scheibitz und Anselm Reyle) Tate Modern, London; 2008 westlondonprojects. London.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Die Ausstellung „Manfred Kuttner – Werkschau“ ist bis zum 6. Oktober 2013 zu sehen.
Langen Foundation
Raketenstation Hombroich 1
41472 Neuss
Tel. 02182 / 5701 - 15
Öffnungszeiten
Täglich von 10 – 18 Uhr
► Anlässlich der Ausstellung erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König die erste Monografie über Manfred Kuttner mit Texten von Christine Mehring, Birgit Hein, Thomas Scheibitz, Franz Erhard Walther, einer Einführung von Andreas Baur, Christiane Maria Schneider und Marcus Weber, sowie dem Catalogue Raisonné und einer ausführlichen Chronologie, bearbeitet von Sabine Sense und Marcus Weber.
©Fotos (4) Langen Foundation / Leihgeber