Archiv 2016
JAGD: FRANKREICHS NATIONALSPORT
Halali im Großstadtrevier
Die Welt der Jäger und Gejagten museal aufbereitet, fernab von Wald und Flur. Das vermutet man wohl kaum in der turbulenten Millionenmetropole Paris. Das „Musée de la Chasse et de la Nature“ - spezialisiert auf Jagd und Naturkunde - ist so etwas wie ein heißer Tipp für all jene, die sich zu diesem Metier hingezogen fühlen.
Bruce Sargeant Four Hunters with trophies (détail) huile sur toile. Exponat in der Ausstellung Safaris. Bruce Sargeant ist eine von mehreren fiktiven Künstlerpersönlichkeiten des US-Malers Mark Beard (*1956). © Marc Beard Foto © Musée de la Chasse et de la Nature Paris 2016 |
Und es ist - innen wie außen - ein so ungewöhnliches Museum wie das Thema selbst in der Museumslandschaft. Wer heutzutage Jagdkompositionen, historische Jagdwaffen, ausgestopfte Tiere und allerlei sonstige Utensilien aus dem Waidmannsleben zugkräftig fürs Publikum in Museen präsentieren will, muss sich kuratorisch etwas einfallen lassen. Das Pariser Jagd- und Naturkundemuseum zeigt, wie es gehen kann.
Das Haus liegt eher etwas abseits der großen innerstädtischen Touristenrouten, im trendigen Quartier Le Marais im 3. und 4. Arrondissement. Die Ausstellungen werden in zwei benachbarten prächtigen Herrenhäusern in der Rue des Archives präsentiert: in den Hôtels de Guénégaud und de Mongelas.
Salon de Compagnie (Empfangs- und Wohnraum) Foto © Sophie Lloyd – Musée de la Chasse et de la Nature Paris 2016 |
Das prestigeträchtige Palais „Guénégaud“ wurde von dem berühmten königlichen Architekten François Mansart (1598-1666) Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut. Bekanntlich war er der Erfinder der nach ihm benannten Dach- und Wohnform „Mansarde“. Heute, in Zeiten knapper werdender urbaner Behausungen, eine durchaus wieder populäre Wohnform.
Salle des Trophées (Trophäensaal) Foto © Sophie Lloyd – Musée de la Chasse et de la Nature Paris 2016
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Das Museum bietet zwei Abteilungen mit Präsenzschauen - zum einen mit der Thematik Jagd und zum anderen die Naturkunde.
In der Jagd-Abteilung brilliert das Museum mit völlig ungewöhnlichen Zimmer-Arrangements, etwa mit prunkvollen Interieurs wie antiken Sesseln, Vorhängen und Wandteppichen. Dazwischen raffiniert drapiert und positioniert: Jagdexponate aus aller Welt, Tierpräparate, die nicht nur aus Vitrinen lugen sondern von den Decken schauen, Kamine bewachen oder hinter Türen lauern.
Dem Naturfreund und Jäger, was im Übrigen für den vom Waidmannswesen geradezu besessenen Franzosen kein Widerspruch sondern eher ein Selbstverständnis ist, bieten sich ferner Sammlungen von Trophäen, Gerätschaften, Silberwaren, handwerklich großartig gefertigten Gewehren und kleineren Handfeuerwaffen, Rüstungen sowie eine detailgetreue Jagdstuben-Nachbildung. Die Tier-Exponate wie Bär, Hirsch, Wolf, Affe sind mit jagdlicher Sachkenntnis, aber auch gelegentlicher Verspieltheit arrangiert. Sie sind Teil einer labyrinthischen Dichte die eine Atmosphäre schafft, in der der Besucher glaubt, das Flair aus alten hochherrschaftlichen Lebensstilen durch die Räume wehen zu spüren.
Salle du Cerf et du Loup (Saal des Hirsches und des Wolfs) Foto © Sophie Lloyd – Musée de la Chasse et de la Nature Paris 2016 |
Gemälde mit Tier- und Jagdmotiven sind ein weiterer Schwerpunkt des Museums. Darunter Werke von Meistern wie Jean-Baptiste Oudry (1686-1755), dem Hofmaler Ludwig XV., der für seine kolossalen naturalistischen Tiergemälde in Fantasieumgebungen berühmt ist. Ferner faszinieren Darstellungen des Rokokomalers Alexandre-François Desportes, des Genremalers Jean Siméon Chardin und Gemälde des für Pferdebilder bekannten Antoine Charles Vernet.
Salle avifaune (Ausstellungsraum der Vogelwelt) Foto © Sophie Lloyd – Musée de la Chasse et de la Nature Paris 2016 |
Der Besucher gewinnt den Eindruck, dass Jagdszenerien die Kreativen zu allen Zeiten zutiefst beeindruckt und beflügelt haben. Für Kenner und Freunde von Tier- und Jagdmotiven ist das Privatmuseum ein wahres Eldorado. Alles in allem ist das Musée de la Chasse et de la Nature ein in Frankreich überaus populäres und viel besuchtes Haus, das seinesgleichen in der Welt sucht. Wenn man bedenkt, dass das Jagen in Frankreich seit über 1000 Jahren eine Art Nationalsport ist, erklären sich Museumsstandort, die extravagante Präsentation und die starke Besucherfrequenz fast von selbst.
