Jankel Adler Artist (Der Künstler, Ausschnitt), 1927, French & Company, New York © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
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Archiv 2018
JANKEL ADLER
„Mann der seltsamen Sprache“
Es ist schon über 80 Jahre her, dass die aus Köln stammende Journalistin, Kunsthistorikerin und Kuratorin Luise (Lou) Straus-Ernst den Maler Jankel Adler in einem Katalog so charakterisierte.
Er sei kein „lieblicher“ Künstler, so kommentierte Straus-Ernst – die erste Ehefrau des Surrealisten und Dada-Vertreters Max Ernst (mehr) – im Jahre 1935 die Arbeiten des damals Vierzigjährigen Adler.
Aber „wer einmal die seltsame Sprache seiner Bilder versteht“, werde für lange Zeit unter dem Eindruck ihrer „zwingenden und mächtigen Melodie“ bleiben. Das ist in der Tat bis heute so geblieben.
Es war so gut wie selbstverständlich, dass Stil und Bildsprache des aus Polen stammenden, jüdischen Malers und Graveurs Jankel Adler (1895-1949) im Nationalsozialismus auf scharfen Widerstand stießen. Als Vertreter einer spätexpressionistischen, kubistischen und konstruktivistischen Formensprache galt Adler dem NS-Regime als „Kulturbolschewist“.
Jankel Adler Angelika, 1923, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Foto © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
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Während er sich im Zuge der zunehmenden antijüdischen Attacken selbst 1933 nach Paris und später nach London ins Exil retten konnte, wurden seine Werke als „entartete Kunst“ gebrandmarkt, in der berüchtigten gleichnamigen Ausstellung 1937 in München und 1938 in Berlin gezeigt, aus den Museen entfernt, verkauft und teilweise gar zerstört. Dennoch blieb der Künstler seiner höchst individuellen Richtung treu.
Nach seinem spektakulären Werk der 1920er Jahre fand er im englischen Exil zu einem neuen, weltoffenen Stil. Als begnadeter Netzwerker hatte er auch hier zahlreiche Künstlerkontakte, unterrichtete, wie er in Düsseldorf an der Kunstakademie unterrichtet hatte, und gewann damit maßgeblichen Einfluss auf die Kunst nach 1945.
Jankel Adlers mystisch geheimnisvolle Kunst, in deren Mittelpunkt die Suche nach einem existenziellen Menschenbild stand, fasziniert bis heute.
Es ist schon bemerkenswert, dass das Wuppertaler Von der Heydt-Museum dem aus Tuszyn bei Lodz stammenden Künstler, der zu den „Vergessenen“ zählt, nun eine Retrospektive ausrichtet. Es ist die erste seit rund 30 Jahren.
Paul Klee Mit violettem Fünfeck, 1919, 83, Kunst- und Museumsverein im Von der Heydt-Museum Wuppertal
Otto Dix An die Schönheit, 1922, Von der Heydt-Museum Wuppertal © VG Bild-Kunst, Bonn 2018
August Sander Der Maler Jankel Adler 1924. © Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur - August Sander Archiv, Cologne
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Das Museum zeigt Werke aus allen Schaffensphasen und bringt sie ganz bewußt in Verbindung mit Schöpfungen seiner Freunde aus der seinerzeitigen Kunstwelt. Und die waren überaus namhaft.
Chagall und Klee, Picasso und Dix, Modigliani und Francis Bacon, sie alle waren mit Jankel Adler bekannt und der eine und andere gar befreundet. Stilistisch war Adler stark von Picasso beeinflusst worden. Seine Bildaufbaue gelten als streng, die Materialwahl wie etwa Sandbeimischungen und pastöse Farbaufträge als experimentell.
Adler stand im Mittelpunkt der künstlerischen Avantgarde der 1920er Jahre und war eine ihrer treibenden Kräfte.
Es sei an dieser Stelle auch an seine rheinischen Jahre erinnert. Der Avantgardist lebte bis zu seiner Emigration 1933 zwar nur elf Jahre in Düsseldorf, doch seien hier seine wichtigsten Werke entstanden, betonte das Düsseldorfer „Handelsblatt“ in einem Rückblick.
Mit 18 Jahren war Jankel Adler nach Deutschland übergesiedelt und wohnte ab 1913 bei Geschwistern in Wuppertal-Barmen. Drei Jahre später nahm er ein Studium an der Barmer Kunstgewerbeschule auf und fand erste Kontakte zur expandierenden rheinischen Kunstszene, namentlich zu der ebenfalls aus Wuppertal stammenden Else Lasker-Schüler (mehr), zu dem Kölner Progressiven Franz Wilhelm Seiwert und in Düsseldorf zu dem Maler Arthur Kaufmann, einem der Gründer der Gruppe „Das Junge Rheinland“. Kaufmann setzte mit dem Gemälde „Die Zeitgenossen“ 1925 der Künstlergruppe ein Denkmal (mehr).
Anfang der Zwanzigerjahre knüpfte Adler dann Kontakte zum Düsseldorfer „Aktivistenbund“, lernte seine Lebensgefährtin Betty Kohlhaas kennen, zog 1922 schließlich in die alte Residenzstadt und wurde Mitglied der Gruppe „Das Junge Rheinland“, die in der Altstadt-Galerie von Johanna Ey residierte. In diesem Künstlerbund war Adler ebenso politisch aktiv wie bei den „Kölner Progressiven“ oder im Umfeld der expressionistischen Zeitschriften „Der Sturm“ und „Die Aktion“ des Avantgarde-Förderers Herwarth Walden (mehr). Jankel Adler galt als „experimentierfreudig, innovativ und international vernetzter Künstler“ auf dem Weg zum Ruhm, wie das Von der Heydt-Museum betont.
K2M
► In Wuppertal sind rund 200 Werke aus den USA wie aus Israel, Polen, Brasilien, Frankeich und Großbritannien versammelt. Die Kollektion lässt einen Malerrevolutionär im „Kontext der Moderne“ wiederentdecken, wie die Kuratoren betonen, der – wie Chagall – seine individuelle Position vor dem Hintergrund seiner jüdischen Herkunft definierte, aber ein weltweit verständliches Bildrepertoire formte.
► Zitierquelle: Jankel Adler (1895-1949), Galerie Remmert und Barth, Düsseldorf, Kataloge und Ausstellungstexte zu Jankel Adler.
Die Ausstellung „Jankel Adler und die Avantgarde Chagall/ Dix/ Klee/ Picasso“ wird bis zum 12. August 2018 gezeigt.
Von der Heydt-Museum
Turmhof 8
42403 Wuppertral
Tel. 0202 / 563 6231
Öffnungszeiten
DI – SO 11 – 18 Uhr
DO 11 – 20 Uhr
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