rheinische ART 11/2010
Die internationale Kunstwelt trauert. Irene Ludwig, Kunstkennerin, Mäzenin und Stifterin ist tot.
Foto. Stiftung
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Im Oktober 1982 gründeten die Eheleute Irene und Peter Ludwig die „Ludwig Stiftung für Kunst und internationale Verständigung GmbH“. Nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemannes 1996 errichtete Irene Ludwig die „Peter und Irene Ludwig Stiftung“. Die Stiftung ist weltweit präsent. Museen und Institutionen, die den Namen Ludwig tragen, befinden sich in Aachen, Bamberg, Basel, Budapest, Koblenz, Köln, Oberhausen, Peking, Saarlouis, Sankt Petersburg und Wien.
Irene und Peter Ludwig hatten eine bedeutende Kunstsammlung von mehr als 10.000 Werken aufgebaut. Die berühmte Sammlung war unter anderem Grundstock des 1976 gegründeten Museum Ludwig in Köln. In den Städten Aachen (u.a. Sitz der Stiftung) und in Köln herrscht Trauerbeflaggung. Kondolenzbücher liegen in den beiden Rathäusern und im Museum Ludwig aus.
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Ein Nachruf vom Direktor des Museum Ludwig in Köln, Kasper König.
Zum Tod von Prof. Dr. h. c. Irene Ludwig
Am vergangenen Sonntag, 28. November 2010 starb Prof. Dr. h. c.Irene Ludwig 83-jährig in Aachen. Ihr plötzlicher Tod macht uns tief betroffen. Mit ihr verliert das Museum Ludwig nicht nur eine großzügige Freundin und Förderin, sondern auch eine kluge, kenntnisreiche und äußerst souveräne Ratgeberin und Begleiterin. Irene Ludwig verkörperte wie kaum eine andere den Begriff des Kunstsammelns, hat Sie doch ihr ganzes Leben der Kunst gewidmet.
Von 1947 bis 1950 studierte Sie an der Gutenberg-Universität in Mainz Kunstgeschichte und lernte dort auch ihren Mann Peter Ludwig kennen. Bereits zu dieser Zeit hatte Irene Ludwig begonnen, Kunst zu sammeln. Damals lag der Schwerpunkt ihrer Sammlungstätigkeit auf der griechischen und römischen Antike, der Kunst des Mittelalters, der Kunst und dem Kunstgewerbe der Barockzeit sowie auf islamischen und präkolumbianischen
Kulturerzeugnissen.
Doch ihr Interesse galt auch stets schon der Kunst des 20. Jahrhunderts. Vor allem das Werk Pablo Picassos verfolgte sie 40 Jahre lang und erkannte bereits früh die Bedeutung seines Spätwerks. Ohne ihr engagiertes und fachkundiges Interesse wäre die großartige, über 800 Werke umfassende Picasso-Sammlung, die das Museum Ludwig heute beherbergt, undenkbar.
Die Schenkung von etwa 400 Werken der zeitgenössischen Kunst durch Peter und Irene Ludwig 1976 an die Stadt Köln gab den Anstoß zur Gründung des Museum Ludwig als eigenständiger Institution. Vorangegangen war dieser Schenkung 1968/69 die spektakuläre Ausstellung amerikanischer und europäischer Kunst der sechziger Jahre aus der Sammlung Ludwig, die erstmals die Sammeltätigkeit des Ehepaars Ludwig öffentlich präsentierte. Zehn Jahre nach der ersten großzügigen Schenkung erfolgte 1986 der Bau des Museumskomplexes am Dom, der zunächst als Doppelmuseum mit Wallraf-Richartz-Museum und Museum Ludwig eröffnet wurde.
Angestoßen durch die erste große Picasso-Schenkung des Ehepaares Ludwig im Jahr 1994 wurde dann später der Neubau für das Wallraf-Richartz-Museum und damit die alleinige Nutzung des Museumsbaus am Dom durch das Museum Ludwig realisiert.
Nach dem Tod ihres Mannes Peter Ludwig im Jahr 1996 übernahm Irene Ludwig mit großem Elan die Weiterführung des gemeinsam beschrittenen Weges als Sammlerin und Mäzenin, wobei sie bald durchaus eigene Akzente setzte. So kam es 2001 zur zweiten großen Schenkung von 774 Werken Picassos, darunter über 90 Bilder, Skulpturen und Keramiken sowie fast 700 Druckgrafiken.
Somit verfügt das Museum Ludwig nach Barcelona und Paris über die drittgrößte Picasso-Sammlung weltweit. Sie umfasst einen repräsentativen Querschnitt aller Schaffensphasen des Künstlers sowie aller Gattungen, Materialien und Techniken.
Gemeinsam mit der 1998 von ihr ins Leben gerufenen Peter und Irene Ludwig Stiftung trug Irene Ludwig außerdem jährlich maßgeblich auch finanziell zur Unterstützung des Museum Ludwig bei. Darüber hinaus setzte sie gemeinsam mit dem Haus auch großartige Neuerwerbungen um, so beispielsweise wichtige Arbeiten von Sigmar Polke oder Louise Bourgeois. Den ersten bedeutenden Ankauf für das Museum Ludwig nach dem Tode ihres Mannes tätigte sie mit einem wichtigen, großformatigen Panoramabild von David Hockney, ihre letzte große Neuerwerbung bildete im Sommer, anlässlich der Ausstellung Roy Lichtenstein. Kunst als Motiv eine wundervolle späte „Chinesische Landschaft“ von Roy Lichtenstein.
Auch setzte Irene Ludwig in ihrer klugen Art bewusst ein Zeichen für die Kölner Kunst- und Museumsbibliothek, indem sie dieser international wichtigen Institution ihre 8000 Bände umfassende Arbeitsbibliothek überließ.
Zahlreiche öffentliche Ehrungen waren Ausdruck der Wertschätzung, die Irene Ludwig für ihr mäzenatisches Engagement entgegengebracht wurde. So erhielt sie unter anderem 1995 als bisher einzige Frau die Ehrenbürgerwürde der Stadt Köln und wurde 2007 mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens ausgezeichnet.
Das Museum Ludwig trauert um Prof. Dr. h. c. Irene Ludwig. Sie war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, der die Stadt Köln und das Museum Ludwig eine beeindruckende Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst verdankt. Selten hat jemand die Liebe zur Kunst mit fachkundiger Sammelleidenschaft und großzügigem bürgerschaftlichem Verantwortungsbewusstsein verbunden wie sie es tat. Gemeinsam mit ihrem Mann Peter Ludwig verlieh sie durch ihre Schenkungen dem Museum Ludwig seine Identität, unterstützte und prägte es. Wir werden diese kluge Freundin und Mäzenin an unserer Seite vermissen. In tiefer Dankbarkeit und Verbundenheit nehmen wir Abschied.
Kasper König
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