Neben der Dauerausstellung zeigt das Museum derzeit zwei ergänzende temporäre Schauen.
Louis Tinayre Campement dans les Pyrénées, 1919, Huile sur toile © Coll. de S.A.S. le Prince de Monaco - cl. Geoffroy MOUFFLET - Archives du Palais de Monaco. Exponat in der Ausstellung Un Prince à la Chasse, Albert 1er de Monaco (1848-1922) © Musée de la Chasse et de la Nature Paris 2016
Yves Chaland Chaland explorateur, 1990 Foto © Isabelle Chaland © Musée de la Chasse et de la Nature Paris 2016
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Jagdreisen Mit Un Prince à la Chasse („Ein Prinz auf der Jagd“) folgt das Museum den Spuren und der Jagdleidenschaft des monegassischen Fürsten Albert I. von Monaco (1848-1922).
Der Souverän, Gründer des Ozeanographischen Museums in Monaco (mehr) und wegen seiner Reiselust auch „Prince navigateur“ genannt, unternahm zwischen 1904 und 1920 mehrere abenteuerliche Expeditionen. Dokumentiert wurden sie von dem französischen Maler und Illustrator Louis Tinayre (1861-1942). Die Ausstellung zeigt eine Auswahl an bislang nicht veröffentlichten Dokumenten, Zeichnungen und Fotografien dieser Jagd-und Forschungsreisen. Die Schau steht unter der Schirmherrschaft von S.D. Prinz Albert II. von Monaco.
Als Kontrapunkt dazu versteht sich die Expo-Kooperation Safaris/Safarix. Erstere zeigt, wie sich die zeitgenössische Kunst mit dem Thema Jagd auseinandersetzt und wie Künstler von Jagden und Safaris inspiriert werden. Safarix spürt der Verbindung zwischen Jagd und Comic nach. Über 50 Originale liefern auf unterhaltsame Art Blicke auf dieses Genre. Von Rodolphe Töpffer, dem Schweizer Zeichner, Novellisten und Meister der Comics reicht die Präsentation über Arbeiten zeitgenössischer Karikaturisten bis hin zu Hergé oder Uderzo. Der Belgier Georges Prosper Remi alias Hergé (1907-1983) beeinflusste wie kein anderer die Comic-Kultur in Europa. Seine bekanntesten Figuren sind Tim und Struppi. Ob nun Hergé´s Abenteuer von Tim und Struppi im Kongo, Obelix oder Tarzan - die Fantasie der Comics und die Realität des Jagdwesens finden hier eine sehenswerte optische Verbindung.
K2M
Jean-Baptiste Oudry Das Nashorn Clara in Paris, 1749, Öl auf Leinwand, 310 x 456 cm. Die Abbildung zeigt das indische Panzernashorn Clara, lebensgroß vor einer erdachten Landschaft. Es wurde zu Oudrys Zeiten in vielen Städten als Jahrmarktattraktion gezeigt. Foto © Staatliches Museum Schwerin
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► Den größten Gemäldebestand mit Tiermotiven des Hofmalers Jean-Baptiste Oudry besitzt das Staatliche Museum Schwerin (mehr). Herzog Christian Ludwig II. von Mecklenburg-Schwerin, Jäger mit großem Revier etwa in Ludwigslust, galt als großer Bewunderer und Sammler von Oudry-Werken. Er erwarb ab 1732 zahlreiche Gemälde, darunter jene einmalige Serie von zehn lebensgroßen Bildnissen exotischer Tiere der Königlichen Menagerie, die ursprünglich für den Botanischen Garten in Versailles bestimmt waren. Heute verfügt das Schweriner Haus über 34 Oudry-Gemälde verschiedener Thematiken und 42 Handzeichnungen.
► Das Museum Musée de la Chasse et de la Nature wurde im Jahre 1964 von dem französischen Industriellen und passionierten Jäger François Sommer (1904-1973) und seiner Frau Jacqueline gegründet. Die Stiftung fördert unter anderem kulturelle und auf den Umwelt- und Naturschutz gerichtete Projekte.
Die Ausstellung Safarix endet am 17. Juli 2016
Die Ausstellung „Un Prince á la Chasse“ wird bis zum 24. Juli 2016 gezeigt.
Die Ausstellung Safaris läuft bis zum 4. September 2016.
Musée de la Chasse et de la Nature
62 Rue des Archives
75003 Paris, Frankreich
+33 1 53 01 92 40
Öffnungszeiten
DI, DO - SO 11 - 18 Uhr
MI 11 - 21.30 Uhr