Archiv 2017
KÄTHE KOLLWITZ JAHR
Selbstkritisch und ungeschönt
Ihre realistischen Zeichnungen, Lithografien, Radierungen und Plastiken gehörten nie zur Kategorie der großbürgerlichen Salonkunst. Daher gefielen ihre Arbeiten vielen Zeitgenossen nicht.
Käthe Kollwitz Selbstbildnis en face, (Ausschnitt) Kohle auf gebräuntem Transparentpapier, 1923 © Käthe Kollwitz Museum Köln |
Prominentester Gegner ihres Schaffens war wohl „Wilhelm Zwo“, König von Preußen und letzter deutscher Kaiser. Für ihn waren die eindringlichen Arbeiten der gebürtigen Königsbergerin und anderer Vertreter der aufkommenden Moderne „Rinnsteinkunst“, wie er verächtlich bemerkte (mehr).
Käthe Kollwitz 1914, Foto: Hänse Herrmann, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln
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Die Geringschätzung, ja Demütigung, durch den nur acht Jahre älteren erzkonservativen und in der historischen Kunstauffassung verhafteten Potentaten traf Kollwitz, damals 31 Jahre alt und erst am Beginn ihrer Künstlerlaufbahn, als sie 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung mit Werken vertreten war. Davon beirren ließ sie sich nicht, denn trotz dieser negativen Erfahrung und anderer dramatischer Lebensumstände machte sie eine überaus große künstlerische Karriere. 1906, acht Jahre nach der „Rinnstein-Schmähung“, wurden ihr und drei weiteren Künstlern, darunter Max Beckmann, der Villa-Romana-Preis zuerkannt – der älteste deutsche Kunstpreis.
Käthe Kollwitz mit Kupferplatte, um 1910, Foto: Hänse Herrmann, Nachlass Kollwitz © Käthe Kollwitz Museum Köln |
Der Tod ihres Sohnes Peter an der Flandern-Front 1914 änderte allerdings ihr Leben grundsätzlich. War sie bis dahin als Mitglied der Künstlerorganisation Berliner Secession noch engagierte Illustratorin der patriotischen Zeitschrift „Kriegszeit. Künstlerflugblätter“ des Berliner Verlegers und Galeristen Paul Cassirer (mehr), wandelte sich Käthe Kollwitz mehr und mehr zu einer Pazifistin.
Künstlerisch widmete sie sich verstärkt der Plastik. Eines ihrer zentralen Werke ist das „Trauernde Elternpaar“, es erinnert an ihren gefallenen Sohn Peter. Die viele Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs gefertigte Skulpturengruppe wurde auf dem Deutschen Soldatenfriedhof Vladslo in Belgien aufgestellt. Die Figuren tragen ihre Gesichtszüge und die ihres Ehemanns Karl, einem Berliner Armenarzt. Eine Kopie steht seit 1959 in der Kirchenruine von St. Alban in Köln, eine weitere seit 2014 auf der Kriegsgräberstätte Rschew an der Wolga (Russland) zum Gedenken an ihren dort in der Winterschlacht 1942 gefallenen Enkel, ebenfalls mit dem Vornamen Peter.
Käthe Kollwitz Selbstbildnis mit aufgestütztem Kopf, Feder und Pinsel in Schwarzbraun auf Bütten, um 1889–1891 © Käthe Kollwitz Museum Köln
Käthe Kollwitz Selbstbildnis, Holzschnitt, 1922 © Käthe Kollwitz Museum Köln
Käthe Kollwitz Selbstbildnis, Feder und Pinsel in Sepia, um 1888, Dauerleihgabe, Nachlass Marianne Fiedler © Käthe Kollwitz Museum Köln
Käthe Kollwitz Selbstbildnis, Bronze, Modell von 1926-1936, Guss von 1937–39 © Käthe Kollwitz Museum Köln
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Die Preußische Akademie der Künste ernannte die parteilose Künstlerin 1919 zur Professorin. Als erste Frau im Deutschen Reich erhielt Kollwitz, die sich selbst als Sozialistin sah, zehn Jahre später den preußischen Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste.
Mit dem Nationalsozialismus kam dann ihr künstlerisches Ende. 1933 musste Kollwitz die Akademie verlassen, ab 1936 galten ihre Arbeiten als „Entartete Kunst“ und wurden nicht mehr gezeigt.
Käthe Kollwitz gehört heute zu den bedeutendsten deutschen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Mit seiner weltweit umfangreichsten Sammlung vermittelt das Käthe Kollwitz Museum ein umfassendes Bild der Künstlerin, die in ihren Werken Themen wie Krieg, Armut und Tod, aber auch Liebe, Geborgenheit und das Ringen um Frieden in nachdrücklicher Weise zum Ausdruck bringt.
Das Haus zeigt in dieser Schau zwei spektakuläre Neuzugänge: Das früheste Kollwitz-Selbstportrait überhaupt, eine Tuschezeichnung aus dem Jahr 1888, sowie eine von lediglich drei existierenden Selbstbildnis-Plastiken, die die Künstlerin zu Lebzeiten in Bronze gießen lassen konnte. Die Zeichnung wurde erst vor einem Jahr entdeckt und wird als Dauerleihgabe in den Museumsbestand integriert. Sie zeigt die 22-jährige Studentin an der Münchener Künstlerinnenschule, die noch unsicher und mit fragendem Blick in den Spiegel schaut.
Die Plastik entstand gut drei Jahrzehnte später. Kollwitz war zu dem Zeitpunkt eine arrivierte Künstlerin. Eines dieser Exemplare, deren Fertigung sie selbst überwachen und damit auch im Ausdruck bestimmen konnte – das einzige überhaupt in Deutschland – befindet sich nun in dem rheinischen Museum, das ihren Namen trägt, und wird in der aktuellen Ausstellung erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Selbstbildnisse, so kommentiert das Haus, sind Spiegelbilder von Kollwitz´ Seele. Im Kontext der Sammlung „dokumentieren sie die permanente und intensive Selbstbefragung der Künstlerin“. Während es in jungen Jahren noch ein Suchen und Streben nach Selbstbehauptung gab, so reifte mit wachsender Lebenserfahrung in Kollwitz das Anliegen heran, ihre Persönlichkeit verdichtet herauszuarbeiten und über das Studium ihrer äußeren Erscheinung das menschliche Wesen an sich zu ergründen, und zwar „selbstkritisch und in ungeschönten, ausdrucksstarken Physiognomien.“
Die Ausstellung zeige, so die Kuratoren, wie die Künstlerin Käthe Kollwitz analog zu diesem Lebensprinzip ein Repertoire entwickelte, mit dem sie motivisch und stilistisch in autonomen wie in verkappten Selbstbildnissen grundlegende Aussagen über das Leben zu treffen vermochte.
cpw/ruwoi
Die Ausstellung „Die Seele nach außen – Kollwitz in Selbstbildnissen“ wird bis zum 22. Februar 2017 gezeigt.
Käthe Kollwitz Museum Köln
Neumarkt 18-24
50667 Köln
Tel (0221) 227-2899/-2602
Öffnungszeiten
DI – FR 10 – 18 Uhr
SA, SO 11 – 18 Uhr